gangenheit vergessen, er vergißt die Gegenwart, denn die Zukunft ist wieder sein. Sie wohnt da oben und lacht mit hellen Augen zu ihm herab. Er hat sich so sehr daran gewöhnt, Alles, was ihn drückt, mit seinem Bruder zusammenzudenken, daß er's mit ihm in Ein Grab steigen sieht. An die Zerrüttung seines Wohlstan¬ des mag er sich nicht erinnern. Er denkt nicht gern an unangenehme Dinge, eh' er sie fühlt. Ist's nicht genug, daß er weiß, er wird den Bruder verlieren? Und wenn sich die Dinge selber ihm aufdrängen, dann hilft ihm sein Leichtsinn. Wie er schnell darüber hindenkt, findet er für Alles Rath, und was ihm heut nicht ein¬ fällt, das wird ihm morgen einfallen; morgen ist auch ein Tag. Und er ist einer, der -- Die Wendung, mit der er in seinen Weg einschwenkt, gelingt ihm so jovial, als je.
Es wird ihm doch wieder eigen zu Muth, denkt er sich, daß man zu der Thür, die er eben aufschließt, einen Sarg heraus tragen wird. Unwillkürlich macht er Platz, wie um Sarg und Zug vor sich vorbeizulassen. "In's Unabänderliche," sagt er leise, wie sich überhörend, was er einem Tröstenden zu antworten habe, wenn es so weit sei, "in's Unabänderliche muß sich der Mensch ergeben." Und wie er die Achsel zu den Worten zuckt, da wird er einen leisen, schlanken Lichtschein gewahr. Ein Stück davon läuft über seinen Aermel, ein anderes liegt wie abgebrochen und herabgefallen neben ihm auf dem
gangenheit vergeſſen, er vergißt die Gegenwart, denn die Zukunft iſt wieder ſein. Sie wohnt da oben und lacht mit hellen Augen zu ihm herab. Er hat ſich ſo ſehr daran gewöhnt, Alles, was ihn drückt, mit ſeinem Bruder zuſammenzudenken, daß er's mit ihm in Ein Grab ſteigen ſieht. An die Zerrüttung ſeines Wohlſtan¬ des mag er ſich nicht erinnern. Er denkt nicht gern an unangenehme Dinge, eh' er ſie fühlt. Iſt's nicht genug, daß er weiß, er wird den Bruder verlieren? Und wenn ſich die Dinge ſelber ihm aufdrängen, dann hilft ihm ſein Leichtſinn. Wie er ſchnell darüber hindenkt, findet er für Alles Rath, und was ihm heut nicht ein¬ fällt, das wird ihm morgen einfallen; morgen iſt auch ein Tag. Und er iſt einer, der — Die Wendung, mit der er in ſeinen Weg einſchwenkt, gelingt ihm ſo jovial, als je.
Es wird ihm doch wieder eigen zu Muth, denkt er ſich, daß man zu der Thür, die er eben aufſchließt, einen Sarg heraus tragen wird. Unwillkürlich macht er Platz, wie um Sarg und Zug vor ſich vorbeizulaſſen. „In's Unabänderliche,“ ſagt er leiſe, wie ſich überhörend, was er einem Tröſtenden zu antworten habe, wenn es ſo weit ſei, „in's Unabänderliche muß ſich der Menſch ergeben.“ Und wie er die Achſel zu den Worten zuckt, da wird er einen leiſen, ſchlanken Lichtſchein gewahr. Ein Stück davon läuft über ſeinen Aermel, ein anderes liegt wie abgebrochen und herabgefallen neben ihm auf dem
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gangenheit vergeſſen, er vergißt die Gegenwart, denn
die Zukunft iſt wieder ſein. Sie wohnt da oben und
lacht mit hellen Augen zu ihm herab. Er hat ſich ſo
ſehr daran gewöhnt, Alles, was ihn drückt, mit ſeinem
Bruder zuſammenzudenken, daß er's mit ihm in Ein
Grab ſteigen ſieht. An die Zerrüttung ſeines Wohlſtan¬
des mag er ſich nicht erinnern. Er denkt nicht gern
an unangenehme Dinge, eh' er ſie fühlt. Iſt's nicht
genug, daß er weiß, er wird den Bruder verlieren?
Und wenn ſich die Dinge ſelber ihm aufdrängen, dann
hilft ihm ſein Leichtſinn. Wie er ſchnell darüber hindenkt,
findet er für Alles Rath, und was ihm heut nicht ein¬
fällt, das wird ihm morgen einfallen; morgen iſt auch
ein Tag. Und er iſt einer, der — Die Wendung, mit
der er in ſeinen Weg einſchwenkt, gelingt ihm ſo
jovial, als je.
Es wird ihm doch wieder eigen zu Muth, denkt er
ſich, daß man zu der Thür, die er eben aufſchließt, einen
Sarg heraus tragen wird. Unwillkürlich macht er Platz,
wie um Sarg und Zug vor ſich vorbeizulaſſen. „In's
Unabänderliche,“ ſagt er leiſe, wie ſich überhörend, was er
einem Tröſtenden zu antworten habe, wenn es ſo weit
ſei, „in's Unabänderliche muß ſich der Menſch ergeben.“
Und wie er die Achſel zu den Worten zuckt, da wird er
einen leiſen, ſchlanken Lichtſchein gewahr. Ein Stück
davon läuft über ſeinen Aermel, ein anderes liegt wie
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/167>, abgerufen am 12.12.2024.
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