Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Otto: Der Erbförster. Band 1: Dramatische Werke. Leipzig, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Erbförster.
ich aus mehren Exempeln, zum Beispiel vom Jäger Rupert
in Erdmannsgrün. Wenn ich mich willig absetzen ließe,
so geständ' ich selber ein, daß ich schlecht wär'. Dem
Rupert konnten sie auch nichts beweisen und er blieb in
seinem Dienst. Und wer nimmt einen Abgesetzten in
Dienst? Herr Pastor, ich hab' von Vater und Groß-
vater eine Ehre ererbt und bin sie meinen Kindern und
Kindeskindern schuldig; mein Vater hat vor mir die
Stelle gehabt und mein Großvater vor meinem Vater;
sie heißen mich den Erbförster im ganzen Thal; ich wär'
der erste aus meinem Stamm, der abgesetzt wäre. Geh'n
Sie hinaus in meinen Forst, Herr Pastor, und wenn
Ihnen nicht die Seele davor aufgeht -- Herr Pastor,
ich habe den Forst bis auf den Kirchhof gezogen; da
liegt mein Vater und mein Großvater und von ihren
Herrn steht das Zeugniß auf ihren Steinen: Sie waren
redliche Männer und treue Diener. Sie liegen, wie sich's
für Jägersleute gebührt, unter grünen Tannen. Herr,
und wenn mein Kindeskind einmal dahin käm' und
fragte: Aber warum liegt der nicht unter den Tannen,
der sie gepflanzt hat? Warum haben wir nichts mehr
da zu suchen? Ist der ein Schurke gewesen, daß sein Herr
ihn hat absetzen dürfen? Und wenn sie meinen Grab-
hügel suchen und finden ihn hinter der Kirchhofsmauer?
Herr, wenn Sie ohne Ihre Ehre leben können, so ist's
gut für Sie -- oder vielmehr, so ist's schlecht von Ihnen.
Aber sehen Sie, Herr Pastor, für mich gibt's nur Eine
Der Erbförſter.
ich aus mehren Exempeln, zum Beiſpiel vom Jäger Rupert
in Erdmannsgrün. Wenn ich mich willig abſetzen ließe,
ſo geſtänd’ ich ſelber ein, daß ich ſchlecht wär’. Dem
Rupert konnten ſie auch nichts beweiſen und er blieb in
ſeinem Dienſt. Und wer nimmt einen Abgeſetzten in
Dienſt? Herr Paſtor, ich hab’ von Vater und Groß-
vater eine Ehre ererbt und bin ſie meinen Kindern und
Kindeskindern ſchuldig; mein Vater hat vor mir die
Stelle gehabt und mein Großvater vor meinem Vater;
ſie heißen mich den Erbförſter im ganzen Thal; ich wär’
der erſte aus meinem Stamm, der abgeſetzt wäre. Geh’n
Sie hinaus in meinen Forſt, Herr Paſtor, und wenn
Ihnen nicht die Seele davor aufgeht — Herr Paſtor,
ich habe den Forſt bis auf den Kirchhof gezogen; da
liegt mein Vater und mein Großvater und von ihren
Herrn ſteht das Zeugniß auf ihren Steinen: Sie waren
redliche Männer und treue Diener. Sie liegen, wie ſich’s
für Jägersleute gebührt, unter grünen Tannen. Herr,
und wenn mein Kindeskind einmal dahin käm’ und
fragte: Aber warum liegt der nicht unter den Tannen,
der ſie gepflanzt hat? Warum haben wir nichts mehr
da zu ſuchen? Iſt der ein Schurke geweſen, daß ſein Herr
ihn hat abſetzen dürfen? Und wenn ſie meinen Grab-
hügel ſuchen und finden ihn hinter der Kirchhofsmauer?
Herr, wenn Sie ohne Ihre Ehre leben können, ſo iſt’s
gut für Sie — oder vielmehr, ſo iſt’s ſchlecht von Ihnen.
Aber ſehen Sie, Herr Paſtor, für mich gibt’s nur Eine
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#CHR">
            <p><pb facs="#f0087" n="73"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der Erbför&#x017F;ter</hi>.</fw><lb/>
ich aus mehren Exempeln, zum Bei&#x017F;piel vom Jäger Rupert<lb/>
in Erdmannsgrün. Wenn ich mich willig ab&#x017F;etzen ließe,<lb/>
&#x017F;o ge&#x017F;tänd&#x2019; ich &#x017F;elber ein, daß ich &#x017F;chlecht wär&#x2019;. Dem<lb/>
Rupert konnten &#x017F;ie auch nichts bewei&#x017F;en und er blieb in<lb/>
&#x017F;einem Dien&#x017F;t. Und wer nimmt einen Abge&#x017F;etzten in<lb/>
Dien&#x017F;t? Herr Pa&#x017F;tor, ich hab&#x2019; von Vater und Groß-<lb/>
vater eine Ehre ererbt und bin &#x017F;ie meinen Kindern und<lb/>
Kindeskindern &#x017F;chuldig; mein Vater hat vor mir die<lb/>
Stelle gehabt und mein Großvater vor meinem Vater;<lb/>
&#x017F;ie heißen mich den Erbför&#x017F;ter im ganzen Thal; ich wär&#x2019;<lb/>
der er&#x017F;te aus meinem Stamm, der abge&#x017F;etzt wäre. Geh&#x2019;n<lb/>
Sie hinaus in meinen For&#x017F;t, Herr Pa&#x017F;tor, und wenn<lb/>
Ihnen nicht die Seele davor aufgeht &#x2014; Herr Pa&#x017F;tor,<lb/>
ich habe den For&#x017F;t bis auf den Kirchhof gezogen; da<lb/>
liegt mein Vater und mein Großvater und von ihren<lb/>
Herrn &#x017F;teht das Zeugniß auf ihren Steinen: Sie waren<lb/>
redliche Männer und treue Diener. Sie liegen, wie &#x017F;ich&#x2019;s<lb/>
für Jägersleute gebührt, unter grünen Tannen. Herr,<lb/>
und wenn mein Kindeskind einmal dahin käm&#x2019; und<lb/>
fragte: Aber warum liegt <hi rendition="#g">der</hi> nicht unter den Tannen,<lb/>
der &#x017F;ie gepflanzt hat? Warum haben <hi rendition="#g">wir</hi> nichts mehr<lb/>
da zu &#x017F;uchen? I&#x017F;t der ein Schurke gewe&#x017F;en, daß &#x017F;ein Herr<lb/>
ihn hat ab&#x017F;etzen dürfen? Und wenn &#x017F;ie meinen Grab-<lb/>
hügel &#x017F;uchen und finden ihn hinter der Kirchhofsmauer?<lb/>
Herr, wenn Sie ohne Ihre Ehre leben können, &#x017F;o i&#x017F;t&#x2019;s<lb/>
gut für Sie &#x2014; oder vielmehr, &#x017F;o i&#x017F;t&#x2019;s &#x017F;chlecht von Ihnen.<lb/>
Aber &#x017F;ehen Sie, Herr Pa&#x017F;tor, für mich gibt&#x2019;s nur Eine<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0087] Der Erbförſter. ich aus mehren Exempeln, zum Beiſpiel vom Jäger Rupert in Erdmannsgrün. Wenn ich mich willig abſetzen ließe, ſo geſtänd’ ich ſelber ein, daß ich ſchlecht wär’. Dem Rupert konnten ſie auch nichts beweiſen und er blieb in ſeinem Dienſt. Und wer nimmt einen Abgeſetzten in Dienſt? Herr Paſtor, ich hab’ von Vater und Groß- vater eine Ehre ererbt und bin ſie meinen Kindern und Kindeskindern ſchuldig; mein Vater hat vor mir die Stelle gehabt und mein Großvater vor meinem Vater; ſie heißen mich den Erbförſter im ganzen Thal; ich wär’ der erſte aus meinem Stamm, der abgeſetzt wäre. Geh’n Sie hinaus in meinen Forſt, Herr Paſtor, und wenn Ihnen nicht die Seele davor aufgeht — Herr Paſtor, ich habe den Forſt bis auf den Kirchhof gezogen; da liegt mein Vater und mein Großvater und von ihren Herrn ſteht das Zeugniß auf ihren Steinen: Sie waren redliche Männer und treue Diener. Sie liegen, wie ſich’s für Jägersleute gebührt, unter grünen Tannen. Herr, und wenn mein Kindeskind einmal dahin käm’ und fragte: Aber warum liegt der nicht unter den Tannen, der ſie gepflanzt hat? Warum haben wir nichts mehr da zu ſuchen? Iſt der ein Schurke geweſen, daß ſein Herr ihn hat abſetzen dürfen? Und wenn ſie meinen Grab- hügel ſuchen und finden ihn hinter der Kirchhofsmauer? Herr, wenn Sie ohne Ihre Ehre leben können, ſo iſt’s gut für Sie — oder vielmehr, ſo iſt’s ſchlecht von Ihnen. Aber ſehen Sie, Herr Paſtor, für mich gibt’s nur Eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_erbfoerster_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_erbfoerster_1853/87
Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Der Erbförster. Band 1: Dramatische Werke. Leipzig, 1853, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_erbfoerster_1853/87>, abgerufen am 12.12.2024.