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Ludwig, Julie: Das Gericht im Walde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [237]–288. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Schlehdorn durch das saftige Grün der Wiesen; straff saß das Mieder mit den blanken Knöpfen, und der dunkle, dreimal mit grünem Taffetband umnähte Tuchrock fiel in tiefen Falten von der kräftigen Hüfte. Kein "Unthätchen" sollte an ihrem Anzuge, kein Makel an ihr selbst gefunden werden -- das stand auf ihrem von der Schläfe bis zum Kinn in festen, schönen Linien gezeichneten Gesichte geschrieben. In diesem Gesichte vermißte man weder die Rosen der Gesundheit, noch den schwellenden Flaum der Jugend, und nur Eins fehlte der ländlichen Erscheinung, um sie zu einer in ihrer Art vollendeten zu machen: lachende Heiterkeit.

Zwar, so lange sich die Rose-Marie noch im Bereiche der Häuser und der Blicke wußte, hielt sie den Nacken steif und warf den Kopf fast übermüthig auf, wie es so ihre Art war, wobei sie bald nach rechts und bald nach links sehr freundlich grüßte; ja, sie erzwang sogar ein Lächeln, welches ihre weißen Zähne prächtig zwischen den hochroth schwellenden Lippen hervorblitzen ließ, aber ihr Auge lachte nicht mit, wie es sonst gewöhnlich that, und auch die Stirn schien wenig genug von dem zu wissen, was weiter unten im Gesicht geschah. Kaum hatte sie denn auch die letzte Hütte des langgestreckten Dorfes hinter sich, als sie, plötzlich stehend bleibend, die ganze fremde Last mit einem tiefen Athemzuge gleichsam von sich abstieß.

Ei, was da! sagte sie und fuhr so gewaltsam mit dem rechten Arme aus, als gälte es, die Festigkeit der Aermelnaht zu prüfen, -- was da! gebt Raum, ihr Aller-

Schlehdorn durch das saftige Grün der Wiesen; straff saß das Mieder mit den blanken Knöpfen, und der dunkle, dreimal mit grünem Taffetband umnähte Tuchrock fiel in tiefen Falten von der kräftigen Hüfte. Kein „Unthätchen“ sollte an ihrem Anzuge, kein Makel an ihr selbst gefunden werden — das stand auf ihrem von der Schläfe bis zum Kinn in festen, schönen Linien gezeichneten Gesichte geschrieben. In diesem Gesichte vermißte man weder die Rosen der Gesundheit, noch den schwellenden Flaum der Jugend, und nur Eins fehlte der ländlichen Erscheinung, um sie zu einer in ihrer Art vollendeten zu machen: lachende Heiterkeit.

Zwar, so lange sich die Rose-Marie noch im Bereiche der Häuser und der Blicke wußte, hielt sie den Nacken steif und warf den Kopf fast übermüthig auf, wie es so ihre Art war, wobei sie bald nach rechts und bald nach links sehr freundlich grüßte; ja, sie erzwang sogar ein Lächeln, welches ihre weißen Zähne prächtig zwischen den hochroth schwellenden Lippen hervorblitzen ließ, aber ihr Auge lachte nicht mit, wie es sonst gewöhnlich that, und auch die Stirn schien wenig genug von dem zu wissen, was weiter unten im Gesicht geschah. Kaum hatte sie denn auch die letzte Hütte des langgestreckten Dorfes hinter sich, als sie, plötzlich stehend bleibend, die ganze fremde Last mit einem tiefen Athemzuge gleichsam von sich abstieß.

Ei, was da! sagte sie und fuhr so gewaltsam mit dem rechten Arme aus, als gälte es, die Festigkeit der Aermelnaht zu prüfen, — was da! gebt Raum, ihr Aller-

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[0009] Schlehdorn durch das saftige Grün der Wiesen; straff saß das Mieder mit den blanken Knöpfen, und der dunkle, dreimal mit grünem Taffetband umnähte Tuchrock fiel in tiefen Falten von der kräftigen Hüfte. Kein „Unthätchen“ sollte an ihrem Anzuge, kein Makel an ihr selbst gefunden werden — das stand auf ihrem von der Schläfe bis zum Kinn in festen, schönen Linien gezeichneten Gesichte geschrieben. In diesem Gesichte vermißte man weder die Rosen der Gesundheit, noch den schwellenden Flaum der Jugend, und nur Eins fehlte der ländlichen Erscheinung, um sie zu einer in ihrer Art vollendeten zu machen: lachende Heiterkeit. Zwar, so lange sich die Rose-Marie noch im Bereiche der Häuser und der Blicke wußte, hielt sie den Nacken steif und warf den Kopf fast übermüthig auf, wie es so ihre Art war, wobei sie bald nach rechts und bald nach links sehr freundlich grüßte; ja, sie erzwang sogar ein Lächeln, welches ihre weißen Zähne prächtig zwischen den hochroth schwellenden Lippen hervorblitzen ließ, aber ihr Auge lachte nicht mit, wie es sonst gewöhnlich that, und auch die Stirn schien wenig genug von dem zu wissen, was weiter unten im Gesicht geschah. Kaum hatte sie denn auch die letzte Hütte des langgestreckten Dorfes hinter sich, als sie, plötzlich stehend bleibend, die ganze fremde Last mit einem tiefen Athemzuge gleichsam von sich abstieß. Ei, was da! sagte sie und fuhr so gewaltsam mit dem rechten Arme aus, als gälte es, die Festigkeit der Aermelnaht zu prüfen, — was da! gebt Raum, ihr Aller-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:36:23Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:36:23Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Ludwig, Julie: Das Gericht im Walde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [237]–288. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_gericht_1910/9>, abgerufen am 24.11.2024.