aller Göttlichen im Paradieß verlohrnen Herrlichkeiten, Prärogati- ven, Vorzügen und Freyheiten, wie viel unendlich Gutes dem Leib und der Seele aus JEsu zuflieffe in Zeit und Ewigkeit, also daß kein Böses uns trucken kan, dessen man nicht bey JEsu vollkommen und auf ewig quitt und loß werde. Nichts Gutes ist zu wünschen und zu erden- cken, dessen man nicht auf unbegreiffliche Weise in JEsu theilhafftig werde, und o wie schön gläntzet er mit der ewigen Lebens-Kron! da- von aber weißt man im Welt-Nebel nichts gründliches; Man ist übersinnig oder tumm, und siehet nur die Muschelen von aussen her, und tringet nicht hinein biß auf die Perle, beförchtende, man möchte hernach von deren Schönheit so geblendet und gefangen werden, daß man nicht mehr nach dem sündlichen Willen handlen könnte, und in der Welt herumfladern.
§. 11. Cardanus schreibt: Praecisas quandoque manus Pisca-Die Perl Muschel beschädigt offt ihre Fänger. So tödtet die geistli- che Perl den alten Adam. toribus a margaritiferis ostreis, daß die Perlen-Muschlen manchmahl den Fischeren die Hände oder Finger abkneipen, ja er sagt, daß die Per- len-Schnecken eine heimliche Empfindung haben und ihnen ihren Schatz nicht gerne nehmen lassen, sondern denselben gleichsam mit heimlichem Sinn und Verstand wohl bewahren und den Menschen mißgönnen.
Also kan freylich der alte Adam, der seine Sünden-Glieder sich nicht will tödten und abschneiden lassen, JEsum die himmlische Perle in seiner Weißheit, Güte, Warheit und Heiligkeit nicht berühren; Es hat schon mancher probiert und aufs künstlichste versucht, ob er oh- ne Absterbung, mit denen hoffärtigen, eigenmächtigen, schwülstigen Gliederen der ungecreutzigten Natur JEsum erhaschen, und sich mit in der Welt brüsten könne, und als ein sonderbahrer Heiliger aufführen, aber es ist manchem übel mißlungen, oder wenigstens nicht ergangen, wie er gedacht; Jch selbst bin auch deren einer; Jch griff in Eigenheit nach dieser Perl und wollte darmit groß seyn und prangen unter den Menschen-Kinderen, aber mein holdseligster, weisester und allerge- treuester Hertzens-HERR, JEsus Christus, welcher ein HERR ist über alles, welchem gebühret Lob, Weißheit, Anbettung, Preiß und Ehre in allen Völckern; Der, der merckte den argen Schalcks- Tuck in mir und hiesse mich in Pein, Tod und Leyden gehen, und hat mir mit seinen harten Creutz-Schaalen bey nahe Händ und Füß abgekneipt, welches mir gute Hoffnung macht, GOTT werde mir
aus
uͤber die himmliſche Perle.
aller Goͤttlichen im Paradieß verlohrnen Herrlichkeiten, Praͤrogati- ven, Vorzuͤgen und Freyheiten, wie viel unendlich Gutes dem Leib und der Seele aus JEſu zuflieffe in Zeit und Ewigkeit, alſo daß kein Boͤſes uns trucken kan, deſſen man nicht bey JEſu vollkommen und auf ewig quitt und loß werde. Nichts Gutes iſt zu wuͤnſchen und zu erden- cken, deſſen man nicht auf unbegreiffliche Weiſe in JEſu theilhafftig werde, und o wie ſchoͤn glaͤntzet er mit der ewigen Lebens-Kron! da- von aber weißt man im Welt-Nebel nichts gruͤndliches; Man iſt uͤberſinnig oder tumm, und ſiehet nur die Muſchelen von auſſen her, und tringet nicht hinein biß auf die Perle, befoͤrchtende, man moͤchte hernach von deren Schoͤnheit ſo geblendet und gefangen werden, daß man nicht mehr nach dem ſuͤndlichen Willen handlen koͤnnte, und in der Welt herumfladern.
§. 11. Cardanus ſchreibt: Præciſas quandoque manus Piſca-Die Perl Muſchel beſchaͤdigt offt ihre Faͤnger. So toͤdtet die geiſtli- che Perl den alten Adam. toribus à margaritiferis oſtreis, daß die Perlen-Muſchlen manchmahl den Fiſcheren die Haͤnde oder Finger abkneipen, ja er ſagt, daß die Per- len-Schnecken eine heimliche Empfindung haben und ihnen ihren Schatz nicht gerne nehmen laſſen, ſondern denſelben gleichſam mit heimlichem Sinn und Verſtand wohl bewahren und den Menſchen mißgoͤnnen.
Alſo kan freylich der alte Adam, der ſeine Suͤnden-Glieder ſich nicht will toͤdten und abſchneiden laſſen, JEſum die himmliſche Perle in ſeiner Weißheit, Guͤte, Warheit und Heiligkeit nicht beruͤhren; Es hat ſchon mancher probiert und aufs kuͤnſtlichſte verſucht, ob er oh- ne Abſterbung, mit denen hoffaͤrtigen, eigenmaͤchtigen, ſchwuͤlſtigen Gliederen der ungecreutzigten Natur JEſum erhaſchen, und ſich mit in der Welt bruͤſten koͤnne, und als ein ſonderbahrer Heiliger auffuͤhren, aber es iſt manchem uͤbel mißlungen, oder wenigſtens nicht ergangen, wie er gedacht; Jch ſelbſt bin auch deren einer; Jch griff in Eigenheit nach dieſer Perl und wollte darmit groß ſeyn und prangen unter den Menſchen-Kinderen, aber mein holdſeligſter, weiſeſter und allerge- treueſter Hertzens-HERR, JEſus Chriſtus, welcher ein HERR iſt uͤber alles, welchem gebuͤhret Lob, Weißheit, Anbettung, Preiß und Ehre in allen Voͤlckern; Der, der merckte den argen Schalcks- Tuck in mir und hieſſe mich in Pein, Tod und Leyden gehen, und hat mir mit ſeinen harten Creutz-Schaalen bey nahe Haͤnd und Fuͤß abgekneipt, welches mir gute Hoffnung macht, GOTT werde mir
aus
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0935"n="839"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">uͤber die himmliſche Perle.</hi></fw><lb/>
aller Goͤttlichen im Paradieß verlohrnen Herrlichkeiten, Praͤrogati-<lb/>
ven, Vorzuͤgen und Freyheiten, wie viel unendlich Gutes dem Leib und<lb/>
der Seele aus JEſu zuflieffe in Zeit und Ewigkeit, alſo daß kein Boͤſes<lb/>
uns trucken kan, deſſen man nicht bey JEſu vollkommen und auf ewig<lb/>
quitt und loß werde. Nichts Gutes iſt zu wuͤnſchen und zu erden-<lb/>
cken, deſſen man nicht auf unbegreiffliche Weiſe in JEſu theilhafftig<lb/>
werde, und o wie ſchoͤn glaͤntzet er mit der ewigen Lebens-Kron! da-<lb/>
von aber weißt man im Welt-Nebel nichts gruͤndliches; Man iſt<lb/>
uͤberſinnig oder tumm, und ſiehet nur die Muſchelen von auſſen her,<lb/>
und tringet nicht hinein biß auf die Perle, befoͤrchtende, man moͤchte<lb/>
hernach von deren Schoͤnheit ſo geblendet und gefangen werden, daß<lb/>
man nicht mehr nach dem ſuͤndlichen Willen handlen koͤnnte, und in<lb/>
der Welt herumfladern.</p><lb/><p>§. 11. Cardanus ſchreibt: <hirendition="#aq">Præciſas quandoque manus Piſca-</hi><noteplace="right">Die Perl<lb/>
Muſchel<lb/>
beſchaͤdigt<lb/>
offt ihre<lb/>
Faͤnger.<lb/>
So toͤdtet<lb/>
die geiſtli-<lb/>
che Perl<lb/>
den alten<lb/>
Adam.</note><lb/><hirendition="#aq">toribus à margaritiferis oſtreis,</hi> daß die Perlen-Muſchlen manchmahl<lb/>
den Fiſcheren die Haͤnde oder Finger abkneipen, ja er ſagt, daß die Per-<lb/>
len-Schnecken eine heimliche Empfindung haben und ihnen ihren<lb/>
Schatz nicht gerne nehmen laſſen, ſondern denſelben gleichſam mit<lb/>
heimlichem Sinn und Verſtand wohl bewahren und den Menſchen<lb/>
mißgoͤnnen.</p><lb/><p>Alſo kan freylich der alte Adam, der ſeine Suͤnden-Glieder ſich<lb/>
nicht will toͤdten und abſchneiden laſſen, JEſum die himmliſche Perle<lb/>
in ſeiner Weißheit, Guͤte, Warheit und Heiligkeit nicht beruͤhren;<lb/>
Es hat ſchon mancher probiert und aufs kuͤnſtlichſte verſucht, ob er oh-<lb/>
ne Abſterbung, mit denen hoffaͤrtigen, eigenmaͤchtigen, ſchwuͤlſtigen<lb/>
Gliederen der ungecreutzigten Natur JEſum erhaſchen, und ſich mit in<lb/>
der Welt bruͤſten koͤnne, und als ein ſonderbahrer Heiliger auffuͤhren,<lb/>
aber es iſt manchem uͤbel mißlungen, oder wenigſtens nicht ergangen,<lb/>
wie er gedacht; Jch ſelbſt bin auch deren einer; Jch griff in Eigenheit<lb/>
nach dieſer Perl und wollte darmit groß ſeyn und prangen unter den<lb/>
Menſchen-Kinderen, aber mein holdſeligſter, weiſeſter und allerge-<lb/>
treueſter Hertzens-HERR, JEſus Chriſtus, welcher ein HERR<lb/>
iſt uͤber alles, welchem gebuͤhret Lob, Weißheit, Anbettung, Preiß<lb/>
und Ehre in allen Voͤlckern; Der, der merckte den argen Schalcks-<lb/>
Tuck in mir und hieſſe mich in Pein, Tod und Leyden gehen, und<lb/>
hat mir mit ſeinen harten Creutz-Schaalen bey nahe Haͤnd und Fuͤß<lb/>
abgekneipt, welches mir gute Hoffnung macht, GOTT werde mir<lb/><fwplace="bottom"type="catch">aus</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[839/0935]
uͤber die himmliſche Perle.
aller Goͤttlichen im Paradieß verlohrnen Herrlichkeiten, Praͤrogati-
ven, Vorzuͤgen und Freyheiten, wie viel unendlich Gutes dem Leib und
der Seele aus JEſu zuflieffe in Zeit und Ewigkeit, alſo daß kein Boͤſes
uns trucken kan, deſſen man nicht bey JEſu vollkommen und auf ewig
quitt und loß werde. Nichts Gutes iſt zu wuͤnſchen und zu erden-
cken, deſſen man nicht auf unbegreiffliche Weiſe in JEſu theilhafftig
werde, und o wie ſchoͤn glaͤntzet er mit der ewigen Lebens-Kron! da-
von aber weißt man im Welt-Nebel nichts gruͤndliches; Man iſt
uͤberſinnig oder tumm, und ſiehet nur die Muſchelen von auſſen her,
und tringet nicht hinein biß auf die Perle, befoͤrchtende, man moͤchte
hernach von deren Schoͤnheit ſo geblendet und gefangen werden, daß
man nicht mehr nach dem ſuͤndlichen Willen handlen koͤnnte, und in
der Welt herumfladern.
§. 11. Cardanus ſchreibt: Præciſas quandoque manus Piſca-
toribus à margaritiferis oſtreis, daß die Perlen-Muſchlen manchmahl
den Fiſcheren die Haͤnde oder Finger abkneipen, ja er ſagt, daß die Per-
len-Schnecken eine heimliche Empfindung haben und ihnen ihren
Schatz nicht gerne nehmen laſſen, ſondern denſelben gleichſam mit
heimlichem Sinn und Verſtand wohl bewahren und den Menſchen
mißgoͤnnen.
Die Perl
Muſchel
beſchaͤdigt
offt ihre
Faͤnger.
So toͤdtet
die geiſtli-
che Perl
den alten
Adam.
Alſo kan freylich der alte Adam, der ſeine Suͤnden-Glieder ſich
nicht will toͤdten und abſchneiden laſſen, JEſum die himmliſche Perle
in ſeiner Weißheit, Guͤte, Warheit und Heiligkeit nicht beruͤhren;
Es hat ſchon mancher probiert und aufs kuͤnſtlichſte verſucht, ob er oh-
ne Abſterbung, mit denen hoffaͤrtigen, eigenmaͤchtigen, ſchwuͤlſtigen
Gliederen der ungecreutzigten Natur JEſum erhaſchen, und ſich mit in
der Welt bruͤſten koͤnne, und als ein ſonderbahrer Heiliger auffuͤhren,
aber es iſt manchem uͤbel mißlungen, oder wenigſtens nicht ergangen,
wie er gedacht; Jch ſelbſt bin auch deren einer; Jch griff in Eigenheit
nach dieſer Perl und wollte darmit groß ſeyn und prangen unter den
Menſchen-Kinderen, aber mein holdſeligſter, weiſeſter und allerge-
treueſter Hertzens-HERR, JEſus Chriſtus, welcher ein HERR
iſt uͤber alles, welchem gebuͤhret Lob, Weißheit, Anbettung, Preiß
und Ehre in allen Voͤlckern; Der, der merckte den argen Schalcks-
Tuck in mir und hieſſe mich in Pein, Tod und Leyden gehen, und
hat mir mit ſeinen harten Creutz-Schaalen bey nahe Haͤnd und Fuͤß
abgekneipt, welches mir gute Hoffnung macht, GOTT werde mir
aus
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 839. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/935>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.