ter und erweckter Seelen, damit man in seiner Tadelsucht und Ausbrieffung der Gebrechen der Brüder ja nicht zu schanden werde, welches je ein traurig Zeichen, daß wohl nicht JEsus, sondern der gehäßige, neidige Teufel die Meisterschafft im Hertzen hat, andere wollen neutral seyn, daß weder GOTT noch der Teufel in ihnen seye; Allein diese sind am allerschändlichsten betrogen. Mensch traue ihnen nicht! Noch von andern weißt man nicht, wie man mit ihnen daran ist, weilen man fast nicht sagen kan ob das Böse oder das Gute stärcker in ihnen seye; Ach wie sind doch die recht edle Perlen-Gewächse so rar und seltsam auf Erden worden, daß man fast ehender Perlen und Rubinen am Ufer des Stroms Mryn funde als Menschen, die in allem ihrem Thun und Lassen den Sinn JEsu suchten auszudrucken, in ruhiger, steter Ubergab ihrer selbst, seiner Würckung, seinem Gnaden-Einfluß, also daß, man möchte sie auch rollen, kehren und wenden, wie man wollte, man überall nichts spüren könnte auf al- len Seiten, als sanffte aus Christi Salbung fliessende Gelassenheit und weisse Unschuld und Lauterkeit; Sich weder an Freunden noch Feinden zu verschulden in der Empfindlichkeit der Natur.
Wer JE- sum hat, der liebet ihn brün- stiglich. Solche Liebe aber ist nun durchge- hends rar,
§. 3. (2.) Wer einmal JEsum hat, der liebt ihn nimmer satt. Wo JEsus ist, da schließt man ihn ins Hertze ein als ein schön gol- denes Kistlein, da sehnet sich die Seele nach einer von allen Neben- Absichten geläuterten Seraphinischen Liebe nur um JEsum wohl zu logieren, da flehet man zu GOtt um die genaueste Zucht des heiligen Geistes, daß er doch allen Welt-Mist hinaus werffe, die Seele durchaus säubere von aller Ubereinstimmung mit den Maximen, Le- bens-Reglen, Tichten, Trachten, Freud und Vertrauen derjenigen, so das höchste Gut, den allein seeligen, allein wahrhafften, mächti- gen, reichen, lieb-vollen, mildthätigen GOTT nicht kennen, nicht lieben, nicht trauen, sintemahl wo etwas von dem Mist des irrdischen Sinns nur in einem Winckel geheget und vertheidiget wird, da wird die Perl verscharret, verdeckt oder wenigstens verduncklet, daß der gött- liche Freuden-Schein aus JESU nicht hindurch brechen kan; Erblickt man gleich unterweilen etwas gutes, das nach dem Himmelreich rie- chet, also daß man sich als an einem Liebhaber und Finder der Perl zu erquicken gedencket, so wird man bald von dem in ihren Seelen häuffig ligenden Schein-Glaß geritzt und verletzt, indem man im fa-
milia-
Betrachtungen
ter und erweckter Seelen, damit man in ſeiner Tadelſucht und Ausbrieffung der Gebrechen der Bruͤder ja nicht zu ſchanden werde, welches je ein traurig Zeichen, daß wohl nicht JEſus, ſondern der gehaͤßige, neidige Teufel die Meiſterſchafft im Hertzen hat, andere wollen neutral ſeyn, daß weder GOTT noch der Teufel in ihnen ſeye; Allein dieſe ſind am allerſchaͤndlichſten betrogen. Menſch traue ihnen nicht! Noch von andern weißt man nicht, wie man mit ihnen daran iſt, weilen man faſt nicht ſagen kan ob das Boͤſe oder das Gute ſtaͤrcker in ihnen ſeye; Ach wie ſind doch die recht edle Perlen-Gewaͤchſe ſo rar und ſeltſam auf Erden worden, daß man faſt ehender Perlen und Rubinen am Ufer des Stroms Mꝛyn funde als Menſchen, die in allem ihrem Thun und Laſſen den Sinn JEſu ſuchten auszudrucken, in ruhiger, ſteter Ubergab ihrer ſelbſt, ſeiner Wuͤrckung, ſeinem Gnaden-Einfluß, alſo daß, man moͤchte ſie auch rollen, kehren und wenden, wie man wollte, man uͤberall nichts ſpuͤren koͤnnte auf al- len Seiten, als ſanffte aus Chriſti Salbung flieſſende Gelaſſenheit und weiſſe Unſchuld und Lauterkeit; Sich weder an Freunden noch Feinden zu verſchulden in der Empfindlichkeit der Natur.
Wer JE- ſum hat, der liebet ihn bruͤn- ſtiglich. Solche Liebe aber iſt nun durchge- hends raꝛ,
§. 3. (2.) Wer einmal JEſum hat, der liebt ihn nimmer ſatt. Wo JEſus iſt, da ſchließt man ihn ins Hertze ein als ein ſchoͤn gol- denes Kiſtlein, da ſehnet ſich die Seele nach einer von allen Neben- Abſichten gelaͤuterten Seraphiniſchen Liebe nur um JEſum wohl zu logieren, da flehet man zu GOtt um die genaueſte Zucht des heiligen Geiſtes, daß er doch allen Welt-Miſt hinaus werffe, die Seele durchaus ſaͤubere von aller Ubereinſtimmung mit den Maximen, Le- bens-Reglen, Tichten, Trachten, Freud und Vertrauen derjenigen, ſo das hoͤchſte Gut, den allein ſeeligen, allein wahrhafften, maͤchti- gen, reichen, lieb-vollen, mildthaͤtigen GOTT nicht kennen, nicht lieben, nicht trauen, ſintemahl wo etwas von dem Miſt des irrdiſchen Sinns nur in einem Winckel geheget und vertheidiget wird, da wird die Perl verſcharret, verdeckt oder wenigſtens verduncklet, daß der goͤtt- liche Freuden-Schein aus JESU nicht hindurch brechen kan; Erblickt man gleich unterweilen etwas gutes, das nach dem Himmelreich rie- chet, alſo daß man ſich als an einem Liebhaber und Finder der Perl zu erquicken gedencket, ſo wird man bald von dem in ihren Seelen haͤuffig ligenden Schein-Glaß geritzt und verletzt, indem man im fa-
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Betrachtungen
ter und erweckter Seelen, damit man in ſeiner Tadelſucht und
Ausbrieffung der Gebrechen der Bruͤder ja nicht zu ſchanden werde,
welches je ein traurig Zeichen, daß wohl nicht JEſus, ſondern der
gehaͤßige, neidige Teufel die Meiſterſchafft im Hertzen hat, andere
wollen neutral ſeyn, daß weder GOTT noch der Teufel in ihnen ſeye;
Allein dieſe ſind am allerſchaͤndlichſten betrogen. Menſch traue ihnen
nicht! Noch von andern weißt man nicht, wie man mit ihnen daran iſt,
weilen man faſt nicht ſagen kan ob das Boͤſe oder das Gute ſtaͤrcker in
ihnen ſeye; Ach wie ſind doch die recht edle Perlen-Gewaͤchſe ſo rar
und ſeltſam auf Erden worden, daß man faſt ehender Perlen und
Rubinen am Ufer des Stroms Mꝛyn funde als Menſchen, die in
allem ihrem Thun und Laſſen den Sinn JEſu ſuchten auszudrucken,
in ruhiger, ſteter Ubergab ihrer ſelbſt, ſeiner Wuͤrckung, ſeinem
Gnaden-Einfluß, alſo daß, man moͤchte ſie auch rollen, kehren und
wenden, wie man wollte, man uͤberall nichts ſpuͤren koͤnnte auf al-
len Seiten, als ſanffte aus Chriſti Salbung flieſſende Gelaſſenheit
und weiſſe Unſchuld und Lauterkeit; Sich weder an Freunden noch
Feinden zu verſchulden in der Empfindlichkeit der Natur.
§. 3. (2.) Wer einmal JEſum hat, der liebt ihn nimmer ſatt.
Wo JEſus iſt, da ſchließt man ihn ins Hertze ein als ein ſchoͤn gol-
denes Kiſtlein, da ſehnet ſich die Seele nach einer von allen Neben-
Abſichten gelaͤuterten Seraphiniſchen Liebe nur um JEſum wohl zu
logieren, da flehet man zu GOtt um die genaueſte Zucht des heiligen
Geiſtes, daß er doch allen Welt-Miſt hinaus werffe, die Seele
durchaus ſaͤubere von aller Ubereinſtimmung mit den Maximen, Le-
bens-Reglen, Tichten, Trachten, Freud und Vertrauen derjenigen,
ſo das hoͤchſte Gut, den allein ſeeligen, allein wahrhafften, maͤchti-
gen, reichen, lieb-vollen, mildthaͤtigen GOTT nicht kennen, nicht
lieben, nicht trauen, ſintemahl wo etwas von dem Miſt des irrdiſchen
Sinns nur in einem Winckel geheget und vertheidiget wird, da wird
die Perl verſcharret, verdeckt oder wenigſtens verduncklet, daß der goͤtt-
liche Freuden-Schein aus JESU nicht hindurch brechen kan; Erblickt
man gleich unterweilen etwas gutes, das nach dem Himmelreich rie-
chet, alſo daß man ſich als an einem Liebhaber und Finder der Perl
zu erquicken gedencket, ſo wird man bald von dem in ihren Seelen
haͤuffig ligenden Schein-Glaß geritzt und verletzt, indem man im fa-
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 844. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/940>, abgerufen am 22.11.2024.
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