und Glück das meiste zum Reichthume der Kaufleute beytragen; es ist auch wahr, daß die Erfahrung mehr durch die Länge der Zeit und die Menge der Vorfälle, als aus den Schriften er- langet werde; es ist endlich wahr, daß das Glück vielmals von sich selbsten komme (siehe den 505 §. der Handlungswissenschaft.) Allein, es ist auch wahr und unleugbar, daß, wer die Kaufmann- schaft systematisch erlernet, theils sich geschickter mache, seine Erfahrung zu beschleunigen; theils das Glück gleichsam ein- laden und nöthigen könne, daß es auf seiner Seite stehe.
§. 35.
Unterscheid eines Kauf- mannssy- stems und eines Kauf- mannsle- ricons.
Sollte jemand sagen, daß man ja Kaufmannslexica habe, und daß diese die Stelle der Kaufmannssystemen vertreten könnten: so behaupten wir dagegen, daß Lexica in dieser Absicht den Dienst nicht thun, welchen Systeme leisten. Ein Lexicon dienet nur dazu, damit man entweder die verschiedenen Bedeu- tungen eines Worts, oder was von einzelnen Materien über- haupt gesaget worden, auf einmal übersehen, und beydes, wegen der alphabetischen Ordnung der Artikelsworte, geschwind finden könne: ein System im Gegentheil hat den Nutzen, daß, da es eine ganze Wissenschaft in ihrer natürlichen Verbindung darstel- let, ein aufmerksamer Leser sämtliche Materien der darinnen vorgetragenen Wissenschaft in ihrem Zusammenhange begreifen, die Anwendung und den Gebrauch derselben daher leichter ein- sehen, und sich dadurch in den Stand setzen kann, sie desto ge- schickter in Uebung zu bringen .
(*) Wer ein Lexicon über eine Wissenschaft schreibt, zerglie- dert selbige, und stellet jeden einzelnen Theil besonders, ohne seine Verknüpfung mit den andern Theilen, in alphabeti- scher Ordnung dar. Gleichwie nun der, welcher z. E. noch keine Uhr gesehen, sich von derselben keinen Begriff machen kann, wenn er auch gleich alle Theile einer zerlegten Uhr auf das genaueste betrachten sollte: also wird auch der, wel- cher alle Artikel eines Lexicons über eine Wissenschaft nach der Neihe durchlieset, gleichwol keinen Begriff von solcher Wissenschaft bekommen, wie ihre Gestalt beschaffen sey, wenn ihre sämtliche Theile in ihrer wirklichen natürlichen Verbindung gleichsam einen Körper, das ist, eigentlich zu reden, ein System ausmachen.
§. 36.
Warum die Kaufmann- schaft noch nicht syste- matisch ab- gehandelt worden?
Es ist daher sehr zu verwundern, warum die Kaufmann- schaft noch nicht systematisch, oder als eine besondere practische Disciplin, ist abgehandelt worden? Die Hauptursache mag wol seyn, weil man diese Wissenschaft bisher verächtlich, und sonderlich Prinzen und adelichen Personen, ja überhaupt der Beschäfftigung eines Gelehrten, unanständig gehalten hat; da man doch billig hätte einen Unterschied machen sollen, unter (1) selbst handeln; (2) die Handlungswissenschaft, und die sich darauf gründende Handlungspolitik vortragen; und (3) den
Handel
Einleitung
und Gluͤck das meiſte zum Reichthume der Kaufleute beytragen; es iſt auch wahr, daß die Erfahrung mehr durch die Laͤnge der Zeit und die Menge der Vorfaͤlle, als aus den Schriften er- langet werde; es iſt endlich wahr, daß das Gluͤck vielmals von ſich ſelbſten komme (ſiehe den 505 §. der Handlungswiſſenſchaft.) Allein, es iſt auch wahr und unleugbar, daß, wer die Kaufmann- ſchaft ſyſtematiſch erlernet, theils ſich geſchickter mache, ſeine Erfahrung zu beſchleunigen; theils das Gluͤck gleichſam ein- laden und noͤthigen koͤnne, daß es auf ſeiner Seite ſtehe.
§. 35.
Unterſcheid eines Kauf- mannsſy- ſtems und eines Kauf- mannsle- ricons.
Sollte jemand ſagen, daß man ja Kaufmannslexica habe, und daß dieſe die Stelle der Kaufmannsſyſtemen vertreten koͤnnten: ſo behaupten wir dagegen, daß Lexica in dieſer Abſicht den Dienſt nicht thun, welchen Syſteme leiſten. Ein Lexicon dienet nur dazu, damit man entweder die verſchiedenen Bedeu- tungen eines Worts, oder was von einzelnen Materien uͤber- haupt geſaget worden, auf einmal uͤberſehen, und beydes, wegen der alphabetiſchen Ordnung der Artikelsworte, geſchwind finden koͤnne: ein Syſtem im Gegentheil hat den Nutzen, daß, da es eine ganze Wiſſenſchaft in ihrer natuͤrlichen Verbindung darſtel- let, ein aufmerkſamer Leſer ſaͤmtliche Materien der darinnen vorgetragenen Wiſſenſchaft in ihrem Zuſammenhange begreifen, die Anwendung und den Gebrauch derſelben daher leichter ein- ſehen, und ſich dadurch in den Stand ſetzen kann, ſie deſto ge- ſchickter in Uebung zu bringen .
(*) Wer ein Lexicon uͤber eine Wiſſenſchaft ſchreibt, zerglie- dert ſelbige, und ſtellet jeden einzelnen Theil beſonders, ohne ſeine Verknuͤpfung mit den andern Theilen, in alphabeti- ſcher Ordnung dar. Gleichwie nun der, welcher z. E. noch keine Uhr geſehen, ſich von derſelben keinen Begriff machen kann, wenn er auch gleich alle Theile einer zerlegten Uhr auf das genaueſte betrachten ſollte: alſo wird auch der, wel- cher alle Artikel eines Lexicons uͤber eine Wiſſenſchaft nach der Neihe durchlieſet, gleichwol keinen Begriff von ſolcher Wiſſenſchaft bekommen, wie ihre Geſtalt beſchaffen ſey, wenn ihre ſaͤmtliche Theile in ihrer wirklichen natuͤrlichen Verbindung gleichſam einen Koͤrper, das iſt, eigentlich zu reden, ein Syſtem ausmachen.
§. 36.
Warum die Kaufmann- ſchaft noch nicht ſyſte- matiſch ab- gehandelt worden?
Es iſt daher ſehr zu verwundern, warum die Kaufmann- ſchaft noch nicht ſyſtematiſch, oder als eine beſondere practiſche Diſciplin, iſt abgehandelt worden? Die Haupturſache mag wol ſeyn, weil man dieſe Wiſſenſchaft bisher veraͤchtlich, und ſonderlich Prinzen und adelichen Perſonen, ja uͤberhaupt der Beſchaͤfftigung eines Gelehrten, unanſtaͤndig gehalten hat; da man doch billig haͤtte einen Unterſchied machen ſollen, unter (1) ſelbſt handeln; (2) die Handlungswiſſenſchaft, und die ſich darauf gruͤndende Handlungspolitik vortragen; und (3) den
Handel
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Einleitung
und Gluͤck das meiſte zum Reichthume der Kaufleute beytragen;
es iſt auch wahr, daß die Erfahrung mehr durch die Laͤnge der
Zeit und die Menge der Vorfaͤlle, als aus den Schriften er-
langet werde; es iſt endlich wahr, daß das Gluͤck vielmals von
ſich ſelbſten komme (ſiehe den 505 §. der Handlungswiſſenſchaft.)
Allein, es iſt auch wahr und unleugbar, daß, wer die Kaufmann-
ſchaft ſyſtematiſch erlernet, theils ſich geſchickter mache, ſeine
Erfahrung zu beſchleunigen; theils das Gluͤck gleichſam ein-
laden und noͤthigen koͤnne, daß es auf ſeiner Seite ſtehe.
§. 35.
Sollte jemand ſagen, daß man ja Kaufmannslexica habe,
und daß dieſe die Stelle der Kaufmannsſyſtemen vertreten
koͤnnten: ſo behaupten wir dagegen, daß Lexica in dieſer Abſicht
den Dienſt nicht thun, welchen Syſteme leiſten. Ein Lexicon
dienet nur dazu, damit man entweder die verſchiedenen Bedeu-
tungen eines Worts, oder was von einzelnen Materien uͤber-
haupt geſaget worden, auf einmal uͤberſehen, und beydes, wegen
der alphabetiſchen Ordnung der Artikelsworte, geſchwind finden
koͤnne: ein Syſtem im Gegentheil hat den Nutzen, daß, da es
eine ganze Wiſſenſchaft in ihrer natuͤrlichen Verbindung darſtel-
let, ein aufmerkſamer Leſer ſaͤmtliche Materien der darinnen
vorgetragenen Wiſſenſchaft in ihrem Zuſammenhange begreifen,
die Anwendung und den Gebrauch derſelben daher leichter ein-
ſehen, und ſich dadurch in den Stand ſetzen kann, ſie deſto ge-
ſchickter in Uebung zu bringen .
⁽*⁾ Wer ein Lexicon uͤber eine Wiſſenſchaft ſchreibt, zerglie-
dert ſelbige, und ſtellet jeden einzelnen Theil beſonders, ohne
ſeine Verknuͤpfung mit den andern Theilen, in alphabeti-
ſcher Ordnung dar. Gleichwie nun der, welcher z. E. noch
keine Uhr geſehen, ſich von derſelben keinen Begriff machen
kann, wenn er auch gleich alle Theile einer zerlegten Uhr
auf das genaueſte betrachten ſollte: alſo wird auch der, wel-
cher alle Artikel eines Lexicons uͤber eine Wiſſenſchaft nach
der Neihe durchlieſet, gleichwol keinen Begriff von ſolcher
Wiſſenſchaft bekommen, wie ihre Geſtalt beſchaffen ſey,
wenn ihre ſaͤmtliche Theile in ihrer wirklichen natuͤrlichen
Verbindung gleichſam einen Koͤrper, das iſt, eigentlich zu
reden, ein Syſtem ausmachen.
§. 36.
Es iſt daher ſehr zu verwundern, warum die Kaufmann-
ſchaft noch nicht ſyſtematiſch, oder als eine beſondere practiſche
Diſciplin, iſt abgehandelt worden? Die Haupturſache mag
wol ſeyn, weil man dieſe Wiſſenſchaft bisher veraͤchtlich, und
ſonderlich Prinzen und adelichen Perſonen, ja uͤberhaupt der
Beſchaͤfftigung eines Gelehrten, unanſtaͤndig gehalten hat; da
man doch billig haͤtte einen Unterſchied machen ſollen, unter
(1) ſelbſt handeln; (2) die Handlungswiſſenſchaft, und die ſich
darauf gruͤndende Handlungspolitik vortragen; und (3) den
Handel
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Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludovici_grundriss_1756/632>, abgerufen am 24.11.2024.
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