Ludwig, Otto: Der Erbförster. Band 1: Dramatische Werke. Leipzig, 1853.Der Erbförster. (Feierlich.) Du mußt dem Hirsch den Wind abgewinnen.(Steht auf.) Und nun -- mach' sie glücklich, Robert, meine Marie. (Will gehn.) Robert. Aber was hat das mit Marien zu schaffen? Förster. Ja; Du hast mich noch nicht verstanden? Siehst Du? Der Hirsch darf's nicht merken, daß Dir's um ihn zu thun ist und die Frau noch weniger. Du machst zu viel Sachen mit den Weibern. Kinder dürfen nicht wissen, wie lieb man sie hat, beileibe nicht; aber Weiber noch weniger. Sie sind auch nichts als erwachsene Kinder, nur pfiffiger. Und die Kinder sind schon pfiffig genug. Setz' Dich, Robert. Ich muß Dir doch was erzäh- len. (Sie sitzen am Rande des Tisches, dem Publikum zugewendet.) Wie meine Marie vier Jahr alt war, nicht höher als so -- komm' ich einmal später am Tag nach Haus als ge- wöhnlich. Wo ist die Marie? frag' ich. Eins sagt: in der Kammer, das Andere: vor dem Haus. Sie wird ja kommen. Aber pros't die Mahlzeit; es wird Abend, es wird Nacht und -- keine Marie da. Ich geh' hinaus. Im Garten, im Grenzbusch, an den Klippen im heim- lichen Grund, im ganzen Forst -- keine Marie. Meine Frau sucht indessen bei Euch, dann im Dorfe Haus für Haus. Wen sie nicht find't, das ist die Marie. Soll sie Jemand gestohlen haben? Ei, sie war ein Wachspüppchen von einem Kind, die Marie. Ich komm' in kein Bette Der Erbförſter. (Feierlich.) Du mußt dem Hirſch den Wind abgewinnen.(Steht auf.) Und nun — mach’ ſie glücklich, Robert, meine Marie. (Will gehn.) Robert. Aber was hat das mit Marien zu ſchaffen? Förſter. Ja; Du haſt mich noch nicht verſtanden? Siehſt Du? Der Hirſch darf’s nicht merken, daß Dir’s um ihn zu thun iſt und die Frau noch weniger. Du machſt zu viel Sachen mit den Weibern. Kinder dürfen nicht wiſſen, wie lieb man ſie hat, beileibe nicht; aber Weiber noch weniger. Sie ſind auch nichts als erwachſene Kinder, nur pfiffiger. Und die Kinder ſind ſchon pfiffig genug. Setz’ Dich, Robert. Ich muß Dir doch was erzäh- len. (Sie ſitzen am Rande des Tiſches, dem Publikum zugewendet.) Wie meine Marie vier Jahr alt war, nicht höher als ſo — komm’ ich einmal ſpäter am Tag nach Haus als ge- wöhnlich. Wo iſt die Marie? frag’ ich. Eins ſagt: in der Kammer, das Andere: vor dem Haus. Sie wird ja kommen. Aber proſ’t die Mahlzeit; es wird Abend, es wird Nacht und — keine Marie da. Ich geh’ hinaus. Im Garten, im Grenzbuſch, an den Klippen im heim- lichen Grund, im ganzen Forſt — keine Marie. Meine Frau ſucht indeſſen bei Euch, dann im Dorfe Haus für Haus. Wen ſie nicht find’t, das iſt die Marie. Soll ſie Jemand geſtohlen haben? Ei, ſie war ein Wachspüppchen von einem Kind, die Marie. Ich komm’ in kein Bette <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#CHR"> <pb facs="#f0036" n="22"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der Erbförſter</hi>.</fw><lb/> <stage>(Feierlich.)</stage> <p>Du mußt dem Hirſch den Wind abgewinnen.</p><lb/> <stage>(Steht auf.)</stage> <p>Und nun — mach’ ſie glücklich, Robert,<lb/> meine Marie.</p> <stage>(Will gehn.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#ROB"> <speaker> <hi rendition="#b">Robert.</hi> </speaker><lb/> <p>Aber was hat das mit Marien zu ſchaffen?</p> </sp><lb/> <sp who="#CHR"> <speaker> <hi rendition="#b">Förſter.</hi> </speaker><lb/> <p>Ja; Du haſt mich <hi rendition="#g">noch</hi> nicht verſtanden? Siehſt<lb/> Du? Der Hirſch darf’s nicht merken, daß Dir’s um ihn<lb/> zu thun iſt und die Frau noch weniger. Du machſt zu<lb/> viel Sachen mit den Weibern. Kinder dürfen nicht wiſſen,<lb/> wie lieb man ſie hat, beileibe nicht; aber Weiber noch<lb/> weniger. Sie ſind auch nichts als erwachſene Kinder,<lb/> nur pfiffiger. Und die Kinder ſind ſchon pfiffig genug.</p><lb/> <p>Setz’ Dich, Robert. Ich muß Dir doch was erzäh-<lb/> len.</p> <stage>(Sie ſitzen am Rande des Tiſches, dem Publikum zugewendet.)</stage><lb/> <p>Wie meine Marie vier Jahr alt war, nicht höher als ſo<lb/> — komm’ ich einmal ſpäter am Tag nach Haus als ge-<lb/> wöhnlich. Wo iſt die Marie? frag’ ich. Eins ſagt: in<lb/> der Kammer, das Andere: vor dem Haus. Sie wird ja<lb/> kommen. Aber proſ’t die Mahlzeit; es wird Abend, es<lb/> wird Nacht und — keine Marie da. Ich geh’ hinaus.<lb/> Im Garten, im Grenzbuſch, an den Klippen im heim-<lb/> lichen Grund, im ganzen Forſt — keine Marie. Meine<lb/> Frau ſucht indeſſen bei Euch, dann im Dorfe Haus für<lb/> Haus. Wen ſie <hi rendition="#g">nicht</hi> find’t, das iſt die Marie. Soll ſie<lb/> Jemand geſtohlen haben? Ei, ſie war ein Wachspüppchen<lb/> von einem Kind, die Marie. Ich komm’ in kein Bette<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [22/0036]
Der Erbförſter.
(Feierlich.) Du mußt dem Hirſch den Wind abgewinnen.
(Steht auf.) Und nun — mach’ ſie glücklich, Robert,
meine Marie. (Will gehn.)
Robert.
Aber was hat das mit Marien zu ſchaffen?
Förſter.
Ja; Du haſt mich noch nicht verſtanden? Siehſt
Du? Der Hirſch darf’s nicht merken, daß Dir’s um ihn
zu thun iſt und die Frau noch weniger. Du machſt zu
viel Sachen mit den Weibern. Kinder dürfen nicht wiſſen,
wie lieb man ſie hat, beileibe nicht; aber Weiber noch
weniger. Sie ſind auch nichts als erwachſene Kinder,
nur pfiffiger. Und die Kinder ſind ſchon pfiffig genug.
Setz’ Dich, Robert. Ich muß Dir doch was erzäh-
len. (Sie ſitzen am Rande des Tiſches, dem Publikum zugewendet.)
Wie meine Marie vier Jahr alt war, nicht höher als ſo
— komm’ ich einmal ſpäter am Tag nach Haus als ge-
wöhnlich. Wo iſt die Marie? frag’ ich. Eins ſagt: in
der Kammer, das Andere: vor dem Haus. Sie wird ja
kommen. Aber proſ’t die Mahlzeit; es wird Abend, es
wird Nacht und — keine Marie da. Ich geh’ hinaus.
Im Garten, im Grenzbuſch, an den Klippen im heim-
lichen Grund, im ganzen Forſt — keine Marie. Meine
Frau ſucht indeſſen bei Euch, dann im Dorfe Haus für
Haus. Wen ſie nicht find’t, das iſt die Marie. Soll ſie
Jemand geſtohlen haben? Ei, ſie war ein Wachspüppchen
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