Ludwig, Julie: Das Gericht im Walde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [237]–288. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.mel, und wo der Engel der Versöhnung neben einer echten Liebe steht, um wieder Hand in Hand, Herz an Herz zu legen -- wo Gott der Herr als Hoherpriester von seinem flammenden Altar den Segen über einen Bund spricht, der fortan kein Zerreißen mehr zu fürchten hat -- da, wenn nirgends sonst, ragt noch ein Stücklein Paradieses in das begnadete Menschenleben herein. Von nun an bis in alle Ewigkeit! flüsterten die Gatten, die sich verloren hatten und wiedergefunden, die gestorben waren und auferstanden zu einem neuen Leben und "ewig! ewig!" hallte ein majestätisches Nachdonnern des vorübergezogenen Gewitters den östlichen Horizont entlang, wie die austönenden Klänge der Orgel. Ein dumpfes Krachen, ganz in ihrer Nähe, rief die beiden von der Weihe des Augenblicks Ueberwältigten in die Wirklichkeit zurück. Sie hatten einen schaurig schönen Anblick, indem sie ihre Blicke dahin zurückwandten, wo vor Kurzem noch das unheimliche Häuschen gestanden hatte. Das Dachgebälke war eingestürzt, eine lodernde Flammengarbe stieg empor und hob die wunderlichen Felsgebilde sammt den alten, verwitterten Bäumen in rothglühender Beleuchtung phantastisch von dem dunklen Hintergrunde ab, während die Lichtung, auf der sie standen, mit ihren verrinnenden Wassern und den Millionen Tropfen an Zweigen und Gesträuch dem schönsten Sonnenscheine eben so viele Spiegel entgegenhielt. Noch standen die Wände der alten Bretterhütte wie durchglüht, da stürzte ein verkohlter Balken nach dem andern in die Glut, und bald bezeichnete nur noch ein still glimmender Aschenherd die Stätte des Gerichtes, das mel, und wo der Engel der Versöhnung neben einer echten Liebe steht, um wieder Hand in Hand, Herz an Herz zu legen — wo Gott der Herr als Hoherpriester von seinem flammenden Altar den Segen über einen Bund spricht, der fortan kein Zerreißen mehr zu fürchten hat — da, wenn nirgends sonst, ragt noch ein Stücklein Paradieses in das begnadete Menschenleben herein. Von nun an bis in alle Ewigkeit! flüsterten die Gatten, die sich verloren hatten und wiedergefunden, die gestorben waren und auferstanden zu einem neuen Leben und „ewig! ewig!“ hallte ein majestätisches Nachdonnern des vorübergezogenen Gewitters den östlichen Horizont entlang, wie die austönenden Klänge der Orgel. Ein dumpfes Krachen, ganz in ihrer Nähe, rief die beiden von der Weihe des Augenblicks Ueberwältigten in die Wirklichkeit zurück. Sie hatten einen schaurig schönen Anblick, indem sie ihre Blicke dahin zurückwandten, wo vor Kurzem noch das unheimliche Häuschen gestanden hatte. Das Dachgebälke war eingestürzt, eine lodernde Flammengarbe stieg empor und hob die wunderlichen Felsgebilde sammt den alten, verwitterten Bäumen in rothglühender Beleuchtung phantastisch von dem dunklen Hintergrunde ab, während die Lichtung, auf der sie standen, mit ihren verrinnenden Wassern und den Millionen Tropfen an Zweigen und Gesträuch dem schönsten Sonnenscheine eben so viele Spiegel entgegenhielt. Noch standen die Wände der alten Bretterhütte wie durchglüht, da stürzte ein verkohlter Balken nach dem andern in die Glut, und bald bezeichnete nur noch ein still glimmender Aschenherd die Stätte des Gerichtes, das <TEI> <text> <body> <div n="0"> <p><pb facs="#f0051"/> mel, und wo der Engel der Versöhnung neben einer echten Liebe steht, um wieder Hand in Hand, Herz an Herz zu legen — wo Gott der Herr als Hoherpriester von seinem flammenden Altar den Segen über einen Bund spricht, der fortan kein Zerreißen mehr zu fürchten hat — da, wenn nirgends sonst, ragt noch ein Stücklein Paradieses in das begnadete Menschenleben herein.</p><lb/> <p>Von nun an bis in alle Ewigkeit! flüsterten die Gatten, die sich verloren hatten und wiedergefunden, die gestorben waren und auferstanden zu einem neuen Leben und „ewig! ewig!“ hallte ein majestätisches Nachdonnern des vorübergezogenen Gewitters den östlichen Horizont entlang, wie die austönenden Klänge der Orgel.</p><lb/> <p>Ein dumpfes Krachen, ganz in ihrer Nähe, rief die beiden von der Weihe des Augenblicks Ueberwältigten in die Wirklichkeit zurück. 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mel, und wo der Engel der Versöhnung neben einer echten Liebe steht, um wieder Hand in Hand, Herz an Herz zu legen — wo Gott der Herr als Hoherpriester von seinem flammenden Altar den Segen über einen Bund spricht, der fortan kein Zerreißen mehr zu fürchten hat — da, wenn nirgends sonst, ragt noch ein Stücklein Paradieses in das begnadete Menschenleben herein.
Von nun an bis in alle Ewigkeit! flüsterten die Gatten, die sich verloren hatten und wiedergefunden, die gestorben waren und auferstanden zu einem neuen Leben und „ewig! ewig!“ hallte ein majestätisches Nachdonnern des vorübergezogenen Gewitters den östlichen Horizont entlang, wie die austönenden Klänge der Orgel.
Ein dumpfes Krachen, ganz in ihrer Nähe, rief die beiden von der Weihe des Augenblicks Ueberwältigten in die Wirklichkeit zurück. Sie hatten einen schaurig schönen Anblick, indem sie ihre Blicke dahin zurückwandten, wo vor Kurzem noch das unheimliche Häuschen gestanden hatte. Das Dachgebälke war eingestürzt, eine lodernde Flammengarbe stieg empor und hob die wunderlichen Felsgebilde sammt den alten, verwitterten Bäumen in rothglühender Beleuchtung phantastisch von dem dunklen Hintergrunde ab, während die Lichtung, auf der sie standen, mit ihren verrinnenden Wassern und den Millionen Tropfen an Zweigen und Gesträuch dem schönsten Sonnenscheine eben so viele Spiegel entgegenhielt. Noch standen die Wände der alten Bretterhütte wie durchglüht, da stürzte ein verkohlter Balken nach dem andern in die Glut, und bald bezeichnete nur noch ein still glimmender Aschenherd die Stätte des Gerichtes, das
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Zitationshilfe: | Ludwig, Julie: Das Gericht im Walde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [237]–288. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_gericht_1910/51>, abgerufen am 27.07.2024. |