Ludwig, Otto: Der Erbförster. Band 1: Dramatische Werke. Leipzig, 1853.Der Erbförster. Försterin (beschäftigt sich auf der andern Seite der Bühne). Förster. Wilhelm, komm her. Lies einmal da, da in der Bi- bel, von da an, wo das Zeichen liegt. Wilhelm. Mitten im Kapitel? Förster. Vom Zeichen da. Vorwärts! (Holt seinen Hut.) Wilhelm (liest). "Welcher des Herrn Namen lästert, der soll --" Förster. Das ist's nicht. (Hängt die Flinte um.) Wilhelm. "Wer irgend einen Menschen erschlägt" -- ist's das? Förster (ergriffen, tritt einen Schritt näher). Nein -- aber lies nur. (Er steht bei Wilhelm; während des Folgenden nimmt er unwillkürlich den Hut ab und faltet die Hände darüber.) Wilhelm. "Wer irgend einen Menschen erschlägt, der soll des Todes sterben. Wer aber ein Vieh erschlägt, der soll's bezahlen Leib um Leib. Und wer seinen Nächsten ver- letzet, dem soll man thun, wie er gethan hat. Schade um Schade, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wie er einem Menschen gethan hat, so soll man ihm wieder thun. Also daß wer ein Vieh erschlägt, der soll's bezah- len. Wer aber einen Menschen erschlägt, der soll sterben." 10*
Der Erbförſter. Förſterin (beſchäftigt ſich auf der andern Seite der Bühne). Förſter. Wilhelm, komm her. Lies einmal da, da in der Bi- bel, von da an, wo das Zeichen liegt. Wilhelm. Mitten im Kapitel? Förſter. Vom Zeichen da. Vorwärts! (Holt ſeinen Hut.) Wilhelm (lieſt). „Welcher des Herrn Namen läſtert, der ſoll —“ Förſter. Das iſt’s nicht. (Hängt die Flinte um.) Wilhelm. „Wer irgend einen Menſchen erſchlägt“ — iſt’s das? Förſter (ergriffen, tritt einen Schritt näher). Nein — aber lies nur. (Er ſteht bei Wilhelm; während des Folgenden nimmt er unwillkürlich den Hut ab und faltet die Hände darüber.) Wilhelm. „Wer irgend einen Menſchen erſchlägt, der ſoll des Todes ſterben. Wer aber ein Vieh erſchlägt, der ſoll’s bezahlen Leib um Leib. Und wer ſeinen Nächſten ver- letzet, dem ſoll man thun, wie er gethan hat. Schade um Schade, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wie er einem Menſchen gethan hat, ſo ſoll man ihm wieder thun. Alſo daß wer ein Vieh erſchlägt, der ſoll’s bezah- len. Wer aber einen Menſchen erſchlägt, der ſoll ſterben.“ 10*
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Der Erbförſter.
Förſterin (beſchäftigt ſich auf der andern Seite der Bühne).
Förſter.
Wilhelm, komm her. Lies einmal da, da in der Bi-
bel, von da an, wo das Zeichen liegt.
Wilhelm.
Mitten im Kapitel?
Förſter.
Vom Zeichen da. Vorwärts! (Holt ſeinen Hut.)
Wilhelm (lieſt).
„Welcher des Herrn Namen läſtert, der ſoll —“
Förſter.
Das iſt’s nicht. (Hängt die Flinte um.)
Wilhelm.
„Wer irgend einen Menſchen erſchlägt“ — iſt’s das?
Förſter (ergriffen, tritt einen Schritt näher).
Nein — aber lies nur. (Er ſteht bei Wilhelm; während
des Folgenden nimmt er unwillkürlich den Hut ab und faltet die Hände
darüber.)
Wilhelm.
„Wer irgend einen Menſchen erſchlägt, der ſoll des
Todes ſterben. Wer aber ein Vieh erſchlägt, der ſoll’s
bezahlen Leib um Leib. Und wer ſeinen Nächſten ver-
letzet, dem ſoll man thun, wie er gethan hat. Schade
um Schade, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wie er
einem Menſchen gethan hat, ſo ſoll man ihm wieder
thun. Alſo daß wer ein Vieh erſchlägt, der ſoll’s bezah-
len. Wer aber einen Menſchen erſchlägt, der ſoll ſterben.“
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Zitationshilfe: | Ludwig, Otto: Der Erbförster. Band 1: Dramatische Werke. Leipzig, 1853, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_erbfoerster_1853/161>, abgerufen am 16.07.2024. |