wenn er ihn nicht schickte. Ein Narr, wie ich einer war, daß ich glaubte, er würde ihn doch behalten. O ich bin zu ehrlich, zu dummehrlich gegen so einen. Was geh'n ihn meine Schulden an? In seiner Gewalt wollt' er mich haben; darum zwang er mich, Schulden zu machen, damit er den Gesellen fortschicken konnte, der ihm hinderlich war. Herr im Hause wollt' er sein, darum verdrängte er mich aus einer Stellung nach der andern, um mit ihr zusammen zu kommen ohne mich. Damit er mich einschüchtern könnte, daß ich's leiden müßte, was er will. Und wenn er recht hat, warum läßt er sich soviel von mir gefallen? Ein ehrlicher Kerl, wie ich, wär' anders gegen mich. Es ist sein bös Gewissen. Er wär' nicht so, wär' er nicht falsch. Eine Zwickmühle ist's. Was das Einschüchtern nicht hilft, das soll das Einschmeicheln helfen. Er ist mir nicht klug genug. Ich bin einer, der die Welt besser kennt, als der Träumer!"
So bestärkte ihn, was Apollonius ihm zeigen mochte, Strenge und Milde, nur in dem Gedanken, der ihn, je länger er ihn hegte und mit seinem Herz¬ blut fütterte, um so weniger losließ und um so durstiger wurde, sein Herzblut zu trinken. Er sah kein äußeres Hinderniß mehr, das des Bruders verbrecherische Ab¬ sicht verhindern konnte. Von nun an wechselte sein Seelenzustand zwischen verzweifelter Ergebung in das, was nicht mehr zu verhindern, ja! wohl schon geschehen
wenn er ihn nicht ſchickte. Ein Narr, wie ich einer war, daß ich glaubte, er würde ihn doch behalten. O ich bin zu ehrlich, zu dummehrlich gegen ſo einen. Was geh'n ihn meine Schulden an? In ſeiner Gewalt wollt' er mich haben; darum zwang er mich, Schulden zu machen, damit er den Geſellen fortſchicken konnte, der ihm hinderlich war. Herr im Hauſe wollt' er ſein, darum verdrängte er mich aus einer Stellung nach der andern, um mit ihr zuſammen zu kommen ohne mich. Damit er mich einſchüchtern könnte, daß ich's leiden müßte, was er will. Und wenn er recht hat, warum läßt er ſich ſoviel von mir gefallen? Ein ehrlicher Kerl, wie ich, wär' anders gegen mich. Es iſt ſein bös Gewiſſen. Er wär' nicht ſo, wär' er nicht falſch. Eine Zwickmühle iſt's. Was das Einſchüchtern nicht hilft, das ſoll das Einſchmeicheln helfen. Er iſt mir nicht klug genug. Ich bin einer, der die Welt beſſer kennt, als der Träumer!“
So beſtärkte ihn, was Apollonius ihm zeigen mochte, Strenge und Milde, nur in dem Gedanken, der ihn, je länger er ihn hegte und mit ſeinem Herz¬ blut fütterte, um ſo weniger losließ und um ſo durſtiger wurde, ſein Herzblut zu trinken. Er ſah kein äußeres Hinderniß mehr, das des Bruders verbrecheriſche Ab¬ ſicht verhindern konnte. Von nun an wechſelte ſein Seelenzuſtand zwiſchen verzweifelter Ergebung in das, was nicht mehr zu verhindern, ja! wohl ſchon geſchehen
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wenn er ihn nicht ſchickte. Ein Narr, wie ich einer
war, daß ich glaubte, er würde ihn doch behalten.
O ich bin zu ehrlich, zu dummehrlich gegen ſo einen.
Was geh'n ihn meine Schulden an? In ſeiner
Gewalt wollt' er mich haben; darum zwang er mich,
Schulden zu machen, damit er den Geſellen fortſchicken
konnte, der ihm hinderlich war. Herr im Hauſe wollt'
er ſein, darum verdrängte er mich aus einer Stellung
nach der andern, um mit ihr zuſammen zu kommen
ohne mich. Damit er mich einſchüchtern könnte, daß
ich's leiden müßte, was er will. Und wenn er recht
hat, warum läßt er ſich ſoviel von mir gefallen? Ein
ehrlicher Kerl, wie ich, wär' anders gegen mich. Es iſt
ſein bös Gewiſſen. Er wär' nicht ſo, wär' er nicht
falſch. Eine Zwickmühle iſt's. Was das Einſchüchtern
nicht hilft, das ſoll das Einſchmeicheln helfen. Er iſt
mir nicht klug genug. Ich bin einer, der die Welt
beſſer kennt, als der Träumer!“
So beſtärkte ihn, was Apollonius ihm zeigen
mochte, Strenge und Milde, nur in dem Gedanken,
der ihn, je länger er ihn hegte und mit ſeinem Herz¬
blut fütterte, um ſo weniger losließ und um ſo durſtiger
wurde, ſein Herzblut zu trinken. Er ſah kein äußeres
Hinderniß mehr, das des Bruders verbrecheriſche Ab¬
ſicht verhindern konnte. Von nun an wechſelte ſein
Seelenzuſtand zwiſchen verzweifelter Ergebung in das,
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/147>, abgerufen am 24.11.2024.
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