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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Betrachtungen

Zweifflest du nun keines wegs, eine so triumphierende Seeligkeit
werde dir gewiß zutheil werden, dein Suchen und Trachten werde nicht
vergebens seyn, so wirst du dich deines innerlichen Ernsts und sauren
Mühe nicht lassen verdriessen, obgleich Vernunfft und Unglaube sich ent-
gegen setzet. Du wirst immerfort dem Liebens-würdigsten Gut nach-
setzen; es bleibt bey Christi Wort: Wer sucht, der findt;
dem traue, dein Heyland kan ja nicht lügen. O GOtt! was haben
wir vor uns, wo wirs recht kennten, fürwahr, wir könnten keine Minu-
ten vom Suchen ablassen.

Woran es
fehle daß
die Ge-
meinschaft
JEsu bey
so grosser
Bücher-
Gelehrt-
heit, den-
noch un-
bekandt,
unbeliebt
und unge-
nossen
bleibe.

§. 4. Ach wie unbekannt und ungemein ist dann JEsus worden, mit
seinem himmlischen Sinn und seiner Geistes-Krafft; Es mag wohl in
dieser reichen und gewaltigen Handels-Stadt kein grosser Mangel seyn
an kostbahren Perlen und Edelgesteinen; Aber wie kommts, daß so we-
nige Besitzere sind von dieser Himmels-Perlen in einem Land, da das
wallende Liebe-Meer GOttes selbige ans Uffer wirfft, und in denen
Schaalen der Evangelischen Verheissungen anbeut; Ach wehe! daß so
viele bey diesem Kram-Laden vorbey und so nahe bey dieser Perl herum
und heran gehen, und dennoch des Schatzes nicht wahr nehmen, daß
sie sein begierig wurden! Wie heiß wird die Reue seyn in jener Welt,
daß man JEsum mit dem Himmelreich so nahe gehabt und doch nicht
gemerckt! Ach wo fehlts doch, daß so wenige Seelen JEsum im Her-
tzen und nicht nur im Munde haben?

Man su-
chet ihne
nicht früh
genug.

§. 5. Ant. Weil man ihn nicht sucht: Freylich, wann so viele See-
len ihrem ersten Gnaden-Zug getreulich nachgefolget und nach JEsu ge-
rungen und gehungeret hätten, in welch seligem, vertraulichen Umgang-
Stunden sie jetzt mit GOtt, wie Himmel hoch wäre allbereit der Le-
bens-Baum in ihnen aufgewachsen, welch einen Schatz an Göttlichen
Reichthümern der Gedult, Sanfftmuth, Reinheit, Heiligkeit, Liebe,
Demuth, Warheit, Gerechtigkeit, Gütigkeit hätten sie im Vorrath?
Welch innige und ungestörte Gemüths-Ruhe und süß sanfftes Seelen-
Vergnügen in Christi Schooß wurden sie im Alter geniessen, da sie erst,
nach dem die Jugend-Kräfften dahin, mit Zweiffel, Unmuth, Zorn,
Neid, ängstlicher Forcht und tausenderley peinigenden Affecten zu
kämpfen haben, wo sie nicht ins Teuffels-Wiegen gantz und gar einge-
schlummert sind. Vom herrschenden Unglauben, Hochmuth und Ei-
gen-Sinn nichts zu sagen, so auch eine rechte Höllen-Marter ist. O
es ist gar zu jämmerlich, wann man erst im viertzigsten, fünfftzigsten

Lebens-
Betrachtungen

Zweiffleſt du nun keines wegs, eine ſo triumphierende Seeligkeit
werde dir gewiß zutheil werden, dein Suchen und Trachten werde nicht
vergebens ſeyn, ſo wirſt du dich deines innerlichen Ernſts und ſauren
Muͤhe nicht laſſen verdrieſſen, obgleich Vernunfft und Unglaube ſich ent-
gegen ſetzet. Du wirſt immerfort dem Liebens-wuͤrdigſten Gut nach-
ſetzen; es bleibt bey Chriſti Wort: Wer ſucht, der findt;
dem traue, dein Heyland kan ja nicht luͤgen. O GOtt! was haben
wir vor uns, wo wirs recht kennten, fuͤrwahr, wir koͤnnten keine Minu-
ten vom Suchen ablaſſen.

Woran es
fehle daß
die Ge-
meinſchaft
JEſu bey
ſo groſſer
Buͤcher-
Gelehrt-
heit, den-
noch un-
bekandt,
unbeliebt
und unge-
noſſen
bleibe.

§. 4. Ach wie unbekannt und ungemein iſt dann JEſus worden, mit
ſeinem himmliſchen Sinn und ſeiner Geiſtes-Krafft; Es mag wohl in
dieſer reichen und gewaltigen Handels-Stadt kein groſſer Mangel ſeyn
an koſtbahren Perlen und Edelgeſteinen; Aber wie kommts, daß ſo we-
nige Beſitzere ſind von dieſer Himmels-Perlen in einem Land, da das
wallende Liebe-Meer GOttes ſelbige ans Uffer wirfft, und in denen
Schaalen der Evangeliſchen Verheiſſungen anbeut; Ach wehe! daß ſo
viele bey dieſem Kram-Laden vorbey und ſo nahe bey dieſer Perl herum
und heran gehen, und dennoch des Schatzes nicht wahr nehmen, daß
ſie ſein begierig wurden! Wie heiß wird die Reue ſeyn in jener Welt,
daß man JEſum mit dem Himmelreich ſo nahe gehabt und doch nicht
gemerckt! Ach wo fehlts doch, daß ſo wenige Seelen JEſum im Her-
tzen und nicht nur im Munde haben?

Man ſu-
chet ihne
nicht fruͤh
genug.

§. 5. Ant. Weil man ihn nicht ſucht: Freylich, wann ſo viele See-
len ihrem erſten Gnaden-Zug getreulich nachgefolget und nach JEſu ge-
rungen und gehungeret haͤtten, in welch ſeligem, vertraulichen Umgang-
Stunden ſie jetzt mit GOtt, wie Himmel hoch waͤre allbereit der Le-
bens-Baum in ihnen aufgewachſen, welch einen Schatz an Goͤttlichen
Reichthuͤmern der Gedult, Sanfftmuth, Reinheit, Heiligkeit, Liebe,
Demuth, Warheit, Gerechtigkeit, Guͤtigkeit haͤtten ſie im Vorrath?
Welch innige und ungeſtoͤrte Gemuͤths-Ruhe und ſuͤß ſanfftes Seelen-
Vergnuͤgen in Chriſti Schooß wurden ſie im Alter genieſſen, da ſie erſt,
nach dem die Jugend-Kraͤfften dahin, mit Zweiffel, Unmuth, Zorn,
Neid, aͤngſtlicher Forcht und tauſenderley peinigenden Affecten zu
kaͤmpfen haben, wo ſie nicht ins Teuffels-Wiegen gantz und gar einge-
ſchlummert ſind. Vom herrſchenden Unglauben, Hochmuth und Ei-
gen-Sinn nichts zu ſagen, ſo auch eine rechte Hoͤllen-Marter iſt. O
es iſt gar zu jaͤmmerlich, wann man erſt im viertzigſten, fuͤnfftzigſten

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[834/0930] Betrachtungen Zweiffleſt du nun keines wegs, eine ſo triumphierende Seeligkeit werde dir gewiß zutheil werden, dein Suchen und Trachten werde nicht vergebens ſeyn, ſo wirſt du dich deines innerlichen Ernſts und ſauren Muͤhe nicht laſſen verdrieſſen, obgleich Vernunfft und Unglaube ſich ent- gegen ſetzet. Du wirſt immerfort dem Liebens-wuͤrdigſten Gut nach- ſetzen; es bleibt bey Chriſti Wort: Wer ſucht, der findt; dem traue, dein Heyland kan ja nicht luͤgen. O GOtt! was haben wir vor uns, wo wirs recht kennten, fuͤrwahr, wir koͤnnten keine Minu- ten vom Suchen ablaſſen. §. 4. Ach wie unbekannt und ungemein iſt dann JEſus worden, mit ſeinem himmliſchen Sinn und ſeiner Geiſtes-Krafft; Es mag wohl in dieſer reichen und gewaltigen Handels-Stadt kein groſſer Mangel ſeyn an koſtbahren Perlen und Edelgeſteinen; Aber wie kommts, daß ſo we- nige Beſitzere ſind von dieſer Himmels-Perlen in einem Land, da das wallende Liebe-Meer GOttes ſelbige ans Uffer wirfft, und in denen Schaalen der Evangeliſchen Verheiſſungen anbeut; Ach wehe! daß ſo viele bey dieſem Kram-Laden vorbey und ſo nahe bey dieſer Perl herum und heran gehen, und dennoch des Schatzes nicht wahr nehmen, daß ſie ſein begierig wurden! Wie heiß wird die Reue ſeyn in jener Welt, daß man JEſum mit dem Himmelreich ſo nahe gehabt und doch nicht gemerckt! Ach wo fehlts doch, daß ſo wenige Seelen JEſum im Her- tzen und nicht nur im Munde haben? §. 5. Ant. Weil man ihn nicht ſucht: Freylich, wann ſo viele See- len ihrem erſten Gnaden-Zug getreulich nachgefolget und nach JEſu ge- rungen und gehungeret haͤtten, in welch ſeligem, vertraulichen Umgang- Stunden ſie jetzt mit GOtt, wie Himmel hoch waͤre allbereit der Le- bens-Baum in ihnen aufgewachſen, welch einen Schatz an Goͤttlichen Reichthuͤmern der Gedult, Sanfftmuth, Reinheit, Heiligkeit, Liebe, Demuth, Warheit, Gerechtigkeit, Guͤtigkeit haͤtten ſie im Vorrath? Welch innige und ungeſtoͤrte Gemuͤths-Ruhe und ſuͤß ſanfftes Seelen- Vergnuͤgen in Chriſti Schooß wurden ſie im Alter genieſſen, da ſie erſt, nach dem die Jugend-Kraͤfften dahin, mit Zweiffel, Unmuth, Zorn, Neid, aͤngſtlicher Forcht und tauſenderley peinigenden Affecten zu kaͤmpfen haben, wo ſie nicht ins Teuffels-Wiegen gantz und gar einge- ſchlummert ſind. Vom herrſchenden Unglauben, Hochmuth und Ei- gen-Sinn nichts zu ſagen, ſo auch eine rechte Hoͤllen-Marter iſt. O es iſt gar zu jaͤmmerlich, wann man erſt im viertzigſten, fuͤnfftzigſten Lebens-

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 834. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/930>, abgerufen am 22.11.2024.