Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite
Vorbereitung.
§. 10.

Ach GOtt! wo sind die ewige Verheissungen
vom Aus guß des Geistes auch über Kinder?
sind dir denn die Kinder nicht mehr lieb und begehrest
du ihrer Gegen-Liebe fein gar nichts? Du weist ja,
lieber Vater, daß Kinder zu dem Himmelreich weder
Verstand noch Hertzens-Willigkeit haben, es seye
denn daß du sie darzu ziehest mit deiner vorlauffenden
Gnade, und lassest sie von deinem Ernst und Gute,
von deinem Zorn und Gnade etwas empfinden:
Du weist auch, daß des Menschen Dichten und
Trachten von Jugend auf böse ist;
du sagst
es selber. Ach ein Kind ihm selbst gelassen, fragt
nichts nach dir du höchstes Gut, weil es dich nicht
kennet, wie gut, wie süß, wie freundlich und höchst-
vergnüglich du seyest, sie sind gleich ans Sündigen
gewöhnt, an den Gifft vom Höllen-Pfuhl. Ach!
ziehe sie doch alle mit deinen Liebes-Banden im Ver-
borgenen zu dir. Kinder lassen sich leichtlich schre-
cken, oder mit schönen Früchten und guten Gaben
gewinnen. O mitleydiger und mittheiliger Hey-
land! schrecke sie doch vom gemeinen Welt-Lauff
und Sünden-Weg ab durch einen starcken Eindruck
von dem künfftigen Gericht, vom Himmel und Hölle;
locke sie aber auch durch deine Zucker-süsse Liebe und
mit deinen edlen Früchten an dich, du himmli-
scher Weinstock und Apffel-Baum. Ach! solte der
Betrüger so viele Mittel zu brauchen wissen zum
Verderben einfältiger Kindern? und dir, liebreicher
Schöpffer, solten die Zugänge zu deinem eigenen
Geschöpffe verborgen seyn, daß du nicht wissen sol-
test, wie ihm beyzukommen wäre, dir dasselbe anhän-

gig
Vorbereitung.
§. 10.

Ach GOtt! wo ſind die ewige Verheiſſungen
vom Aus guß des Geiſtes auch uͤber Kinder?
ſind dir denn die Kinder nicht mehr lieb und begehreſt
du ihrer Gegen-Liebe fein gar nichts? Du weiſt ja,
lieber Vater, daß Kinder zu dem Himmelreich weder
Verſtand noch Hertzens-Willigkeit haben, es ſeye
denn daß du ſie darzu zieheſt mit deiner vorlauffenden
Gnade, und laſſeſt ſie von deinem Ernſt und Gute,
von deinem Zorn und Gnade etwas empfinden:
Du weiſt auch, daß des Menſchen Dichten und
Trachten von Jugend auf boͤſe iſt;
du ſagſt
es ſelber. Ach ein Kind ihm ſelbſt gelaſſen, fragt
nichts nach dir du hoͤchſtes Gut, weil es dich nicht
kennet, wie gut, wie ſuͤß, wie freundlich und hoͤchſt-
vergnuͤglich du ſeyeſt, ſie ſind gleich ans Suͤndigen
gewoͤhnt, an den Gifft vom Hoͤllen-Pfuhl. Ach!
ziehe ſie doch alle mit deinen Liebes-Banden im Ver-
borgenen zu dir. Kinder laſſen ſich leichtlich ſchre-
cken, oder mit ſchoͤnen Fruͤchten und guten Gaben
gewinnen. O mitleydiger und mittheiliger Hey-
land! ſchrecke ſie doch vom gemeinen Welt-Lauff
und Suͤnden-Weg ab durch einen ſtarcken Eindruck
von dem kuͤnfftigen Gericht, vom Himmel und Hoͤlle;
locke ſie aber auch durch deine Zucker-ſuͤſſe Liebe und
mit deinen edlen Fruͤchten an dich, du himmli-
ſcher Weinſtock und Apffel-Baum. Ach! ſolte der
Betruͤger ſo viele Mittel zu brauchen wiſſen zum
Verderben einfaͤltiger Kindern? und dir, liebreicher
Schoͤpffer, ſolten die Zugaͤnge zu deinem eigenen
Geſchoͤpffe verborgen ſeyn, daß du nicht wiſſen ſol-
teſt, wie ihm beyzukommen waͤre, dir daſſelbe anhaͤn-

gig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0028" n="10"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vorbereitung.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 10.</head><lb/>
          <p>Ach GOtt! wo &#x017F;ind die ewige Verhei&#x017F;&#x017F;ungen<lb/>
vom <hi rendition="#fr">Aus guß des Gei&#x017F;tes</hi> auch u&#x0364;ber <hi rendition="#fr">Kinder?</hi><lb/>
&#x017F;ind dir denn die Kinder nicht mehr lieb und begehre&#x017F;t<lb/>
du ihrer Gegen-Liebe fein gar nichts? Du wei&#x017F;t ja,<lb/>
lieber Vater, daß Kinder zu dem Himmelreich weder<lb/>
Ver&#x017F;tand noch Hertzens-Willigkeit haben, es &#x017F;eye<lb/>
denn daß du &#x017F;ie darzu ziehe&#x017F;t mit deiner vorlauffenden<lb/>
Gnade, und la&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t &#x017F;ie von deinem Ern&#x017F;t und Gute,<lb/>
von deinem Zorn und Gnade etwas empfinden:<lb/>
Du wei&#x017F;t auch, daß des Men&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Dichten und<lb/>
Trachten von Jugend auf bo&#x0364;&#x017F;e i&#x017F;t;</hi> du &#x017F;ag&#x017F;t<lb/>
es &#x017F;elber. Ach ein Kind ihm &#x017F;elb&#x017F;t gela&#x017F;&#x017F;en, fragt<lb/>
nichts nach dir du ho&#x0364;ch&#x017F;tes Gut, weil es dich nicht<lb/>
kennet, wie gut, wie &#x017F;u&#x0364;ß, wie freundlich und ho&#x0364;ch&#x017F;t-<lb/>
vergnu&#x0364;glich du &#x017F;eye&#x017F;t, &#x017F;ie &#x017F;ind gleich ans Su&#x0364;ndigen<lb/>
gewo&#x0364;hnt, an den Gifft vom Ho&#x0364;llen-Pfuhl. Ach!<lb/>
ziehe &#x017F;ie doch alle mit deinen Liebes-Banden im Ver-<lb/>
borgenen zu dir. Kinder la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich leichtlich &#x017F;chre-<lb/>
cken, oder mit &#x017F;cho&#x0364;nen Fru&#x0364;chten und guten Gaben<lb/>
gewinnen. O mitleydiger und mittheiliger Hey-<lb/>
land! &#x017F;chrecke &#x017F;ie doch vom gemeinen Welt-Lauff<lb/>
und Su&#x0364;nden-Weg ab durch einen &#x017F;tarcken Eindruck<lb/>
von dem ku&#x0364;nfftigen Gericht, vom Himmel und Ho&#x0364;lle;<lb/>
locke &#x017F;ie aber auch durch deine Zucker-&#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Liebe und<lb/>
mit deinen edlen Fru&#x0364;chten an dich, du himmli-<lb/>
&#x017F;cher Wein&#x017F;tock und Apffel-Baum. Ach! &#x017F;olte der<lb/>
Betru&#x0364;ger &#x017F;o viele Mittel zu brauchen wi&#x017F;&#x017F;en zum<lb/>
Verderben einfa&#x0364;ltiger Kindern? und dir, liebreicher<lb/>
Scho&#x0364;pffer, &#x017F;olten die Zuga&#x0364;nge zu deinem eigenen<lb/>
Ge&#x017F;cho&#x0364;pffe verborgen &#x017F;eyn, daß du nicht wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ol-<lb/>
te&#x017F;t, wie ihm beyzukommen wa&#x0364;re, dir da&#x017F;&#x017F;elbe anha&#x0364;n-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gig</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0028] Vorbereitung. §. 10. Ach GOtt! wo ſind die ewige Verheiſſungen vom Aus guß des Geiſtes auch uͤber Kinder? ſind dir denn die Kinder nicht mehr lieb und begehreſt du ihrer Gegen-Liebe fein gar nichts? Du weiſt ja, lieber Vater, daß Kinder zu dem Himmelreich weder Verſtand noch Hertzens-Willigkeit haben, es ſeye denn daß du ſie darzu zieheſt mit deiner vorlauffenden Gnade, und laſſeſt ſie von deinem Ernſt und Gute, von deinem Zorn und Gnade etwas empfinden: Du weiſt auch, daß des Menſchen Dichten und Trachten von Jugend auf boͤſe iſt; du ſagſt es ſelber. Ach ein Kind ihm ſelbſt gelaſſen, fragt nichts nach dir du hoͤchſtes Gut, weil es dich nicht kennet, wie gut, wie ſuͤß, wie freundlich und hoͤchſt- vergnuͤglich du ſeyeſt, ſie ſind gleich ans Suͤndigen gewoͤhnt, an den Gifft vom Hoͤllen-Pfuhl. Ach! ziehe ſie doch alle mit deinen Liebes-Banden im Ver- borgenen zu dir. Kinder laſſen ſich leichtlich ſchre- cken, oder mit ſchoͤnen Fruͤchten und guten Gaben gewinnen. O mitleydiger und mittheiliger Hey- land! ſchrecke ſie doch vom gemeinen Welt-Lauff und Suͤnden-Weg ab durch einen ſtarcken Eindruck von dem kuͤnfftigen Gericht, vom Himmel und Hoͤlle; locke ſie aber auch durch deine Zucker-ſuͤſſe Liebe und mit deinen edlen Fruͤchten an dich, du himmli- ſcher Weinſtock und Apffel-Baum. Ach! ſolte der Betruͤger ſo viele Mittel zu brauchen wiſſen zum Verderben einfaͤltiger Kindern? und dir, liebreicher Schoͤpffer, ſolten die Zugaͤnge zu deinem eigenen Geſchoͤpffe verborgen ſeyn, daß du nicht wiſſen ſol- teſt, wie ihm beyzukommen waͤre, dir daſſelbe anhaͤn- gig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/28
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/28>, abgerufen am 21.11.2024.