bilden in des Verhaßten eigenste Eigenheit ausplauderte; er verfolgte dessen Einfluß bis zu dem rechtwinkligen Stande der Wirbel an der Fenstersäule. Dann begann er auf Apollonius zu schimpfen. Und in Ausdrücken, als müßte nun auch er zeigen, wieviel man von fremder Art annehmen könne. Waren die Kinder zugegen, dann war es der Frau erste Sorge, sie zu entfernen. Sie sollten seine Rohheit nicht kennen und den Vater verachten lernen. Nicht um seinet-, um der Kinder willen. Er verrieth nicht, wie gern er "die Spione" los war. Ihm war es nicht um die Kinder, nur um sich selbst. So einsam hatte ihn die Verderbniß schon gemacht. Ohne ihr es zu gestehn, fürchtete er die Anklage der Kinder bei Apollonius. Er dachte nicht, daß die Frau selbst ihn verklagen könnte, von der er doch annahm, sie treffe sich mit Apollonius. Leidenschaft und wüstes Leben hatten sein geringes Klarheitsbe¬ dürfniß aufgezehrt. Seine Voraussetzungen mochten sich widersprechen, widersprachen sie nur nicht der Stimmung des Augenblicks, der Eigenwilligkeit seiner Leidenschaft. Alles, was er im Zimmer sah, war ihm ein neuer Beweis seiner Schande. Wie sollte er glauben, es habe einen andern Zweck, als von Apol¬ lonius bemerkt zu werden! Wenn sie ihm dann sagt, sie mög' er schimpfen, nur Apollonius nicht, dann zeigt ihm das scharfe Aug' der Eifersucht, wie sie einen Genuß darin findet, um Apollonius zu leiden. Er
bilden in des Verhaßten eigenſte Eigenheit ausplauderte; er verfolgte deſſen Einfluß bis zu dem rechtwinkligen Stande der Wirbel an der Fenſterſäule. Dann begann er auf Apollonius zu ſchimpfen. Und in Ausdrücken, als müßte nun auch er zeigen, wieviel man von fremder Art annehmen könne. Waren die Kinder zugegen, dann war es der Frau erſte Sorge, ſie zu entfernen. Sie ſollten ſeine Rohheit nicht kennen und den Vater verachten lernen. Nicht um ſeinet-, um der Kinder willen. Er verrieth nicht, wie gern er „die Spione“ los war. Ihm war es nicht um die Kinder, nur um ſich ſelbſt. So einſam hatte ihn die Verderbniß ſchon gemacht. Ohne ihr es zu geſtehn, fürchtete er die Anklage der Kinder bei Apollonius. Er dachte nicht, daß die Frau ſelbſt ihn verklagen könnte, von der er doch annahm, ſie treffe ſich mit Apollonius. Leidenſchaft und wüſtes Leben hatten ſein geringes Klarheitsbe¬ dürfniß aufgezehrt. Seine Vorausſetzungen mochten ſich widerſprechen, widerſprachen ſie nur nicht der Stimmung des Augenblicks, der Eigenwilligkeit ſeiner Leidenſchaft. Alles, was er im Zimmer ſah, war ihm ein neuer Beweis ſeiner Schande. Wie ſollte er glauben, es habe einen andern Zweck, als von Apol¬ lonius bemerkt zu werden! Wenn ſie ihm dann ſagt, ſie mög' er ſchimpfen, nur Apollonius nicht, dann zeigt ihm das ſcharfe Aug' der Eiferſucht, wie ſie einen Genuß darin findet, um Apollonius zu leiden. Er
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bilden in des Verhaßten eigenſte Eigenheit ausplauderte;
er verfolgte deſſen Einfluß bis zu dem rechtwinkligen
Stande der Wirbel an der Fenſterſäule. Dann begann
er auf Apollonius zu ſchimpfen. Und in Ausdrücken,
als müßte nun auch er zeigen, wieviel man von fremder
Art annehmen könne. Waren die Kinder zugegen,
dann war es der Frau erſte Sorge, ſie zu entfernen.
Sie ſollten ſeine Rohheit nicht kennen und den Vater
verachten lernen. Nicht um ſeinet-, um der Kinder
willen. Er verrieth nicht, wie gern er „die Spione“
los war. Ihm war es nicht um die Kinder, nur um
ſich ſelbſt. So einſam hatte ihn die Verderbniß ſchon
gemacht. Ohne ihr es zu geſtehn, fürchtete er die
Anklage der Kinder bei Apollonius. Er dachte nicht,
daß die Frau ſelbſt ihn verklagen könnte, von der er
doch annahm, ſie treffe ſich mit Apollonius. Leidenſchaft
und wüſtes Leben hatten ſein geringes Klarheitsbe¬
dürfniß aufgezehrt. Seine Vorausſetzungen mochten
ſich widerſprechen, widerſprachen ſie nur nicht der
Stimmung des Augenblicks, der Eigenwilligkeit ſeiner
Leidenſchaft. Alles, was er im Zimmer ſah, war ihm
ein neuer Beweis ſeiner Schande. Wie ſollte er
glauben, es habe einen andern Zweck, als von Apol¬
lonius bemerkt zu werden! Wenn ſie ihm dann ſagt,
ſie mög' er ſchimpfen, nur Apollonius nicht, dann zeigt
ihm das ſcharfe Aug' der Eiferſucht, wie ſie einen
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/153>, abgerufen am 22.11.2024.
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