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Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756.

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Wollenhandel
eine vortreffliche Wolle. Daß das
(c) braunschweiger Land einen Ue-
berfluß an Wolle haben müsse, läßt
sich aus den großen Schäfereyen
leichtlich abnehmen, welche hin und
wieder darinnen zu finden sind. Wie
denn die sogenannte lüneburger Hei-
de sonderlich gute Nahrung den
Schafen giebt. Die beste Wolle zu
den Landtüchern fällt um Braun-
schweig herum, wie auch in der
Grafschaft Hoya und Diepholt:
die Länder, so um die Weser herum
liegen, haben auch gute Wolle; die
aber besser ins Land hinein fällt, ist
schon gröber, sie verhandeln jedoch
solche mit gutem Nutzen auf den
braunschweiger Messen, und schaf-
fen sich hernach feinere ausländi-
sche wieder davor an. Wie (c)
überaus groß demnach der Wol-
lenhandel in Deutschland seyn müs-
se, läßt sich nicht nur aus dem bis-
herigen, sondern auch daher leicht
begreifen, daß die deutsche Wolle
theils im Lande selbst ungemein
stark zu allerhand Manufacturen
verarbeitet werde, theils auch eine
fast gleich große Menge roher Wol-
le und gesponnener Garne jährlich
den Ausländern überlassen werde,
welche die daraus verfertigten Ma-
nufacturen hernachmals zum Theile
wieder ins Land bringen. Jnson-
derheit bekömmt man einen großen
Vorrath von deutscher Wolle in den
leipziger, braunschweiger und frank-
furter (an der Oder) Messen, so-
wol, als auf den breßlauer Woll-
märkten zu sehen, auf welchen al-
len ein sehr beträchtlicher Handel
damit getrieben wird: vorzüglich
werden in den leipziger Messen,
und zwar unter solchen vornehmlich
in der Ostermesse, viele tausend
Steine meißner Schurwolle, auch
andere grobe Wolle daselbst aufge-
laden, und von den Schweizern
nach der Schweiz, zu ihren Krepon-
manufacturen, oder auch zu den
[Spaltenumbruch]
Wollenhandel
Franzosen geführet. Auf den
braunschweiger Messen findet man
ebenfalls eine große Menge Wolle,
welche theils im Lande selbsten ver-
arbeitet, theils sowol nach Ham-
burg, woselbst sie die Strumpfma-
cher brauchen, theils nach Holland
verführet wird. Es kömmt aber
beyden ihr Handel nicht an denjeni-
gen, der zu Breßlau in Schlesien
in der Wollschaar oder öffentlichen
Wollmärkten geschieht, da eine un-
beschreibliche Menge Wolle zusam-
men kömmt, indem auch die polni-
sche Wolle mit dahin gebracht wird.
Dieser Wollmärkte werden daselbst
jährlich zwey sonderbar privilegir-
te gehalten, nämlich der erste den
Montag vor Pfingsten, und der
zweyte den Montag vor Michael.
Jn jenem wird die gewonnene Win-
terwolle; in diesem aber die Som-
merwolle verkaufet, welche allezeit
theurer und auch schwerer am Ge-
wicht ist, als die Winterwolle.
Weil aber die Wolle ein rohes Ma-
teriale ist, welches die Schlesier
und Glazer selbst zu ihren Fabriken
brauchen: so dürfen in beyden Woll-
schaaren vom Montage bis auf die
Mittwoche um 4 Uhr Nachmitt. kei-
ne Fremden kaufen, hernach aber ist
es ihnen, sonderlich den Einwoh-
nern aus den oberlausitzischen Sechs-
städten, welche dieselbe häufig ab-
holen, und ihre feinsten Tücher dar-
aus verfertigen, unverwehret. Wenn
die Wolle verkaufet und gewogen
worden, werden die ledigen Woll-
züchen auf der öffentlichen Waage
wieder zurück gewogen, und von
dem ersten Gewichte bey der Bezah-
lung abgezogen, wovon der soge-
nannte Pechvogt und Waagschaffer
ihr besonderes Accidens haben. Des
Wollhandels auf den Wollmärkten
zu Schweidnitz und zu Strehla
wollen wir nicht allererst umständ-
lich gedenken. Jn (I) Holland
wird gleichfalls ein großer Handel

mit
V. Theil. G g

[Spaltenumbruch]

Wollenhandel
eine vortreffliche Wolle. Daß das
(c) braunſchweiger Land einen Ue-
berfluß an Wolle haben muͤſſe, laͤßt
ſich aus den großen Schaͤfereyen
leichtlich abnehmen, welche hin und
wieder darinnen zu finden ſind. Wie
denn die ſogenannte luͤneburger Hei-
de ſonderlich gute Nahrung den
Schafen giebt. Die beſte Wolle zu
den Landtuͤchern faͤllt um Braun-
ſchweig herum, wie auch in der
Grafſchaft Hoya und Diepholt:
die Laͤnder, ſo um die Weſer herum
liegen, haben auch gute Wolle; die
aber beſſer ins Land hinein faͤllt, iſt
ſchon groͤber, ſie verhandeln jedoch
ſolche mit gutem Nutzen auf den
braunſchweiger Meſſen, und ſchaf-
fen ſich hernach feinere auslaͤndi-
ſche wieder davor an. Wie (c)
uͤberaus groß demnach der Wol-
lenhandel in Deutſchland ſeyn muͤſ-
ſe, laͤßt ſich nicht nur aus dem bis-
herigen, ſondern auch daher leicht
begreifen, daß die deutſche Wolle
theils im Lande ſelbſt ungemein
ſtark zu allerhand Manufacturen
verarbeitet werde, theils auch eine
faſt gleich große Menge roher Wol-
le und geſponnener Garne jaͤhrlich
den Auslaͤndern uͤberlaſſen werde,
welche die daraus verfertigten Ma-
nufacturen hernachmals zum Theile
wieder ins Land bringen. Jnſon-
derheit bekoͤmmt man einen großen
Vorrath von deutſcher Wolle in den
leipziger, braunſchweiger und frank-
furter (an der Oder) Meſſen, ſo-
wol, als auf den breßlauer Woll-
maͤrkten zu ſehen, auf welchen al-
len ein ſehr betraͤchtlicher Handel
damit getrieben wird: vorzuͤglich
werden in den leipziger Meſſen,
und zwar unter ſolchen vornehmlich
in der Oſtermeſſe, viele tauſend
Steine meißner Schurwolle, auch
andere grobe Wolle daſelbſt aufge-
laden, und von den Schweizern
nach der Schweiz, zu ihren Krepon-
manufacturen, oder auch zu den
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Wollenhandel
Franzoſen gefuͤhret. Auf den
braunſchweiger Meſſen findet man
ebenfalls eine große Menge Wolle,
welche theils im Lande ſelbſten ver-
arbeitet, theils ſowol nach Ham-
burg, woſelbſt ſie die Strumpfma-
cher brauchen, theils nach Holland
verfuͤhret wird. Es koͤmmt aber
beyden ihr Handel nicht an denjeni-
gen, der zu Breßlau in Schleſien
in der Wollſchaar oder oͤffentlichen
Wollmaͤrkten geſchieht, da eine un-
beſchreibliche Menge Wolle zuſam-
men koͤmmt, indem auch die polni-
ſche Wolle mit dahin gebracht wird.
Dieſer Wollmaͤrkte werden daſelbſt
jaͤhrlich zwey ſonderbar privilegir-
te gehalten, naͤmlich der erſte den
Montag vor Pfingſten, und der
zweyte den Montag vor Michael.
Jn jenem wird die gewonnene Win-
terwolle; in dieſem aber die Som-
merwolle verkaufet, welche allezeit
theurer und auch ſchwerer am Ge-
wicht iſt, als die Winterwolle.
Weil aber die Wolle ein rohes Ma-
teriale iſt, welches die Schleſier
und Glazer ſelbſt zu ihren Fabriken
brauchen: ſo duͤrfen in beyden Woll-
ſchaaren vom Montage bis auf die
Mittwoche um 4 Uhr Nachmitt. kei-
ne Fremden kaufen, hernach aber iſt
es ihnen, ſonderlich den Einwoh-
nern aus den oberlauſitziſchen Sechs-
ſtaͤdten, welche dieſelbe haͤufig ab-
holen, und ihre feinſten Tuͤcher dar-
aus verfertigen, unverwehret. Wenn
die Wolle verkaufet und gewogen
worden, werden die ledigen Woll-
zuͤchen auf der oͤffentlichen Waage
wieder zuruͤck gewogen, und von
dem erſten Gewichte bey der Bezah-
lung abgezogen, wovon der ſoge-
nannte Pechvogt und Waagſchaffer
ihr beſonderes Accidens haben. Des
Wollhandels auf den Wollmaͤrkten
zu Schweidnitz und zu Strehla
wollen wir nicht allererſt umſtaͤnd-
lich gedenken. Jn (I) Holland
wird gleichfalls ein großer Handel

mit
V. Theil. G g
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[[465]/0471] Wollenhandel Wollenhandel eine vortreffliche Wolle. Daß das (c) braunſchweiger Land einen Ue- berfluß an Wolle haben muͤſſe, laͤßt ſich aus den großen Schaͤfereyen leichtlich abnehmen, welche hin und wieder darinnen zu finden ſind. Wie denn die ſogenannte luͤneburger Hei- de ſonderlich gute Nahrung den Schafen giebt. Die beſte Wolle zu den Landtuͤchern faͤllt um Braun- ſchweig herum, wie auch in der Grafſchaft Hoya und Diepholt: die Laͤnder, ſo um die Weſer herum liegen, haben auch gute Wolle; die aber beſſer ins Land hinein faͤllt, iſt ſchon groͤber, ſie verhandeln jedoch ſolche mit gutem Nutzen auf den braunſchweiger Meſſen, und ſchaf- fen ſich hernach feinere auslaͤndi- ſche wieder davor an. Wie (c) uͤberaus groß demnach der Wol- lenhandel in Deutſchland ſeyn muͤſ- ſe, laͤßt ſich nicht nur aus dem bis- herigen, ſondern auch daher leicht begreifen, daß die deutſche Wolle theils im Lande ſelbſt ungemein ſtark zu allerhand Manufacturen verarbeitet werde, theils auch eine faſt gleich große Menge roher Wol- le und geſponnener Garne jaͤhrlich den Auslaͤndern uͤberlaſſen werde, welche die daraus verfertigten Ma- nufacturen hernachmals zum Theile wieder ins Land bringen. Jnſon- derheit bekoͤmmt man einen großen Vorrath von deutſcher Wolle in den leipziger, braunſchweiger und frank- furter (an der Oder) Meſſen, ſo- wol, als auf den breßlauer Woll- maͤrkten zu ſehen, auf welchen al- len ein ſehr betraͤchtlicher Handel damit getrieben wird: vorzuͤglich werden in den leipziger Meſſen, und zwar unter ſolchen vornehmlich in der Oſtermeſſe, viele tauſend Steine meißner Schurwolle, auch andere grobe Wolle daſelbſt aufge- laden, und von den Schweizern nach der Schweiz, zu ihren Krepon- manufacturen, oder auch zu den Franzoſen gefuͤhret. Auf den braunſchweiger Meſſen findet man ebenfalls eine große Menge Wolle, welche theils im Lande ſelbſten ver- arbeitet, theils ſowol nach Ham- burg, woſelbſt ſie die Strumpfma- cher brauchen, theils nach Holland verfuͤhret wird. Es koͤmmt aber beyden ihr Handel nicht an denjeni- gen, der zu Breßlau in Schleſien in der Wollſchaar oder oͤffentlichen Wollmaͤrkten geſchieht, da eine un- beſchreibliche Menge Wolle zuſam- men koͤmmt, indem auch die polni- ſche Wolle mit dahin gebracht wird. Dieſer Wollmaͤrkte werden daſelbſt jaͤhrlich zwey ſonderbar privilegir- te gehalten, naͤmlich der erſte den Montag vor Pfingſten, und der zweyte den Montag vor Michael. Jn jenem wird die gewonnene Win- terwolle; in dieſem aber die Som- merwolle verkaufet, welche allezeit theurer und auch ſchwerer am Ge- wicht iſt, als die Winterwolle. Weil aber die Wolle ein rohes Ma- teriale iſt, welches die Schleſier und Glazer ſelbſt zu ihren Fabriken brauchen: ſo duͤrfen in beyden Woll- ſchaaren vom Montage bis auf die Mittwoche um 4 Uhr Nachmitt. kei- ne Fremden kaufen, hernach aber iſt es ihnen, ſonderlich den Einwoh- nern aus den oberlauſitziſchen Sechs- ſtaͤdten, welche dieſelbe haͤufig ab- holen, und ihre feinſten Tuͤcher dar- aus verfertigen, unverwehret. Wenn die Wolle verkaufet und gewogen worden, werden die ledigen Woll- zuͤchen auf der oͤffentlichen Waage wieder zuruͤck gewogen, und von dem erſten Gewichte bey der Bezah- lung abgezogen, wovon der ſoge- nannte Pechvogt und Waagſchaffer ihr beſonderes Accidens haben. Des Wollhandels auf den Wollmaͤrkten zu Schweidnitz und zu Strehla wollen wir nicht allererſt umſtaͤnd- lich gedenken. Jn (I) Holland wird gleichfalls ein großer Handel mit V. Theil. G g

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Zitationshilfe: Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756, S. [465]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludovici_grundriss_1756/471>, abgerufen am 25.11.2024.