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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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über die himmlische Perle.
Das vier und zwantzigste Capitel.
Das Himmelreich braucht sehr lange Weile und unverdrossene Wach-
barkeit ehe mans hat.

§. 1. Es ist also leicht zu erachten, daß weil das Werck groß, dieDie Perl
wird nicht
so auf den
Stutz er-
langt.

Reiß lang, die Sach auch von grosser Wichtigkeit ist, es langsam
zugehet; Einmahl weiß ich nichts anders, als daß in diesen unseren
Zeiten man kümmerlich darzu gelangt. Ja wann man die Sünd in
einem Streich könnte tödten, wie den Märtyreren das Haupt ward
abgeschlagen, so sollte man noch wackere Christen finden, aber da
kommt das arge Fleisch immer wieder, und lasset der Seel weder
Rast noch Ruhe, es ist ein solch tieffer Sumpf und Pfuhl des Wusts
der Boßheit, daß man fast nie auf den Boden kommt, daß nicht
hier und da was unheiliges und ungöttliches hervorbrudle, von Zorn,
Lust, Forcht, Unglaub und Eigen-Gesuch; Da gehets an ein rau-
men und pumpen, ehe und bevor der goldene Grund des vollen Le-
bens JESU in der neuen Geburt zum Vorschein kommt: Welch
ein handlichs Gefecht muß unser liebe Kauffmann manchmahlen aus-
halten, ehe er nur ein Gläntzlein von der Perl zu sehen kriegt;
Wann ein Teutscher sich zu rechter Zeit bey der Perlen-Fischerey
in Orient einfinden wollte, müßte er täglich ein gut Stuck Wegs
zuruck legen, in einem Sprung kans nicht wohl seyn, es muß alle
Morgen heissen: Mein Glaub ist noch nicht sieghafft und mann-
lich, er kan noch wenig überwinden, meine Liebe ist noch gar zu
kräncklich, sie kan gar zu wenig ertragen, sie sucht das ihre, sie ist
eigennützig; Und so muß man sänfftiglich vergessen was dahinten,
und sich strecken nach dem Perl-Meer, dem Kleinod der vollkom-
menen Hertzens-Reinigkeit, und immer probieren Christi Willen
untadenlich zu thun, der kecken Hoffnung, daß wann es schon auf
ein- oder mehr mahl nicht gerathen will, man es dennoch gewiß er-
langen werd, wer aber bey jeder Versuchung unten ligt, und sich
der Sünd ergibt, und etwann jucks-weiß ein gut Wercklein thut,

wird
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uͤber die himmliſche Perle.
Das vier und zwantzigſte Capitel.
Das Himmelreich braucht ſehr lange Weile und unverdroſſene Wach-
barkeit ehe mans hat.

§. 1. Es iſt alſo leicht zu erachten, daß weil das Werck groß, dieDie Perl
wird nicht
ſo auf den
Stutz er-
langt.

Reiß lang, die Sach auch von groſſer Wichtigkeit iſt, es langſam
zugehet; Einmahl weiß ich nichts anders, als daß in dieſen unſeren
Zeiten man kuͤmmerlich darzu gelangt. Ja wann man die Suͤnd in
einem Streich koͤnnte toͤdten, wie den Maͤrtyreren das Haupt ward
abgeſchlagen, ſo ſollte man noch wackere Chriſten finden, aber da
kommt das arge Fleiſch immer wieder, und laſſet der Seel weder
Raſt noch Ruhe, es iſt ein ſolch tieffer Sumpf und Pfuhl des Wuſts
der Boßheit, daß man faſt nie auf den Boden kommt, daß nicht
hier und da was unheiliges und ungoͤttliches hervorbrudle, von Zorn,
Luſt, Forcht, Unglaub und Eigen-Geſuch; Da gehets an ein rau-
men und pumpen, ehe und bevor der goldene Grund des vollen Le-
bens JESU in der neuen Geburt zum Vorſchein kommt: Welch
ein handlichs Gefecht muß unſer liebe Kauffmann manchmahlen aus-
halten, ehe er nur ein Glaͤntzlein von der Perl zu ſehen kriegt;
Wann ein Teutſcher ſich zu rechter Zeit bey der Perlen-Fiſcherey
in Orient einfinden wollte, muͤßte er taͤglich ein gut Stuck Wegs
zuruck legen, in einem Sprung kans nicht wohl ſeyn, es muß alle
Morgen heiſſen: Mein Glaub iſt noch nicht ſieghafft und mann-
lich, er kan noch wenig uͤberwinden, meine Liebe iſt noch gar zu
kraͤncklich, ſie kan gar zu wenig ertragen, ſie ſucht das ihre, ſie iſt
eigennuͤtzig; Und ſo muß man ſaͤnfftiglich vergeſſen was dahinten,
und ſich ſtrecken nach dem Perl-Meer, dem Kleinod der vollkom-
menen Hertzens-Reinigkeit, und immer probieren Chriſti Willen
untadenlich zu thun, der kecken Hoffnung, daß wann es ſchon auf
ein- oder mehr mahl nicht gerathen will, man es dennoch gewiß er-
langen werd, wer aber bey jeder Verſuchung unten ligt, und ſich
der Suͤnd ergibt, und etwann jucks-weiß ein gut Wercklein thut,

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[889/0985] uͤber die himmliſche Perle. Das vier und zwantzigſte Capitel. Das Himmelreich braucht ſehr lange Weile und unverdroſſene Wach- barkeit ehe mans hat. §. 1. Es iſt alſo leicht zu erachten, daß weil das Werck groß, die Reiß lang, die Sach auch von groſſer Wichtigkeit iſt, es langſam zugehet; Einmahl weiß ich nichts anders, als daß in dieſen unſeren Zeiten man kuͤmmerlich darzu gelangt. Ja wann man die Suͤnd in einem Streich koͤnnte toͤdten, wie den Maͤrtyreren das Haupt ward abgeſchlagen, ſo ſollte man noch wackere Chriſten finden, aber da kommt das arge Fleiſch immer wieder, und laſſet der Seel weder Raſt noch Ruhe, es iſt ein ſolch tieffer Sumpf und Pfuhl des Wuſts der Boßheit, daß man faſt nie auf den Boden kommt, daß nicht hier und da was unheiliges und ungoͤttliches hervorbrudle, von Zorn, Luſt, Forcht, Unglaub und Eigen-Geſuch; Da gehets an ein rau- men und pumpen, ehe und bevor der goldene Grund des vollen Le- bens JESU in der neuen Geburt zum Vorſchein kommt: Welch ein handlichs Gefecht muß unſer liebe Kauffmann manchmahlen aus- halten, ehe er nur ein Glaͤntzlein von der Perl zu ſehen kriegt; Wann ein Teutſcher ſich zu rechter Zeit bey der Perlen-Fiſcherey in Orient einfinden wollte, muͤßte er taͤglich ein gut Stuck Wegs zuruck legen, in einem Sprung kans nicht wohl ſeyn, es muß alle Morgen heiſſen: Mein Glaub iſt noch nicht ſieghafft und mann- lich, er kan noch wenig uͤberwinden, meine Liebe iſt noch gar zu kraͤncklich, ſie kan gar zu wenig ertragen, ſie ſucht das ihre, ſie iſt eigennuͤtzig; Und ſo muß man ſaͤnfftiglich vergeſſen was dahinten, und ſich ſtrecken nach dem Perl-Meer, dem Kleinod der vollkom- menen Hertzens-Reinigkeit, und immer probieren Chriſti Willen untadenlich zu thun, der kecken Hoffnung, daß wann es ſchon auf ein- oder mehr mahl nicht gerathen will, man es dennoch gewiß er- langen werd, wer aber bey jeder Verſuchung unten ligt, und ſich der Suͤnd ergibt, und etwann jucks-weiß ein gut Wercklein thut, wird Die Perl wird nicht ſo auf den Stutz er- langt. U u u u u

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 889. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/985>, abgerufen am 13.11.2024.