Wir haben oben (§. 29.) die Jtaliener als die ersten Wieder-Hauptsitz der italienischen Handlung. hersteller des Flors der europäischen Handlung aufge- führet: und so ist es denn auch nöthig, daß wir mit der Ge- schichte der italienischen Handlung den Anfang machen, da wir nunmehro die Schicksale und Beschaffenheit der vornehm- sten europäischen Handlungen nach der Reihe beschreiben wollen. Unter allen italienischen Staaten sind Venedig und Genua die- jenigen, deren Handlung nicht allein die älteste, sondern auch noch gegenwärtig die stärkste ist: und man kann sagen, daß beyder ihre Handlung anitzo von einer gleichen Größe sey, jedoch mit dem Unterschiede, daß die Venetianer größere Hand- lung nach der Levante, als die Genueser treiben; im Gegentheile aber die Genueser mehr, als die Venetianer, nach Frankreich, Spanien, und in andere christliche Länder von Europa handeln, wie solches die Folge dieses Capitels erweisen wird. Jndessen weil gleichwol in Ansehung des Alterthums die venetianische Handlung noch einen Vorzug vor der genuesischen hat: so müs- sen wir auch jener hier den ersten Platz einräumen.
§. 34.
Es ist aber die venetianische Handlung so alt, ja nochI. Venetia- nische Hand- lung. älter als die Republik selbst. Denn dieser so reiche als mäch- tige freye Staat ist aus vielen kleinen morastigen Jnseln auf dem adriatischen Meere entstanden. Es hatten sich nämlich auf gedachte Jnseln einige Schiffer begeben, die von dem klei- nen Handel lebten, den sie mit ihrer Fischerey, und mit dem- jenigen Salze trieben, das sie aus etlichen dasigen Salzgruben zogen. Zu ihnen geselleten sich im 5 Jahrhunderte die Veneti, ein Volk aus dem Theile Jtaliens, welcher längst an dem Golfo di Venezia hinliegt. Diese nahmen dahin ihre Zuflucht, als Jtalien um das Jahr Christi 452 vom Attila, der Hunnen Kö- nige, überfallen und geplündert wurde. Nachmals ward ihre Handlung so groß, daß sie im 7 Jahrhunderte eine ordentliche Republik aufrichteten, welche aber allererst gegen die Mitte des 8 Jahrhunderts zur Vollkommenheit kam. Von dieser Verei- nigung an sahe man ihre Flotten in die entlegensten Häfen des Oceans laufen, und nach der Zeit auch die ägyptischen Häfen besuchen, von daher sie den Handel mit den Gewürz- und andern kostbaren Waaren des Orients trieben, der von ohnge- fähr dem 12 Jahrhunderte an, fast ganzer 4 Jahrhunderte hin- ter einander zu seiner Zeit kaum seines gleichen gehabt, zumal nachdem die Venetianer im Jahre 1204 Constantinopel erobert, den Alexius vom Throne gestoßen, und den Grafen Balduin darauf gesetzt hatten, welcher ihnen zur Dankbarkeit alle Jn- seln auf dem griechischen Meere überließ, wozu durch Kauf noch
die
Handlung in neuern Zeiten.
Das 3 Capitel. Von der italieniſchen Handlung.
§. 33.
Wir haben oben (§. 29.) die Jtaliener als die erſten Wieder-Hauptſitz deꝛ italieniſchen Handlung. herſteller des Flors der europaͤiſchen Handlung aufge- fuͤhret: und ſo iſt es denn auch noͤthig, daß wir mit der Ge- ſchichte der italieniſchen Handlung den Anfang machen, da wir nunmehro die Schickſale und Beſchaffenheit der vornehm- ſten europaͤiſchen Handlungen nach der Reihe beſchreiben wollen. Unter allen italieniſchen Staaten ſind Venedig und Genua die- jenigen, deren Handlung nicht allein die aͤlteſte, ſondern auch noch gegenwaͤrtig die ſtaͤrkſte iſt: und man kann ſagen, daß beyder ihre Handlung anitzo von einer gleichen Groͤße ſey, jedoch mit dem Unterſchiede, daß die Venetianer groͤßere Hand- lung nach der Levante, als die Genueſer treiben; im Gegentheile aber die Genueſer mehr, als die Venetianer, nach Frankreich, Spanien, und in andere chriſtliche Laͤnder von Europa handeln, wie ſolches die Folge dieſes Capitels erweiſen wird. Jndeſſen weil gleichwol in Anſehung des Alterthums die venetianiſche Handlung noch einen Vorzug vor der genueſiſchen hat: ſo muͤſ- ſen wir auch jener hier den erſten Platz einraͤumen.
§. 34.
Es iſt aber die venetianiſche Handlung ſo alt, ja nochI. Venetia- niſche Hand- lung. aͤlter als die Republik ſelbſt. Denn dieſer ſo reiche als maͤch- tige freye Staat iſt aus vielen kleinen moraſtigen Jnſeln auf dem adriatiſchen Meere entſtanden. Es hatten ſich naͤmlich auf gedachte Jnſeln einige Schiffer begeben, die von dem klei- nen Handel lebten, den ſie mit ihrer Fiſcherey, und mit dem- jenigen Salze trieben, das ſie aus etlichen daſigen Salzgruben zogen. Zu ihnen geſelleten ſich im 5 Jahrhunderte die Veneti, ein Volk aus dem Theile Jtaliens, welcher laͤngſt an dem Golfo di Venezia hinliegt. Dieſe nahmen dahin ihre Zuflucht, als Jtalien um das Jahr Chriſti 452 vom Attila, der Hunnen Koͤ- nige, uͤberfallen und gepluͤndert wurde. Nachmals ward ihre Handlung ſo groß, daß ſie im 7 Jahrhunderte eine ordentliche Republik aufrichteten, welche aber allererſt gegen die Mitte des 8 Jahrhunderts zur Vollkommenheit kam. Von dieſer Verei- nigung an ſahe man ihre Flotten in die entlegenſten Haͤfen des Oceans laufen, und nach der Zeit auch die aͤgyptiſchen Haͤfen beſuchen, von daher ſie den Handel mit den Gewuͤrz- und andern koſtbaren Waaren des Orients trieben, der von ohnge- faͤhr dem 12 Jahrhunderte an, faſt ganzer 4 Jahrhunderte hin- ter einander zu ſeiner Zeit kaum ſeines gleichen gehabt, zumal nachdem die Venetianer im Jahre 1204 Conſtantinopel erobert, den Alexius vom Throne geſtoßen, und den Grafen Balduin darauf geſetzt hatten, welcher ihnen zur Dankbarkeit alle Jn- ſeln auf dem griechiſchen Meere uͤberließ, wozu durch Kauf noch
die
<TEI><text><body><divn="1"><floatingText><body><divn="1"><pbfacs="#f0987"n="383"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Handlung in neuern Zeiten.</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Das 3 Capitel.<lb/><hirendition="#g">Von der italieniſchen Handlung.</hi></hi></head><lb/><divn="3"><head>§. 33.</head><lb/><p><hirendition="#in">W</hi>ir haben oben (§. 29.) die Jtaliener als die erſten Wieder-<noteplace="right">Hauptſitz deꝛ<lb/>
italieniſchen<lb/>
Handlung.</note><lb/>
herſteller des Flors der europaͤiſchen Handlung aufge-<lb/>
fuͤhret: und ſo iſt es denn auch noͤthig, daß wir mit der Ge-<lb/>ſchichte der <hirendition="#fr">italieniſchen Handlung</hi> den Anfang machen, da<lb/>
wir nunmehro die Schickſale und Beſchaffenheit der vornehm-<lb/>ſten europaͤiſchen Handlungen nach der Reihe beſchreiben wollen.<lb/>
Unter allen italieniſchen Staaten ſind <hirendition="#fr">Venedig</hi> und <hirendition="#fr">Genua</hi> die-<lb/>
jenigen, deren Handlung nicht allein die aͤlteſte, ſondern auch<lb/>
noch gegenwaͤrtig die ſtaͤrkſte iſt: und man kann ſagen, daß<lb/>
beyder ihre Handlung anitzo von einer gleichen Groͤße ſey,<lb/>
jedoch mit dem Unterſchiede, daß die Venetianer groͤßere Hand-<lb/>
lung nach der Levante, als die Genueſer treiben; im Gegentheile<lb/>
aber die Genueſer mehr, als die Venetianer, nach Frankreich,<lb/>
Spanien, und in andere chriſtliche Laͤnder von Europa handeln,<lb/>
wie ſolches die Folge dieſes Capitels erweiſen wird. Jndeſſen<lb/>
weil gleichwol in Anſehung des Alterthums die venetianiſche<lb/>
Handlung noch einen Vorzug vor der genueſiſchen hat: ſo muͤſ-<lb/>ſen wir auch jener hier den erſten Platz einraͤumen.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 34.</head><lb/><p>Es iſt aber die <hirendition="#fr">venetianiſche Handlung</hi>ſo alt, ja noch<noteplace="right"><hirendition="#aq">I.</hi> Venetia-<lb/>
niſche Hand-<lb/>
lung.</note><lb/>
aͤlter als die Republik ſelbſt. Denn dieſer ſo reiche als maͤch-<lb/>
tige freye Staat iſt aus vielen kleinen moraſtigen Jnſeln auf<lb/>
dem adriatiſchen Meere entſtanden. Es hatten ſich naͤmlich<lb/>
auf gedachte Jnſeln einige Schiffer begeben, die von dem klei-<lb/>
nen Handel lebten, den ſie mit ihrer Fiſcherey, und mit dem-<lb/>
jenigen Salze trieben, das ſie aus etlichen daſigen Salzgruben<lb/>
zogen. Zu ihnen geſelleten ſich im 5 Jahrhunderte die Veneti,<lb/>
ein Volk aus dem Theile Jtaliens, welcher laͤngſt an dem Golfo<lb/>
di Venezia hinliegt. Dieſe nahmen dahin ihre Zuflucht, als<lb/>
Jtalien um das Jahr Chriſti 452 vom Attila, der Hunnen Koͤ-<lb/>
nige, uͤberfallen und gepluͤndert wurde. Nachmals ward ihre<lb/>
Handlung ſo groß, daß ſie im 7 Jahrhunderte eine ordentliche<lb/>
Republik aufrichteten, welche aber allererſt gegen die Mitte des<lb/>
8 Jahrhunderts zur Vollkommenheit kam. Von dieſer Verei-<lb/>
nigung an ſahe man ihre Flotten in die entlegenſten Haͤfen<lb/>
des Oceans laufen, und nach der Zeit auch die aͤgyptiſchen<lb/>
Haͤfen beſuchen, von daher ſie den Handel mit den Gewuͤrz- und<lb/>
andern koſtbaren Waaren des Orients trieben, der von ohnge-<lb/>
faͤhr dem 12 Jahrhunderte an, faſt ganzer 4 Jahrhunderte hin-<lb/>
ter einander zu ſeiner Zeit kaum ſeines gleichen gehabt, zumal<lb/>
nachdem die Venetianer im Jahre 1204 Conſtantinopel erobert,<lb/>
den Alexius vom Throne geſtoßen, und den Grafen Balduin<lb/>
darauf geſetzt hatten, welcher ihnen zur Dankbarkeit alle Jn-<lb/>ſeln auf dem griechiſchen Meere uͤberließ, wozu durch Kauf noch<lb/><fwplace="bottom"type="catch">die</fw><lb/></p></div></div></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[383/0987]
Handlung in neuern Zeiten.
Das 3 Capitel.
Von der italieniſchen Handlung.
§. 33.
Wir haben oben (§. 29.) die Jtaliener als die erſten Wieder-
herſteller des Flors der europaͤiſchen Handlung aufge-
fuͤhret: und ſo iſt es denn auch noͤthig, daß wir mit der Ge-
ſchichte der italieniſchen Handlung den Anfang machen, da
wir nunmehro die Schickſale und Beſchaffenheit der vornehm-
ſten europaͤiſchen Handlungen nach der Reihe beſchreiben wollen.
Unter allen italieniſchen Staaten ſind Venedig und Genua die-
jenigen, deren Handlung nicht allein die aͤlteſte, ſondern auch
noch gegenwaͤrtig die ſtaͤrkſte iſt: und man kann ſagen, daß
beyder ihre Handlung anitzo von einer gleichen Groͤße ſey,
jedoch mit dem Unterſchiede, daß die Venetianer groͤßere Hand-
lung nach der Levante, als die Genueſer treiben; im Gegentheile
aber die Genueſer mehr, als die Venetianer, nach Frankreich,
Spanien, und in andere chriſtliche Laͤnder von Europa handeln,
wie ſolches die Folge dieſes Capitels erweiſen wird. Jndeſſen
weil gleichwol in Anſehung des Alterthums die venetianiſche
Handlung noch einen Vorzug vor der genueſiſchen hat: ſo muͤſ-
ſen wir auch jener hier den erſten Platz einraͤumen.
Hauptſitz deꝛ
italieniſchen
Handlung.
§. 34.
Es iſt aber die venetianiſche Handlung ſo alt, ja noch
aͤlter als die Republik ſelbſt. Denn dieſer ſo reiche als maͤch-
tige freye Staat iſt aus vielen kleinen moraſtigen Jnſeln auf
dem adriatiſchen Meere entſtanden. Es hatten ſich naͤmlich
auf gedachte Jnſeln einige Schiffer begeben, die von dem klei-
nen Handel lebten, den ſie mit ihrer Fiſcherey, und mit dem-
jenigen Salze trieben, das ſie aus etlichen daſigen Salzgruben
zogen. Zu ihnen geſelleten ſich im 5 Jahrhunderte die Veneti,
ein Volk aus dem Theile Jtaliens, welcher laͤngſt an dem Golfo
di Venezia hinliegt. Dieſe nahmen dahin ihre Zuflucht, als
Jtalien um das Jahr Chriſti 452 vom Attila, der Hunnen Koͤ-
nige, uͤberfallen und gepluͤndert wurde. Nachmals ward ihre
Handlung ſo groß, daß ſie im 7 Jahrhunderte eine ordentliche
Republik aufrichteten, welche aber allererſt gegen die Mitte des
8 Jahrhunderts zur Vollkommenheit kam. Von dieſer Verei-
nigung an ſahe man ihre Flotten in die entlegenſten Haͤfen
des Oceans laufen, und nach der Zeit auch die aͤgyptiſchen
Haͤfen beſuchen, von daher ſie den Handel mit den Gewuͤrz- und
andern koſtbaren Waaren des Orients trieben, der von ohnge-
faͤhr dem 12 Jahrhunderte an, faſt ganzer 4 Jahrhunderte hin-
ter einander zu ſeiner Zeit kaum ſeines gleichen gehabt, zumal
nachdem die Venetianer im Jahre 1204 Conſtantinopel erobert,
den Alexius vom Throne geſtoßen, und den Grafen Balduin
darauf geſetzt hatten, welcher ihnen zur Dankbarkeit alle Jn-
ſeln auf dem griechiſchen Meere uͤberließ, wozu durch Kauf noch
die
I. Venetia-
niſche Hand-
lung.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludovici_grundriss_1756/987>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.