JEsum nicht im Angedencken bewahrete, noch vor ihme sich ehrerbietig scheuete; so brache es in diese ernsthaffte Worte aus: "Jch meynte/ wir" haben in unserm Gebet die Gegen-" wart Christi verlanget/ um nichts zu" reden oder zu thun/ daß ihme zu sehen" oder zu hören mißfällig wäre." Uber welche Rede dann die gantze Gesellschafft beschämet wurde.
Ach das unandächtige Essen, der Lust-süchtige, unheilige Gebrauch der theuren Gaben der göttli- chen Langmuth brachte der ersten Welt und So- dom den Untergang; zumalen da es von Leuten ge- schahe, die von denen Männern GOttes, Noab und Loth, was bessers hätten wissen und lernen können.
Jm Gegentheil war ein Jüngling/ der gantz vertraut mit mir umgienge. Dieser gienge mit Gewalt darauf los, daß er allen Neigungen der Na- tur in sich den Garaus machte: Er griffe sich so hart an, daß er in eine Schwindsucht fiele und starbe, ohngeachtet er sehr gerne noch länger gele- bet hätte, um vom Himmelreich noch mehrers zu erfahren, und in der Heiligung weiter zu kommen: GOTT aber nahme ihn im drey und zwantzigsten Jahr seines Alters, vielleicht auch darum, schon aus der Welt, damit die Beförderungen zu weltlicher Hoheit ihme sein Ziel nicht verrücken möchte. Ein- mahl ward er zur Herbst-Zeit von seinem Herrn Oncle (Vaters Bruder) über einen schönen Wein- berg gesetzet, und spatzierte gantz allein darinnen her- um, um zu beschauen, ob die Trauben reiff und in
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der Verfuͤhrung der Jugend
JEſum nicht im Angedencken bewahrete, noch vor ihme ſich ehrerbietig ſcheuete; ſo brache es in dieſe ernſthaffte Worte aus: „Jch meynte/ wir“ haben in unſerm Gebet die Gegen-“ wart Chriſti verlanget/ um nichts zu“ reden oder zu thun/ daß ihme zu ſehen“ oder zu hoͤren mißfaͤllig waͤre.‟ Uber welche Rede dann die gantze Geſellſchafft beſchaͤmet wurde.
Ach das unandaͤchtige Eſſen, der Luſt-ſuͤchtige, unheilige Gebrauch der theuren Gaben der goͤttli- chen Langmuth brachte der erſten Welt und So- dom den Untergang; zumalen da es von Leuten ge- ſchahe, die von denen Maͤnnern GOttes, Noab und Loth, was beſſers haͤtten wiſſen und lernen koͤnnen.
Jm Gegentheil war ein Juͤngling/ der gantz vertraut mit mir umgienge. Dieſer gienge mit Gewalt darauf los, daß er allen Neigungen der Na- tur in ſich den Garaus machte: Er griffe ſich ſo hart an, daß er in eine Schwindſucht fiele und ſtarbe, ohngeachtet er ſehr gerne noch laͤnger gele- bet haͤtte, um vom Himmelreich noch mehrers zu erfahren, und in der Heiligung weiter zu kommen: GOTT aber nahme ihn im drey und zwantzigſten Jahr ſeines Alters, vielleicht auch darum, ſchon aus der Welt, damit die Befoͤrderungen zu weltlicher Hoheit ihme ſein Ziel nicht verruͤcken moͤchte. Ein- mahl ward er zur Herbſt-Zeit von ſeinem Herrn Oncle (Vaters Bruder) uͤber einen ſchoͤnen Wein- berg geſetzet, und ſpatzierte gantz allein darinnen her- um, um zu beſchauen, ob die Trauben reiff und in
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der Verfuͤhrung der Jugend
JEſum nicht im Angedencken bewahrete, noch vor
ihme ſich ehrerbietig ſcheuete; ſo brache es in dieſe
ernſthaffte Worte aus: „Jch meynte/ wir“
haben in unſerm Gebet die Gegen-“
wart Chriſti verlanget/ um nichts zu“
reden oder zu thun/ daß ihme zu ſehen“
oder zu hoͤren mißfaͤllig waͤre.‟ Uber
welche Rede dann die gantze Geſellſchafft beſchaͤmet
wurde.
Ach das unandaͤchtige Eſſen, der Luſt-ſuͤchtige,
unheilige Gebrauch der theuren Gaben der goͤttli-
chen Langmuth brachte der erſten Welt und So-
dom den Untergang; zumalen da es von Leuten ge-
ſchahe, die von denen Maͤnnern GOttes, Noab
und Loth, was beſſers haͤtten wiſſen und lernen
koͤnnen.
Jm Gegentheil war ein Juͤngling/ der gantz
vertraut mit mir umgienge. Dieſer gienge mit
Gewalt darauf los, daß er allen Neigungen der Na-
tur in ſich den Garaus machte: Er griffe ſich ſo
hart an, daß er in eine Schwindſucht fiele und
ſtarbe, ohngeachtet er ſehr gerne noch laͤnger gele-
bet haͤtte, um vom Himmelreich noch mehrers zu
erfahren, und in der Heiligung weiter zu kommen:
GOTT aber nahme ihn im drey und zwantzigſten
Jahr ſeines Alters, vielleicht auch darum, ſchon aus
der Welt, damit die Befoͤrderungen zu weltlicher
Hoheit ihme ſein Ziel nicht verruͤcken moͤchte. Ein-
mahl ward er zur Herbſt-Zeit von ſeinem Herrn
Oncle (Vaters Bruder) uͤber einen ſchoͤnen Wein-
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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/379>, abgerufen am 25.11.2024.
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