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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Betrachtungen
die Schmertzen angenehm, daß man einen Eckel hat an Ehre und
Lust unter den Leuten, weilen man dardurch seinem gegeißleten GOtt
gar zu unähnlich wird. JESUS ist zur Stadt hinaus ge-
stossen
worden, damit er alle Sünden aus mir vertriebe, mich
als der rechte Ehren-König überall einnehme, besitze und beherrsche,
und dazu kan mein Glaube und Liebe ihne zwingen, oder er muß
mir sagen, was seine Ausführung zur Schedelstatt vor eine Be-
deutung habe, und ob ichs nicht wohl getroffen, daß es darum ge-
schehen, daß er mein Hertz zu einem Jerusalem, Paradieß und Re-
sidentz meines und seines GOTTES mache. Der ans Creutz
erhöhete von allen Teufeln aufs grausamste angefochtene und durch-
schossene, mit Höllen-Angst angefüllte, mit allen Machten der ewi-
gen Finsternuß ringende, im Zorn- und Jammer-Meer wattende,
in Angst, Qual, und unaussprechlichen Schmertzen begrabene, ja
von GOTT selbst in dieser allerschröcklichsten Dunckelheit und To-
des-Schatten verlassene JESUS ist mir ein mit Blut-rothen
Himmels-Früchten beladener Lebens-Baum, der wohl schön und
lieblich blühet; Nirgend auf der gantzen weiten Welt trifft ein
Sünder seinen GOTT und zukünfftigen Richter liebreicher und
Hülff-williger an, so voll himmlischer Segen, allwo das ewige Lie-
be-Meer den Damm zerbrochen, und uns mit Heyls-Flutten über-
schwemmet hat, daß unser Geist solche Liebe nicht mehr fassen kan,
sondern darinn ertrincken muß; Der allenthalben durchlö-
cherte
JESUS ist wie ein Bienen-Korb, allen klein-geworde-
nen, von denen Blumen des Evangeliums sich weidenden und mit
dem Stachel der ernsten Wachbarkeit allem Bösen wiederstehenden
Glaubigen offen stehend, daß sie durch diese allerheiligste Rubin-
Wunden ins Göttliche Wesen eindringen und im Honig der aller-
lautersten Jerusalems-Freude sich versencken können: O! Da ist
keine Gnade so hoch, keine Tugend so herrlich, kein Segen so hei-
lig, keine Erkanntnuß so klar und rein, keine Krafft also Majestä-
tisch und unüberwindlich, welche man nicht aus diesem Horn des
Heyls, der unendlichen Fülle Christi nehmen und als eine wohl ge-
zeitigte Frucht von diesem Glaubens-Baum dem gecreutzigten JE-
SU abbrechen könne.

§. 4.

Betrachtungen
die Schmertzen angenehm, daß man einen Eckel hat an Ehre und
Luſt unter den Leuten, weilen man dardurch ſeinem gegeißleten GOtt
gar zu unaͤhnlich wird. JESUS iſt zur Stadt hinaus ge-
ſtoſſen
worden, damit er alle Suͤnden aus mir vertriebe, mich
als der rechte Ehren-Koͤnig uͤberall einnehme, beſitze und beherrſche,
und dazu kan mein Glaube und Liebe ihne zwingen, oder er muß
mir ſagen, was ſeine Ausfuͤhrung zur Schedelſtatt vor eine Be-
deutung habe, und ob ichs nicht wohl getroffen, daß es darum ge-
ſchehen, daß er mein Hertz zu einem Jeruſalem, Paradieß und Re-
ſidentz meines und ſeines GOTTES mache. Der ans Creutz
erhoͤhete von allen Teufeln aufs grauſamſte angefochtene und durch-
ſchoſſene, mit Hoͤllen-Angſt angefuͤllte, mit allen Machten der ewi-
gen Finſternuß ringende, im Zorn- und Jammer-Meer wattende,
in Angſt, Qual, und unausſprechlichen Schmertzen begrabene, ja
von GOTT ſelbſt in dieſer allerſchroͤcklichſten Dunckelheit und To-
des-Schatten verlaſſene JESUS iſt mir ein mit Blut-rothen
Himmels-Fruͤchten beladener Lebens-Baum, der wohl ſchoͤn und
lieblich bluͤhet; Nirgend auf der gantzen weiten Welt trifft ein
Suͤnder ſeinen GOTT und zukuͤnfftigen Richter liebreicher und
Huͤlff-williger an, ſo voll himmliſcher Segen, allwo das ewige Lie-
be-Meer den Damm zerbrochen, und uns mit Heyls-Flutten uͤber-
ſchwemmet hat, daß unſer Geiſt ſolche Liebe nicht mehr faſſen kan,
ſondern darinn ertrincken muß; Der allenthalben durchloͤ-
cherte
JESUS iſt wie ein Bienen-Korb, allen klein-geworde-
nen, von denen Blumen des Evangeliums ſich weidenden und mit
dem Stachel der ernſten Wachbarkeit allem Boͤſen wiederſtehenden
Glaubigen offen ſtehend, daß ſie durch dieſe allerheiligſte Rubin-
Wunden ins Goͤttliche Weſen eindringen und im Honig der aller-
lauterſten Jeruſalems-Freude ſich verſencken koͤnnen: O! Da iſt
keine Gnade ſo hoch, keine Tugend ſo herrlich, kein Segen ſo hei-
lig, keine Erkanntnuß ſo klar und rein, keine Krafft alſo Majeſtaͤ-
tiſch und unuͤberwindlich, welche man nicht aus dieſem Horn des
Heyls, der unendlichen Fuͤlle Chriſti nehmen und als eine wohl ge-
zeitigte Frucht von dieſem Glaubens-Baum dem gecreutzigten JE-
SU abbrechen koͤnne.

§. 4.
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[880/0976] Betrachtungen die Schmertzen angenehm, daß man einen Eckel hat an Ehre und Luſt unter den Leuten, weilen man dardurch ſeinem gegeißleten GOtt gar zu unaͤhnlich wird. JESUS iſt zur Stadt hinaus ge- ſtoſſen worden, damit er alle Suͤnden aus mir vertriebe, mich als der rechte Ehren-Koͤnig uͤberall einnehme, beſitze und beherrſche, und dazu kan mein Glaube und Liebe ihne zwingen, oder er muß mir ſagen, was ſeine Ausfuͤhrung zur Schedelſtatt vor eine Be- deutung habe, und ob ichs nicht wohl getroffen, daß es darum ge- ſchehen, daß er mein Hertz zu einem Jeruſalem, Paradieß und Re- ſidentz meines und ſeines GOTTES mache. Der ans Creutz erhoͤhete von allen Teufeln aufs grauſamſte angefochtene und durch- ſchoſſene, mit Hoͤllen-Angſt angefuͤllte, mit allen Machten der ewi- gen Finſternuß ringende, im Zorn- und Jammer-Meer wattende, in Angſt, Qual, und unausſprechlichen Schmertzen begrabene, ja von GOTT ſelbſt in dieſer allerſchroͤcklichſten Dunckelheit und To- des-Schatten verlaſſene JESUS iſt mir ein mit Blut-rothen Himmels-Fruͤchten beladener Lebens-Baum, der wohl ſchoͤn und lieblich bluͤhet; Nirgend auf der gantzen weiten Welt trifft ein Suͤnder ſeinen GOTT und zukuͤnfftigen Richter liebreicher und Huͤlff-williger an, ſo voll himmliſcher Segen, allwo das ewige Lie- be-Meer den Damm zerbrochen, und uns mit Heyls-Flutten uͤber- ſchwemmet hat, daß unſer Geiſt ſolche Liebe nicht mehr faſſen kan, ſondern darinn ertrincken muß; Der allenthalben durchloͤ- cherte JESUS iſt wie ein Bienen-Korb, allen klein-geworde- nen, von denen Blumen des Evangeliums ſich weidenden und mit dem Stachel der ernſten Wachbarkeit allem Boͤſen wiederſtehenden Glaubigen offen ſtehend, daß ſie durch dieſe allerheiligſte Rubin- Wunden ins Goͤttliche Weſen eindringen und im Honig der aller- lauterſten Jeruſalems-Freude ſich verſencken koͤnnen: O! Da iſt keine Gnade ſo hoch, keine Tugend ſo herrlich, kein Segen ſo hei- lig, keine Erkanntnuß ſo klar und rein, keine Krafft alſo Majeſtaͤ- tiſch und unuͤberwindlich, welche man nicht aus dieſem Horn des Heyls, der unendlichen Fuͤlle Chriſti nehmen und als eine wohl ge- zeitigte Frucht von dieſem Glaubens-Baum dem gecreutzigten JE- SU abbrechen koͤnne. §. 4.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 880. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/976>, abgerufen am 03.07.2024.