Sollen aber die erlernte heilige Wahrheiten so- thane Seligkeiten in den zarten Seelen ausgebäh- ren, so ists unumgänglich nöthig, daß dieselben nicht blos auswendig im Kopff ligen, sondern durch den lebendig-machenden Geist JESU innwendig im Verstand und Willen begossen, er- öffnet und zum blühen und Früchte-bringen rege gemachet werden, damit also das Hertz von Lust und Liebe zu JEsu recht brenne. Der Kopff ist der Speicher/ wo der Saamen ersticken, verfaulen oder vom Ungeziefer gefressen werden kan; das Hertz hingegen ist der Acker/ und wann der wohl gewartet wird, so trägt der Saa- me auch etwas für das Zukünfftige in Zeit und Ewigkeit. Ach wo das Nachsinnen fehlet und der Hunger nach der würcklichen Besitzung der Sache in der Krafft und im Wesen ferne bleibet, da ist Catechismus und alles nur allzubald wieder vergessen und verschwunden.
§. 22.
Aus dieser Ursache bitte und flehe ich die liebe Jugend, daß sie sich doch gewöhnen sollen, dem auswendig-gelernten Tag und Nacht, unter der Arbeit, wo sie gehen und stehen, ligen und sitzen, nachzudencken; anbey den Vater in dem Himmel zu bitten um den Heiligen Geist, daß er sich doch um JESU willen über sie erbarmen, Hertz und Sinn eröffnen und solche Leute aus ihnen machen
wolle,
Cap. 2. Die zweyte Quelle
§. 21.
Sollen aber die erlernte heilige Wahrheiten ſo- thane Seligkeiten in den zarten Seelen ausgebaͤh- ren, ſo iſts unumgaͤnglich noͤthig, daß dieſelben nicht blos auswendig im Kopff ligen, ſondern durch den lebendig-machenden Geiſt JESU innwendig im Verſtand und Willen begoſſen, er- oͤffnet und zum bluͤhen und Fruͤchte-bringen rege gemachet werden, damit alſo das Hertz von Luſt und Liebe zu JEſu recht brenne. Der Kopff iſt der Speicher/ wo der Saamen erſticken, verfaulen oder vom Ungeziefer gefreſſen werden kan; das Hertz hingegen iſt der Acker/ und wann der wohl gewartet wird, ſo traͤgt der Saa- me auch etwas fuͤr das Zukuͤnfftige in Zeit und Ewigkeit. Ach wo das Nachſinnen fehlet und der Hunger nach der wuͤrcklichen Beſitzung der Sache in der Krafft und im Weſen ferne bleibet, da iſt Catechismus und alles nur allzubald wieder vergeſſen und verſchwunden.
§. 22.
Aus dieſer Urſache bitte und flehe ich die liebe Jugend, daß ſie ſich doch gewoͤhnen ſollen, dem auswendig-gelernten Tag und Nacht, unter der Arbeit, wo ſie gehen und ſtehen, ligen und ſitzen, nachzudencken; anbey den Vater in dem Himmel zu bitten um den Heiligen Geiſt, daß er ſich doch um JESU willen uͤber ſie erbarmen, Hertz und Sinn eroͤffnen und ſolche Leute aus ihnen machen
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Cap. 2. Die zweyte Quelle
§. 21.
Sollen aber die erlernte heilige Wahrheiten ſo-
thane Seligkeiten in den zarten Seelen ausgebaͤh-
ren, ſo iſts unumgaͤnglich noͤthig, daß dieſelben
nicht blos auswendig im Kopff ligen, ſondern
durch den lebendig-machenden Geiſt JESU
innwendig im Verſtand und Willen begoſſen, er-
oͤffnet und zum bluͤhen und Fruͤchte-bringen rege
gemachet werden, damit alſo das Hertz von Luſt
und Liebe zu JEſu recht brenne. Der Kopff
iſt der Speicher/ wo der Saamen erſticken,
verfaulen oder vom Ungeziefer gefreſſen werden
kan; das Hertz hingegen iſt der Acker/ und
wann der wohl gewartet wird, ſo traͤgt der Saa-
me auch etwas fuͤr das Zukuͤnfftige in Zeit und
Ewigkeit. Ach wo das Nachſinnen fehlet und
der Hunger nach der wuͤrcklichen Beſitzung der
Sache in der Krafft und im Weſen ferne bleibet,
da iſt Catechismus und alles nur allzubald wieder
vergeſſen und verſchwunden.
§. 22.
Aus dieſer Urſache bitte und flehe ich die liebe
Jugend, daß ſie ſich doch gewoͤhnen ſollen, dem
auswendig-gelernten Tag und Nacht, unter der
Arbeit, wo ſie gehen und ſtehen, ligen und ſitzen,
nachzudencken; anbey den Vater in dem Himmel
zu bitten um den Heiligen Geiſt, daß er ſich doch
um JESU willen uͤber ſie erbarmen, Hertz und
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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/136>, abgerufen am 23.11.2024.
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