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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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über die himmlische Perle.
miliaren Umgang mit ihnen mehr Schalckheit gegen GOTT und
Menschen antrifft, als man Anfangs gutes an ihnen zu finden ver-
meint hat.

§. 4. Und was etwan auch gut seyn möchte, ist nur Perlen-Staub,und wo
noch was
gutes ist,
da ists
meistens
sehr
unvoll-
kommen.

welches die Apothecker brauchen zur Geblüts-Reinigung und Dämpfung
der Säure; Dann es sind keine Leute also gifftig und tüchtig andere
zu exercieren als die Schein-Frommen, die schlimmeste Welt-Kinder
können nicht so viel zu schaffen geben, und folglich das Gemüth nicht
so rein, süß, demüthig, gelind machen und alle Bitterkeit benehmen,
als wie jene, sintemahl sie ihre Argheiten mit dem theuren Namen
GOttes und dem Tugend-Schein so gar fein und listig wissen zu be-
decken, daß sie ein gottsförchtiges Hertz rechtschaffen schröcken kön-
nen. Hiemit sind die einten Menschen auf der Welt ut corrigantur,
daß sie gebessert werden, und die andere ut corrigant alios, daß sie
andern zur Besserung helffen. Ein Meister der ein Kunst-Stück
verfertigen will, braucht allerhand Werckzeuge, aber wehe denen,
die andere so boßhafftiglich plagen, es wird ihnen doppelt wieder ein-
gemässen werden; Eine schöne glatte Perl mag auch wohl ein Kind-
lein mit Händgen anrühren, aber ein Jgel sticht allenthalben, wo
man ihn antastet, also sind so viele unabgestorbene Maul-Christen in
diesen unsern Tagen.

Andere mögen wohl etwas ordinari Frommkeit und Gottesforcht
haben, allein sie wissen wenig von dem biß auf den Tod ringenden
Kämpfen, um einzugehen durch die enge Port, und dem Himmel-
reich Gewalt anzuthun, sie gleichen denen Perlen von Mitternacht,
die man ohne sonderliche Mühe und Kösten haben kan, welche aber
bald und leicht bleich und gelb werden, und allen Schein verlieren,
sie sind etwann fromm wegen Mangel der Versuchungen oder weilen
sie also äusserlich auferzogen, oder sonst fromme Freunde, Verwand-
te und Nachbaren haben, deren Sprach und Sitten sie an sich ge-
nommen. Sie schicken sich aber keines wegs zu dem himmlischen aus
GOTT gebohrnen Volck.

Andere haben Licht, Erkanntnuß, und einen scharffen Verstand, sind
hochsinnig, tringen tieff hinein in die Geheimnussen des Himmelreichs,
führen ein unsträfflich Leben vor den Leuten, zeigen einen grossen Muth
vor die Wahrheit zu stehen, und sich mit der Welt in ein Gefecht
einzulassen, thun auch unterweilen groß-scheinende Liebes-Werck,

sonder-
O o o o o 3

uͤber die himmliſche Perle.
miliaren Umgang mit ihnen mehr Schalckheit gegen GOTT und
Menſchen antrifft, als man Anfangs gutes an ihnen zu finden ver-
meint hat.

§. 4. Und was etwan auch gut ſeyn moͤchte, iſt nur Perlen-Staub,und wo
noch was
gutes iſt,
da iſts
meiſtens
ſehr
unvoll-
kommen.

welches die Apothecker brauchen zur Gebluͤts-Reinigung und Daͤmpfung
der Saͤure; Dann es ſind keine Leute alſo gifftig und tuͤchtig andere
zu exercieren als die Schein-Frommen, die ſchlimmeſte Welt-Kinder
koͤnnen nicht ſo viel zu ſchaffen geben, und folglich das Gemuͤth nicht
ſo rein, ſuͤß, demuͤthig, gelind machen und alle Bitterkeit benehmen,
als wie jene, ſintemahl ſie ihre Argheiten mit dem theuren Namen
GOttes und dem Tugend-Schein ſo gar fein und liſtig wiſſen zu be-
decken, daß ſie ein gottsfoͤrchtiges Hertz rechtſchaffen ſchroͤcken koͤn-
nen. Hiemit ſind die einten Menſchen auf der Welt ut corrigantur,
daß ſie gebeſſert werden, und die andere ut corrigant alios, daß ſie
andern zur Beſſerung helffen. Ein Meiſter der ein Kunſt-Stuͤck
verfertigen will, braucht allerhand Werckzeuge, aber wehe denen,
die andere ſo boßhafftiglich plagen, es wird ihnen doppelt wieder ein-
gemaͤſſen werden; Eine ſchoͤne glatte Perl mag auch wohl ein Kind-
lein mit Haͤndgen anruͤhren, aber ein Jgel ſticht allenthalben, wo
man ihn antaſtet, alſo ſind ſo viele unabgeſtorbene Maul-Chriſten in
dieſen unſern Tagen.

Andere moͤgen wohl etwas ordinari Frommkeit und Gottesforcht
haben, allein ſie wiſſen wenig von dem biß auf den Tod ringenden
Kaͤmpfen, um einzugehen durch die enge Port, und dem Himmel-
reich Gewalt anzuthun, ſie gleichen denen Perlen von Mitternacht,
die man ohne ſonderliche Muͤhe und Koͤſten haben kan, welche aber
bald und leicht bleich und gelb werden, und allen Schein verlieren,
ſie ſind etwann fromm wegen Mangel der Verſuchungen oder weilen
ſie alſo aͤuſſerlich auferzogen, oder ſonſt fromme Freunde, Verwand-
te und Nachbaren haben, deren Sprach und Sitten ſie an ſich ge-
nommen. Sie ſchicken ſich aber keines wegs zu dem himmliſchen aus
GOTT gebohrnen Volck.

Andere haben Licht, Erkanntnuß, und einen ſcharffen Verſtand, ſind
hochſinnig, tringen tieff hinein in die Geheimnuſſen des Himmelreichs,
fuͤhren ein unſtraͤfflich Leben vor den Leuten, zeigen einen groſſen Muth
vor die Wahrheit zu ſtehen, und ſich mit der Welt in ein Gefecht
einzulaſſen, thun auch unterweilen groß-ſcheinende Liebes-Werck,

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[845/0941] uͤber die himmliſche Perle. miliaren Umgang mit ihnen mehr Schalckheit gegen GOTT und Menſchen antrifft, als man Anfangs gutes an ihnen zu finden ver- meint hat. §. 4. Und was etwan auch gut ſeyn moͤchte, iſt nur Perlen-Staub, welches die Apothecker brauchen zur Gebluͤts-Reinigung und Daͤmpfung der Saͤure; Dann es ſind keine Leute alſo gifftig und tuͤchtig andere zu exercieren als die Schein-Frommen, die ſchlimmeſte Welt-Kinder koͤnnen nicht ſo viel zu ſchaffen geben, und folglich das Gemuͤth nicht ſo rein, ſuͤß, demuͤthig, gelind machen und alle Bitterkeit benehmen, als wie jene, ſintemahl ſie ihre Argheiten mit dem theuren Namen GOttes und dem Tugend-Schein ſo gar fein und liſtig wiſſen zu be- decken, daß ſie ein gottsfoͤrchtiges Hertz rechtſchaffen ſchroͤcken koͤn- nen. Hiemit ſind die einten Menſchen auf der Welt ut corrigantur, daß ſie gebeſſert werden, und die andere ut corrigant alios, daß ſie andern zur Beſſerung helffen. Ein Meiſter der ein Kunſt-Stuͤck verfertigen will, braucht allerhand Werckzeuge, aber wehe denen, die andere ſo boßhafftiglich plagen, es wird ihnen doppelt wieder ein- gemaͤſſen werden; Eine ſchoͤne glatte Perl mag auch wohl ein Kind- lein mit Haͤndgen anruͤhren, aber ein Jgel ſticht allenthalben, wo man ihn antaſtet, alſo ſind ſo viele unabgeſtorbene Maul-Chriſten in dieſen unſern Tagen. und wo noch was gutes iſt, da iſts meiſtens ſehr unvoll- kommen. Andere moͤgen wohl etwas ordinari Frommkeit und Gottesforcht haben, allein ſie wiſſen wenig von dem biß auf den Tod ringenden Kaͤmpfen, um einzugehen durch die enge Port, und dem Himmel- reich Gewalt anzuthun, ſie gleichen denen Perlen von Mitternacht, die man ohne ſonderliche Muͤhe und Koͤſten haben kan, welche aber bald und leicht bleich und gelb werden, und allen Schein verlieren, ſie ſind etwann fromm wegen Mangel der Verſuchungen oder weilen ſie alſo aͤuſſerlich auferzogen, oder ſonſt fromme Freunde, Verwand- te und Nachbaren haben, deren Sprach und Sitten ſie an ſich ge- nommen. Sie ſchicken ſich aber keines wegs zu dem himmliſchen aus GOTT gebohrnen Volck. Andere haben Licht, Erkanntnuß, und einen ſcharffen Verſtand, ſind hochſinnig, tringen tieff hinein in die Geheimnuſſen des Himmelreichs, fuͤhren ein unſtraͤfflich Leben vor den Leuten, zeigen einen groſſen Muth vor die Wahrheit zu ſtehen, und ſich mit der Welt in ein Gefecht einzulaſſen, thun auch unterweilen groß-ſcheinende Liebes-Werck, ſonder- O o o o o 3

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 845. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/941>, abgerufen am 22.11.2024.