wirft's ihr vor, und sie leugnet's nicht. Sie sagt ihm: weil er um mich leidet und um meine Kinder. Er gibt sein mühsam Erspartes her, um zu ersetzen, wenn der Mann ihren Kindern das wöchentlich Ausgesetzte raubt. "Und das sagt er dir? Das hat er dir gesagt!" lacht der Mann mit wilder Freude, sie auf dem Ge¬ ständniß zu ertappen, daß sie sich mit ihm trifft. ""Er nicht,"" zürnt die Frau, daß der Verachtete Apollonius mit seinem Maße mißt. Er, der Gatte, verkleinert, was Andere für ihn thaten, und rückt, was er für Andere thut, diesen unaufhörlich und übertreibend vor. Apollonius dagegen vergrößert das Empfangene; von dem, was er erweist, redet er nicht, oder er selbst ver¬ kleinert's, um dem Andern Bitte, Annahme und Ver¬ pflichtungsbewußtsein zu erleichtern. Apollonius selbst sollte es sagen! Der alte Valentin hat's gesagt. Der hat ja die Uhr selbst als seine verkauft, die Apollonius von Cöln mitbrachte. Apollonius hat ihm verboten, es ihr zu sagen. -- "Und auch zu sagen, daß er's ihm verboten hat?" lacht der Gatte. Und es ist ein Etwas von Verachtung in seinem Lachen. Solche Dinge kann man dem Träumer zutraun; aber jetzt will er's ihm nicht zutraun. "Freilich," lacht er noch wilder. "Ein noch Dümmerer als der Träumer weiß, umsonst thut's Keine. Die Schlechteste hält sich eines Preises werth. Eine mit solchen Haaren und mit solchen Augen, solchem Leib!" Er greift ihr in die Haare
Ludwig, Zwischen Himmel und Erde. 10
wirft's ihr vor, und ſie leugnet's nicht. Sie ſagt ihm: weil er um mich leidet und um meine Kinder. Er gibt ſein mühſam Erſpartes her, um zu erſetzen, wenn der Mann ihren Kindern das wöchentlich Ausgeſetzte raubt. „Und das ſagt er dir? Das hat er dir geſagt!“ lacht der Mann mit wilder Freude, ſie auf dem Ge¬ ſtändniß zu ertappen, daß ſie ſich mit ihm trifft. „„Er nicht,““ zürnt die Frau, daß der Verachtete Apollonius mit ſeinem Maße mißt. Er, der Gatte, verkleinert, was Andere für ihn thaten, und rückt, was er für Andere thut, dieſen unaufhörlich und übertreibend vor. Apollonius dagegen vergrößert das Empfangene; von dem, was er erweiſt, redet er nicht, oder er ſelbſt ver¬ kleinert's, um dem Andern Bitte, Annahme und Ver¬ pflichtungsbewußtſein zu erleichtern. Apollonius ſelbſt ſollte es ſagen! Der alte Valentin hat's geſagt. Der hat ja die Uhr ſelbſt als ſeine verkauft, die Apollonius von Cöln mitbrachte. Apollonius hat ihm verboten, es ihr zu ſagen. — „Und auch zu ſagen, daß er's ihm verboten hat?“ lacht der Gatte. Und es iſt ein Etwas von Verachtung in ſeinem Lachen. Solche Dinge kann man dem Träumer zutraun; aber jetzt will er's ihm nicht zutraun. „Freilich,“ lacht er noch wilder. „Ein noch Dümmerer als der Träumer weiß, umſonſt thut's Keine. Die Schlechteſte hält ſich eines Preiſes werth. Eine mit ſolchen Haaren und mit ſolchen Augen, ſolchem Leib!“ Er greift ihr in die Haare
Ludwig, Zwiſchen Himmel und Erde. 10
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wirft's ihr vor, und ſie leugnet's nicht. Sie ſagt ihm:
weil er um mich leidet und um meine Kinder. Er
gibt ſein mühſam Erſpartes her, um zu erſetzen, wenn
der Mann ihren Kindern das wöchentlich Ausgeſetzte
raubt. „Und das ſagt er dir? Das hat er dir geſagt!“
lacht der Mann mit wilder Freude, ſie auf dem Ge¬
ſtändniß zu ertappen, daß ſie ſich mit ihm trifft. „„Er
nicht,““ zürnt die Frau, daß der Verachtete Apollonius
mit ſeinem Maße mißt. Er, der Gatte, verkleinert,
was Andere für ihn thaten, und rückt, was er für
Andere thut, dieſen unaufhörlich und übertreibend vor.
Apollonius dagegen vergrößert das Empfangene; von
dem, was er erweiſt, redet er nicht, oder er ſelbſt ver¬
kleinert's, um dem Andern Bitte, Annahme und Ver¬
pflichtungsbewußtſein zu erleichtern. Apollonius ſelbſt
ſollte es ſagen! Der alte Valentin hat's geſagt. Der
hat ja die Uhr ſelbſt als ſeine verkauft, die Apollonius
von Cöln mitbrachte. Apollonius hat ihm verboten,
es ihr zu ſagen. — „Und auch zu ſagen, daß er's
ihm verboten hat?“ lacht der Gatte. Und es iſt ein
Etwas von Verachtung in ſeinem Lachen. Solche
Dinge kann man dem Träumer zutraun; aber jetzt
will er's ihm nicht zutraun. „Freilich,“ lacht er noch
wilder. „Ein noch Dümmerer als der Träumer weiß,
umſonſt thut's Keine. Die Schlechteſte hält ſich eines
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Ludwig, Zwiſchen Himmel und Erde. 10
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/154>, abgerufen am 22.11.2024.
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