Europa macht. Nach Frankreich wird über Marseille ebenfalls eine große Menge davon gebracht, von da solches nach Lion geht, welche letzte Stadt, oder vielmehr deren Kaufleute, alle Städte des König- reichs damit versorgen, wo sich Ma- nufacturen befinden, die solche ge- brauchen. Für das beste gesponnene Ziegenhaar hält man das, so von Angora kömmt, obgleich das von Begbazar viel weißer ist, weil man es an dem Orte mit Seife wäscht, um ihm eine solche weiße Farbe zu geben, die jedoch die Güte desselben nicht vermehret. Es ist aber unter allen Waaren, mit welchen gehan- delt wird, keine schwerer zu erken- nen, als eben dieses gesponnene Zie- genhaar, und zwar sowol in Anse- hung der verschiedenen Güte, als des verschiedenen Preißes desselben. Denn unter dem gesponnenen Ziegen- haare von Angora giebt es wenig- stens 12, und unter dem von Beg- bazar 7 bis 8 Sorten, die jederzeit sowol in Ansehung der Feine, als des Preißes, beständig höher aufsteigen, daß es also nicht leicht ist, deren Preiß zu unterscheiden, wofern man nicht eine vollkommene Kenntniß davon hat; welches diejenigen, die diesen Handel unternehmen wollen, sehr wohl merken müssen, siehe Haar. Uebrigens merken wir noch dieses, daß das wenigste, was in Deutsch- land vor Kameelhaar ausgegeben wird, wirkliches Kameelhaar, son- dern meistentheils Haar von Zie- gen und Böcken sey. Jnsonderheit wird das kameelhärne Garn von den Haaren der africanischen und persischen Ziegen, die sehr fein wie Wolle sind, verfertiget. Eine son- derbare aus Ziegenhaar verfertigte Manufactur sind die sogenannten Magenkratzer und Magenbürsten, franz. Ramonneurs d' Estomacs, wel- che von den Bürstenbindern ver- fertiget werden. Endlich werden die [Spaltenumbruch]
Ziegel
Ziegenhaare auch zu falschem Haare bey den Parucken stark verarbeitet; vor andern aber werden die weißen Ziegenhaare dazu sehr gesuchet. 4) Die Ziegenkäse, welche, abson- derlich in Obersachsen, eine gang- bare und gute Speise sind. Man kann sie in Nußlaube, Kirschlaube, Krautblättern, oder Weinlaube sehr wohl erhalten. Unter den Ziegen- käsen werden vornehmlich die gebir- gischen gesucht, und insonderheit die abertamer, siehe Abertam.
Ziegel, oder gestrichene Steine, gebackene Steine, Backsteine, gebrannte Steine, Brandsteine, Bernsteine, lat. Lateres, franz. Bisques, sind Steine, die in Ziegel- hütten von den Ziegelstreichern aus Lehm geformet, und durch Feuer zu gehöriger Härte gebrennet werden. Man hat deren dreyerley (1) Gat- tungen, nämlich Mauerziegel, Dachziegel, und Fließen. Die (a) Mauerziegel, Mauersteine und Mauerplatten, franz. Briques, wer- den gebraucht, die Mauern eines Gebäudes aufzuführen. Sie sind insgemein lang, geviert, von einer gemessenen Höhe, Breite und Dicke. Es gehören aber zu denselben auch a) die Wölbesteine, welche an der einen Seite dicker, als an der an- dern und gleichsam keilförmig sind, damit sie desto besser nach einem Bogen sich schließen, und zu Ver- fertigung der Gewölber zu gebrau- chen sind; ingleichen b) die Sims- steine, welche so gemacht sind, daß sie gleich zu Verfertigung der Ge- simse können gebraucht werden. Die (b) Dachziegel oder Dachstei- ne, franz. Tuiles, werden gebraucht, ein Gebäude zu decken. Sie sind von dreyerley Gattung, nämlich a) Hohlziegel, welche die Gestalt eines halben Zirkels haben; aber, weil sie das Gebäude sehr beschweren, wenig mehr gebrauchet werden, außer oben zu Bedeckung des For-
stes,
[Spaltenumbruch]
Ziege
Europa macht. Nach Frankreich wird uͤber Marſeille ebenfalls eine große Menge davon gebracht, von da ſolches nach Lion geht, welche letzte Stadt, oder vielmehr deren Kaufleute, alle Staͤdte des Koͤnig- reichs damit verſorgen, wo ſich Ma- nufacturen befinden, die ſolche ge- brauchen. Fuͤr das beſte geſponnene Ziegenhaar haͤlt man das, ſo von Angora koͤmmt, obgleich das von Begbazar viel weißer iſt, weil man es an dem Orte mit Seife waͤſcht, um ihm eine ſolche weiße Farbe zu geben, die jedoch die Guͤte deſſelben nicht vermehret. Es iſt aber unter allen Waaren, mit welchen gehan- delt wird, keine ſchwerer zu erken- nen, als eben dieſes geſponnene Zie- genhaar, und zwar ſowol in Anſe- hung der verſchiedenen Guͤte, als des verſchiedenen Preißes deſſelben. Denn unter dem geſponnenen Ziegen- haare von Angora giebt es wenig- ſtens 12, und unter dem von Beg- bazar 7 bis 8 Sorten, die jederzeit ſowol in Anſehung der Feine, als des Preißes, beſtaͤndig hoͤher aufſteigen, daß es alſo nicht leicht iſt, deren Preiß zu unterſcheiden, wofern man nicht eine vollkommene Kenntniß davon hat; welches diejenigen, die dieſen Handel unternehmen wollen, ſehr wohl merken muͤſſen, ſiehe Haar. Uebrigens merken wir noch dieſes, daß das wenigſte, was in Deutſch- land vor Kameelhaar ausgegeben wird, wirkliches Kameelhaar, ſon- dern meiſtentheils Haar von Zie- gen und Boͤcken ſey. Jnſonderheit wird das kameelhaͤrne Garn von den Haaren der africaniſchen und perſiſchen Ziegen, die ſehr fein wie Wolle ſind, verfertiget. Eine ſon- derbare aus Ziegenhaar verfertigte Manufactur ſind die ſogenannten Magenkratzer und Magenbuͤrſten, franz. Ramonneurs d’ Eſtomacs, wel- che von den Buͤrſtenbindern ver- fertiget werden. Endlich werden die [Spaltenumbruch]
Ziegel
Ziegenhaare auch zu falſchem Haare bey den Parucken ſtark verarbeitet; vor andern aber werden die weißen Ziegenhaare dazu ſehr geſuchet. 4) Die Ziegenkaͤſe, welche, abſon- derlich in Oberſachſen, eine gang- bare und gute Speiſe ſind. Man kann ſie in Nußlaube, Kirſchlaube, Krautblaͤttern, oder Weinlaube ſehr wohl erhalten. Unter den Ziegen- kaͤſen werden vornehmlich die gebir- giſchen geſucht, und inſonderheit die abertamer, ſiehe Abertam.
Ziegel, oder geſtrichene Steine, gebackene Steine, Backſteine, gebrannte Steine, Brandſteine, Bernſteine, lat. Lateres, franz. Bisques, ſind Steine, die in Ziegel- huͤtten von den Ziegelſtreichern aus Lehm geformet, und durch Feuer zu gehoͤriger Haͤrte gebrennet werden. Man hat deren dreyerley (1) Gat- tungen, naͤmlich Mauerziegel, Dachziegel, und Fließen. Die (a) Mauerziegel, Mauerſteine und Mauerplatten, franz. Briques, wer- den gebraucht, die Mauern eines Gebaͤudes aufzufuͤhren. Sie ſind insgemein lang, geviert, von einer gemeſſenen Hoͤhe, Breite und Dicke. Es gehoͤren aber zu denſelben auch a) die Woͤlbeſteine, welche an der einen Seite dicker, als an der an- dern und gleichſam keilfoͤrmig ſind, damit ſie deſto beſſer nach einem Bogen ſich ſchließen, und zu Ver- fertigung der Gewoͤlber zu gebrau- chen ſind; ingleichen b) die Sims- ſteine, welche ſo gemacht ſind, daß ſie gleich zu Verfertigung der Ge- ſimſe koͤnnen gebraucht werden. Die (b) Dachziegel oder Dachſtei- ne, franz. Tuiles, werden gebraucht, ein Gebaͤude zu decken. Sie ſind von dreyerley Gattung, naͤmlich a) Hohlziegel, welche die Geſtalt eines halben Zirkels haben; aber, weil ſie das Gebaͤude ſehr beſchweren, wenig mehr gebrauchet werden, außer oben zu Bedeckung des For-
ſtes,
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[[525]/0531]
Ziege
Ziegel
Europa macht. Nach Frankreich
wird uͤber Marſeille ebenfalls eine
große Menge davon gebracht, von
da ſolches nach Lion geht, welche
letzte Stadt, oder vielmehr deren
Kaufleute, alle Staͤdte des Koͤnig-
reichs damit verſorgen, wo ſich Ma-
nufacturen befinden, die ſolche ge-
brauchen. Fuͤr das beſte geſponnene
Ziegenhaar haͤlt man das, ſo von
Angora koͤmmt, obgleich das von
Begbazar viel weißer iſt, weil man
es an dem Orte mit Seife waͤſcht,
um ihm eine ſolche weiße Farbe zu
geben, die jedoch die Guͤte deſſelben
nicht vermehret. Es iſt aber unter
allen Waaren, mit welchen gehan-
delt wird, keine ſchwerer zu erken-
nen, als eben dieſes geſponnene Zie-
genhaar, und zwar ſowol in Anſe-
hung der verſchiedenen Guͤte, als des
verſchiedenen Preißes deſſelben.
Denn unter dem geſponnenen Ziegen-
haare von Angora giebt es wenig-
ſtens 12, und unter dem von Beg-
bazar 7 bis 8 Sorten, die jederzeit
ſowol in Anſehung der Feine, als des
Preißes, beſtaͤndig hoͤher aufſteigen,
daß es alſo nicht leicht iſt, deren
Preiß zu unterſcheiden, wofern man
nicht eine vollkommene Kenntniß
davon hat; welches diejenigen, die
dieſen Handel unternehmen wollen,
ſehr wohl merken muͤſſen, ſiehe Haar.
Uebrigens merken wir noch dieſes,
daß das wenigſte, was in Deutſch-
land vor Kameelhaar ausgegeben
wird, wirkliches Kameelhaar, ſon-
dern meiſtentheils Haar von Zie-
gen und Boͤcken ſey. Jnſonderheit
wird das kameelhaͤrne Garn von
den Haaren der africaniſchen und
perſiſchen Ziegen, die ſehr fein wie
Wolle ſind, verfertiget. Eine ſon-
derbare aus Ziegenhaar verfertigte
Manufactur ſind die ſogenannten
Magenkratzer und Magenbuͤrſten,
franz. Ramonneurs d’ Eſtomacs, wel-
che von den Buͤrſtenbindern ver-
fertiget werden. Endlich werden die
Ziegenhaare auch zu falſchem Haare
bey den Parucken ſtark verarbeitet;
vor andern aber werden die weißen
Ziegenhaare dazu ſehr geſuchet.
4) Die Ziegenkaͤſe, welche, abſon-
derlich in Oberſachſen, eine gang-
bare und gute Speiſe ſind. Man
kann ſie in Nußlaube, Kirſchlaube,
Krautblaͤttern, oder Weinlaube ſehr
wohl erhalten. Unter den Ziegen-
kaͤſen werden vornehmlich die gebir-
giſchen geſucht, und inſonderheit
die abertamer, ſiehe Abertam.
Ziegel, oder geſtrichene Steine,
gebackene Steine, Backſteine,
gebrannte Steine, Brandſteine,
Bernſteine, lat. Lateres, franz.
Bisques, ſind Steine, die in Ziegel-
huͤtten von den Ziegelſtreichern aus
Lehm geformet, und durch Feuer zu
gehoͤriger Haͤrte gebrennet werden.
Man hat deren dreyerley (1) Gat-
tungen, naͤmlich Mauerziegel,
Dachziegel, und Fließen. Die
(a) Mauerziegel, Mauerſteine und
Mauerplatten, franz. Briques, wer-
den gebraucht, die Mauern eines
Gebaͤudes aufzufuͤhren. Sie ſind
insgemein lang, geviert, von einer
gemeſſenen Hoͤhe, Breite und Dicke.
Es gehoͤren aber zu denſelben auch
a) die Woͤlbeſteine, welche an der
einen Seite dicker, als an der an-
dern und gleichſam keilfoͤrmig ſind,
damit ſie deſto beſſer nach einem
Bogen ſich ſchließen, und zu Ver-
fertigung der Gewoͤlber zu gebrau-
chen ſind; ingleichen b) die Sims-
ſteine, welche ſo gemacht ſind, daß
ſie gleich zu Verfertigung der Ge-
ſimſe koͤnnen gebraucht werden.
Die (b) Dachziegel oder Dachſtei-
ne, franz. Tuiles, werden gebraucht,
ein Gebaͤude zu decken. Sie ſind
von dreyerley Gattung, naͤmlich
a) Hohlziegel, welche die Geſtalt
eines halben Zirkels haben; aber,
weil ſie das Gebaͤude ſehr beſchweren,
wenig mehr gebrauchet werden,
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Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756, S. [525]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludovici_grundriss_1756/531>, abgerufen am 27.11.2024.
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