zwanzig Jahr zusammengelebt hat in Freud' und Leid. Und vom Wald Abschied nehmen, der den ganzen Tag so grün zu allen Fenstern hereinguckt. Wie still 's uns vorkommen wird, wenn wir das Rauschen nicht mehr hören und den Vogelgesang und den Axtschlag hallen den ganzen Tag. Und die alte Schwarzwälderuhr dort -- so ging sie schon, wie ich noch eine Braut war, und nun bist Du schon eine gewesen. Dort in jener Ecke stand'st Du zum ersten Mal' auf und liefst, Marie, drei Schritt- chen weit, und da, wo der Vater sitzt, saß ich und weinte vor Freude. Ist das das Leben? Ein ewig Abschiedneh- men? Wenn ich doch bliebe? Wenn ich d'ran denke, was der Ohm sagte, daß Alles geschehen könnte! Wenn der Brief vom Robert -- Wilhelm, geh' doch in den Garten. Ich muß das Trinkglas beim Born vergessen haben, oder in der Laube oder sonst da herum.
Wilhelm (geht).
Fünfter Auftritt.
Vorige ohne Wilhelm. Försterin und Marie vorn an der Lampe arbeitend. Der Förster bald hinten sitzend, bald am Tische vorbei Schritte machend an's Fenster.
Försterin (nachdem sie gewartet, bis Wilhelm hinaus ist). Wenn Du sähest, Marie, was der Robert schreibt.
Marie. Ich soll's öffnen, Mutter?
Der Erbförſter.
zwanzig Jahr zuſammengelebt hat in Freud’ und Leid. Und vom Wald Abſchied nehmen, der den ganzen Tag ſo grün zu allen Fenſtern hereinguckt. Wie ſtill ’s uns vorkommen wird, wenn wir das Rauſchen nicht mehr hören und den Vogelgeſang und den Axtſchlag hallen den ganzen Tag. Und die alte Schwarzwälderuhr dort — ſo ging ſie ſchon, wie ich noch eine Braut war, und nun biſt Du ſchon eine geweſen. Dort in jener Ecke ſtand’ſt Du zum erſten Mal’ auf und liefſt, Marie, drei Schritt- chen weit, und da, wo der Vater ſitzt, ſaß ich und weinte vor Freude. Iſt das das Leben? Ein ewig Abſchiedneh- men? Wenn ich doch bliebe? Wenn ich d’ran denke, was der Ohm ſagte, daß Alles geſchehen könnte! Wenn der Brief vom Robert — Wilhelm, geh’ doch in den Garten. Ich muß das Trinkglas beim Born vergeſſen haben, oder in der Laube oder ſonſt da herum.
Wilhelm (geht).
Fünfter Auftritt.
Vorige ohne Wilhelm. Förſterin und Marie vorn an der Lampe arbeitend. Der Förſter bald hinten ſitzend, bald am Tiſche vorbei Schritte machend an’s Fenſter.
Förſterin (nachdem ſie gewartet, bis Wilhelm hinaus iſt). Wenn Du ſäheſt, Marie, was der Robert ſchreibt.
Marie. Ich ſoll’s öffnen, Mutter?
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Der Erbförſter.
zwanzig Jahr zuſammengelebt hat in Freud’ und Leid.
Und vom Wald Abſchied nehmen, der den ganzen Tag
ſo grün zu allen Fenſtern hereinguckt. Wie ſtill ’s uns
vorkommen wird, wenn wir das Rauſchen nicht mehr
hören und den Vogelgeſang und den Axtſchlag hallen
den ganzen Tag. Und die alte Schwarzwälderuhr dort —
ſo ging ſie ſchon, wie ich noch eine Braut war, und nun
biſt Du ſchon eine geweſen. Dort in jener Ecke ſtand’ſt
Du zum erſten Mal’ auf und liefſt, Marie, drei Schritt-
chen weit, und da, wo der Vater ſitzt, ſaß ich und weinte
vor Freude. Iſt das das Leben? Ein ewig Abſchiedneh-
men? Wenn ich doch bliebe? Wenn ich d’ran denke, was
der Ohm ſagte, daß Alles geſchehen könnte! Wenn der
Brief vom Robert — Wilhelm, geh’ doch in den Garten.
Ich muß das Trinkglas beim Born vergeſſen haben, oder
in der Laube oder ſonſt da herum.
Wilhelm (geht).
Fünfter Auftritt.
Vorige ohne Wilhelm.
Förſterin und Marie vorn an der Lampe arbeitend. Der Förſter
bald hinten ſitzend, bald am Tiſche vorbei Schritte machend an’s Fenſter.
Förſterin (nachdem ſie gewartet, bis Wilhelm hinaus iſt).
Wenn Du ſäheſt, Marie, was der Robert ſchreibt.
Marie.
Ich ſoll’s öffnen, Mutter?
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Ludwig, Otto: Der Erbförster. Band 1: Dramatische Werke. Leipzig, 1853, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_erbfoerster_1853/140>, abgerufen am 01.01.2025.
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