als mit dem Beding, daß sie auch lesen können, etwas geben wolte; da sie dann um eines schlechten Pfennings willen alle vollkommen lesen gelernet. Welches dann eine Prob ist, wie ein nichts-wer- thig Ding bey Thier-Menschen ungleich mehr ver- möge, als alle Seligkeit des Paradises und als die blutenden Liebes-Wunden des Heylandes, wo man nur Schatten und todte Bilder und Buch- staben darvon im Gehirn hat, die Sachen selber aber nicht würcklich im Hertzen und Leben genies- set; als worzu doch beydes Eltern und Lehrer das junge Blut allerdings anzuweisen und zu nöthigen haben.
Von der Kröte sagt man, daß sie einen köst- lichen Stein im Kopff habe, da sie übrigens ein gifftig und garstiges Thierlein ist: Also kan ein Mensch Wissenschafft im Kopff haben von geistli- chen Geheimnissen, darneben aber voll teufflischer Eigenschafften, ein greulich Ungeheur, eine Kröte des Geitzes, ein Schwein der Fleisches-Lust, ein Hund des Neids, ein Aff der heuchlerischen Nach- ahmung anderer; ein Pfau der hoffärtigen Selbst- Bespieglung, eine Schlange der Lugen und Falsch- heit, ein Fuchs der Arglistigkeit zur Ubervorthei- lung des Nächsten, ein Löw des Jäch-Zorns etc. seyn; welches alles der Engel des Bundes, der Göttliche Schmeltzer umschmeltzen, fiüßig machen, alle Härtigkeit und Willens-Widersetzlichkeit be- nehmen und in einen andern Model gleichsam gies- sen muß, also, daß das junge Hertz die Gestalt des Kindes von Bethlehem, das ist, seinen Sinn und Bild bekomme. Worzu dann gut ist, wann
Eltern
Cap. 2. Die zweyte Quelle
als mit dem Beding, daß ſie auch leſen koͤnnen, etwas geben wolte; da ſie dann um eines ſchlechten Pfennings willen alle vollkommen leſen gelernet. Welches dann eine Prob iſt, wie ein nichts-wer- thig Ding bey Thier-Menſchen ungleich mehr ver- moͤge, als alle Seligkeit des Paradiſes und als die blutenden Liebes-Wunden des Heylandes, wo man nur Schatten und todte Bilder und Buch- ſtaben darvon im Gehirn hat, die Sachen ſelber aber nicht wuͤrcklich im Hertzen und Leben genieſ- ſet; als worzu doch beydes Eltern und Lehrer das junge Blut allerdings anzuweiſen und zu noͤthigen haben.
Von der Kroͤte ſagt man, daß ſie einen koͤſt- lichen Stein im Kopff habe, da ſie uͤbrigens ein gifftig und garſtiges Thierlein iſt: Alſo kan ein Menſch Wiſſenſchafft im Kopff haben von geiſtli- chen Geheimniſſen, darneben aber voll teuffliſcher Eigenſchafften, ein greulich Ungeheur, eine Kroͤte des Geitzes, ein Schwein der Fleiſches-Luſt, ein Hund des Neids, ein Aff der heuchleriſchen Nach- ahmung anderer; ein Pfau der hoffaͤrtigen Selbſt- Beſpieglung, eine Schlange der Lugen und Falſch- heit, ein Fuchs der Argliſtigkeit zur Ubervorthei- lung des Naͤchſten, ein Loͤw des Jaͤch-Zorns ꝛc. ſeyn; welches alles der Engel des Bundes, der Goͤttliche Schmeltzer umſchmeltzen, fiuͤßig machen, alle Haͤrtigkeit und Willens-Widerſetzlichkeit be- nehmen und in einen andern Model gleichſam gieſ- ſen muß, alſo, daß das junge Hertz die Geſtalt des Kindes von Bethlehem, das iſt, ſeinen Sinn und Bild bekomme. Worzu dann gut iſt, wann
Eltern
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Cap. 2. Die zweyte Quelle
als mit dem Beding, daß ſie auch leſen koͤnnen,
etwas geben wolte; da ſie dann um eines ſchlechten
Pfennings willen alle vollkommen leſen gelernet.
Welches dann eine Prob iſt, wie ein nichts-wer-
thig Ding bey Thier-Menſchen ungleich mehr ver-
moͤge, als alle Seligkeit des Paradiſes und als
die blutenden Liebes-Wunden des Heylandes, wo
man nur Schatten und todte Bilder und Buch-
ſtaben darvon im Gehirn hat, die Sachen ſelber
aber nicht wuͤrcklich im Hertzen und Leben genieſ-
ſet; als worzu doch beydes Eltern und Lehrer das
junge Blut allerdings anzuweiſen und zu noͤthigen
haben.
Von der Kroͤte ſagt man, daß ſie einen koͤſt-
lichen Stein im Kopff habe, da ſie uͤbrigens ein
gifftig und garſtiges Thierlein iſt: Alſo kan ein
Menſch Wiſſenſchafft im Kopff haben von geiſtli-
chen Geheimniſſen, darneben aber voll teuffliſcher
Eigenſchafften, ein greulich Ungeheur, eine Kroͤte
des Geitzes, ein Schwein der Fleiſches-Luſt, ein
Hund des Neids, ein Aff der heuchleriſchen Nach-
ahmung anderer; ein Pfau der hoffaͤrtigen Selbſt-
Beſpieglung, eine Schlange der Lugen und Falſch-
heit, ein Fuchs der Argliſtigkeit zur Ubervorthei-
lung des Naͤchſten, ein Loͤw des Jaͤch-Zorns ꝛc.
ſeyn; welches alles der Engel des Bundes, der
Goͤttliche Schmeltzer umſchmeltzen, fiuͤßig machen,
alle Haͤrtigkeit und Willens-Widerſetzlichkeit be-
nehmen und in einen andern Model gleichſam gieſ-
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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/138>, abgerufen am 16.02.2025.
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