5) Wirst du eine jede Blume, als ein unbe- trügliches Pfand der Verklärung und Auszierung deiner Seele in der Erleuchtung, Rechtfertigung und Heiligung ansehen, und erkennen, wie eine je- de Farbe, weiß, grüm, gelb, blau, roth, schwartz etc. etwas von geistlichen Dingen, auch die besondern Schönheiten des neuen Wesens aus der Fülle der Gottheit abbilden: Da kanst du dir z. E. die Rech- nung machen: "Wann GOtt die Lilien auf dem "Felde so schön kleidet, was wird er dann meiner "Seelen thun? Welch einen unverweßlichen "Glantz und Geruch wird diese haben, nachdem "sie von GOtt dem Vater gepflantzet, gesegnet, "behütet; von GOtt dem Sohn mit seinem ei- "genen Blut erkaufft, begossen, durchsäfftet; von "GOtt dem Heil. Geist bethauet, bedünget, er- "wärmet, geschmücket worden! Welch ein ewig- "schöne Wunder-Blume werde ich durch meines "GOttes Gnade seyn! Ach daß ich nur auf der "göttlichen Erde meines gecreutzigten JESU in "Demuth, Einfalt und Liebe stehen bliebe, und den "Einflüssen des Himmels abwartete!
6) Kanst du an den Blumen lernen, wie du die Gnade ohne Aufschub zu sammlen und zu gebrau- chen habest. Wird dir z. E. ein Schrifft-Spruch, eine Verheissung, eine göttliche Warheit, oder Ge- heimniß recht lebendig, und du dadurch empfindlich gerühret; so dencke: "Diß ist eine himmlische Blume, "die durch den allergnädigsten Willen des HErrn "über alles vor meinen Augen aufblühet; die ge- "hört in mein Hertz; ich will sie darum flugs ab- "pflicken, und in mein Hertz setzen, wie die Heil.
Jung-
Cap. 7. Nachleſe noch einiger Mitteln
5) Wirſt du eine jede Blume, als ein unbe- truͤgliches Pfand der Verklaͤrung und Auszierung deiner Seele in der Erleuchtung, Rechtfertigung und Heiligung anſehen, und erkennen, wie eine je- de Farbe, weiß, gruͤm, gelb, blau, roth, ſchwartz ꝛc. etwas von geiſtlichen Dingen, auch die beſondern Schoͤnheiten des neuen Weſens aus der Fuͤlle der Gottheit abbilden: Da kanſt du dir z. E. die Rech- nung machen: „Wann GOtt die Lilien auf dem “Felde ſo ſchoͤn kleidet, was wird er dann meiner “Seelen thun? Welch einen unverweßlichen “Glantz und Geruch wird dieſe haben, nachdem “ſie von GOtt dem Vater gepflantzet, geſegnet, “behuͤtet; von GOtt dem Sohn mit ſeinem ei- “genen Blut erkaufft, begoſſen, durchſaͤfftet; von “GOtt dem Heil. Geiſt bethauet, beduͤnget, er- “waͤrmet, geſchmuͤcket worden! Welch ein ewig- “ſchoͤne Wunder-Blume werde ich durch meines “GOttes Gnade ſeyn! Ach daß ich nur auf der “goͤttlichen Erde meines gecreutzigten JESU in “Demuth, Einfalt und Liebe ſtehen bliebe, und den “Einfluͤſſen des Himmels abwartete!
6) Kanſt du an den Blumen lernen, wie du die Gnade ohne Aufſchub zu ſammlen und zu gebrau- chen habeſt. Wird dir z. E. ein Schrifft-Spruch, eine Verheiſſung, eine goͤttliche Warheit, oder Ge- heimniß recht lebendig, und du dadurch empfindlich geruͤhret; ſo dencke: „Diß iſt eine him̃liſche Blume, “die durch den allergnaͤdigſten Willen des HErrn “uͤber alles vor meinen Augen aufbluͤhet; die ge- “hoͤrt in mein Hertz; ich will ſie darum flugs ab- “pflicken, und in mein Hertz ſetzen, wie die Heil.
Jung-
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Cap. 7. Nachleſe noch einiger Mitteln
5) Wirſt du eine jede Blume, als ein unbe-
truͤgliches Pfand der Verklaͤrung und Auszierung
deiner Seele in der Erleuchtung, Rechtfertigung
und Heiligung anſehen, und erkennen, wie eine je-
de Farbe, weiß, gruͤm, gelb, blau, roth, ſchwartz ꝛc.
etwas von geiſtlichen Dingen, auch die beſondern
Schoͤnheiten des neuen Weſens aus der Fuͤlle der
Gottheit abbilden: Da kanſt du dir z. E. die Rech-
nung machen: „Wann GOtt die Lilien auf dem
“Felde ſo ſchoͤn kleidet, was wird er dann meiner
“Seelen thun? Welch einen unverweßlichen
“Glantz und Geruch wird dieſe haben, nachdem
“ſie von GOtt dem Vater gepflantzet, geſegnet,
“behuͤtet; von GOtt dem Sohn mit ſeinem ei-
“genen Blut erkaufft, begoſſen, durchſaͤfftet; von
“GOtt dem Heil. Geiſt bethauet, beduͤnget, er-
“waͤrmet, geſchmuͤcket worden! Welch ein ewig-
“ſchoͤne Wunder-Blume werde ich durch meines
“GOttes Gnade ſeyn! Ach daß ich nur auf der
“goͤttlichen Erde meines gecreutzigten JESU in
“Demuth, Einfalt und Liebe ſtehen bliebe, und den
“Einfluͤſſen des Himmels abwartete!
6) Kanſt du an den Blumen lernen, wie du die
Gnade ohne Aufſchub zu ſammlen und zu gebrau-
chen habeſt. Wird dir z. E. ein Schrifft-Spruch,
eine Verheiſſung, eine goͤttliche Warheit, oder Ge-
heimniß recht lebendig, und du dadurch empfindlich
geruͤhret; ſo dencke: „Diß iſt eine him̃liſche Blume,
“die durch den allergnaͤdigſten Willen des HErrn
“uͤber alles vor meinen Augen aufbluͤhet; die ge-
“hoͤrt in mein Hertz; ich will ſie darum flugs ab-
“pflicken, und in mein Hertz ſetzen, wie die Heil.
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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/384>, abgerufen am 25.11.2024.
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