aber in denen künfftigen Ewigkeiten kan mit keiner Feder beschrieben werden, weilen noch dato die Hoheit der Seeligkeit und Heerlich- keit jenes Lebens unbekannt ist: Daher es auch den Leuthen gemein- lich mehr zu Hertzen gehet, wann man von der höllischen Pein redt als von der Paradiesischen Freud, in dem wenig Menschen sind, die nicht etwan Wehe-Tagen gehabt und folglich wissen, was Schmer- tzen seyen; Da hingegen ein fleischlicher Mensch nicht weiß, was himmlische Süssigkeiten sind.
Verlust und Ge- winn der Frommen.
§. 4. Nimm hingegen vor dich ein frommes Kind GOttes: Was schadts, ob es nicht so reich, geehrt, vornehm, beliebt und ange- sehen ist, je lediger von Creaturen, je mehr Platz findet das Reich GOttes, was der Natur abgehet, gehet der Gnad zu, und ha[t] man desto weniger Theil an der Unruh und an dem Leben und Seel auszehrenden Gewüll im finstern Angstreich, dahin der Welt-Geist seine Anhänger hinreisset; Der Profit aber, so aus dem Gehorsam des Willens GOttes zufliesset in der ewigen Verbindung mit JE- su, kommt in keine Menschen Zahl, wann gleich alle Buchhalter daran rechneten biß an Jüngsten Tag.
Dieses haben Enoch, Noe, Abraham, Joseph, Daniel, Paulus über- schlagen, und gegen einander abgewogen; So viele Millionen Marty- rer haben im Uberrechnen befunden, daß dieser Zeit Leyden nicht gleich wäge der Herrlichkeit, die an uns soll geoffenbahret werden a.
§. 5. Jene zwey Kriegs Bediente, als sie in des Kaysers Gefolg nach Trier kamen, entzogen sich dem Getümmel, und allweil andere den Lustspielen zu sahen, giengen sie hin in kleine Hütten, darinn Knechte Christi und ernste Sucher der edlen Perl wohnten, allda fanden sie ein Buch, eine Lebens-Beschreibung eines H. Manns, durch dessen Lesung ihr Hertz also entzündet worden, daß einer zum andern sagte: "Freund, "was gedencken wir mit so unbeschreiblicher Mühe, Sorg, Arbeit und "Gefahr im Krieg zu erlangen? Jsts nicht deß Fürsten Gunst? Und "was Beschwärden haben wir zu übersteigen vor uns, ehe wir dazu "kommen? Wie viele gähe Felß-Schropfen werden wir auf unserm "Weg dahin finden? Und ob wirs erlangen, welch ein zerbrüchlich, "beneidetes Ding ist das? Summa, wir wären nur eines sterblichen "Menschen Günstling, und siehe grad jetzt alsobald kan ich, wann "ich will, ein Freund GOttes werden. Auf solche Weise re-
gierte
aRom. VIII. 18.
Betrachtungen
aber in denen kuͤnfftigen Ewigkeiten kan mit keiner Feder beſchrieben werden, weilen noch dato die Hoheit der Seeligkeit und Heerlich- keit jenes Lebens unbekannt iſt: Daher es auch den Leuthen gemein- lich mehr zu Hertzen gehet, wann man von der hoͤlliſchen Pein redt als von der Paradieſiſchen Freud, in dem wenig Menſchen ſind, die nicht etwan Wehe-Tagen gehabt und folglich wiſſen, was Schmer- tzen ſeyen; Da hingegen ein fleiſchlicher Menſch nicht weiß, was himmliſche Suͤſſigkeiten ſind.
Verluſt und Ge- winn der Frommen.
§. 4. Nimm hingegen vor dich ein frommes Kind GOttes: Was ſchadts, ob es nicht ſo reich, geehrt, vornehm, beliebt und ange- ſehen iſt, je lediger von Creaturen, je mehr Platz findet das Reich GOttes, was der Natur abgehet, gehet der Gnad zu, und ha[t] man deſto weniger Theil an der Unruh und an dem Leben und Seel auszehrenden Gewuͤll im finſtern Angſtreich, dahin der Welt-Geiſt ſeine Anhaͤnger hinreiſſet; Der Profit aber, ſo aus dem Gehorſam des Willens GOttes zuflieſſet in der ewigen Verbindung mit JE- ſu, kommt in keine Menſchen Zahl, wann gleich alle Buchhalter daran rechneten biß an Juͤngſten Tag.
Dieſes haben Enoch, Noe, Abraham, Joſeph, Daniel, Paulus uͤber- ſchlagen, und gegen einander abgewogen; So viele Millionen Marty- rer haben im Uberrechnen befunden, daß dieſer Zeit Leyden nicht gleich waͤge der Herrlichkeit, die an uns ſoll geoffenbahret werden a.
§. 5. Jene zwey Kriegs Bediente, als ſie in des Kayſers Gefolg nach Trier kamen, entzogen ſich dem Getuͤmmel, und allweil andere den Luſtſpielen zu ſahen, giengen ſie hin in kleine Huͤtten, darinn Knechte Chriſti und ernſte Sucher der edlen Perl wohnten, allda fanden ſie ein Buch, eine Lebens-Beſchreibung eines H. Manns, durch deſſen Leſung ihr Hertz alſo entzuͤndet worden, daß einer zum andern ſagte: „Freund, „was gedencken wir mit ſo unbeſchreiblicher Muͤhe, Sorg, Arbeit und „Gefahr im Krieg zu erlangen? Jſts nicht deß Fuͤrſten Gunſt? Und „was Beſchwaͤrden haben wir zu uͤberſteigen vor uns, ehe wir dazu „kommen? Wie viele gaͤhe Felß-Schropfen werden wir auf unſerm „Weg dahin finden? Und ob wirs erlangen, welch ein zerbruͤchlich, „beneidetes Ding iſt das? Summa, wir waͤren nur eines ſterblichen „Menſchen Guͤnſtling, und ſiehe grad jetzt alſobald kan ich, wann „ich will, ein Freund GOttes werden. Auf ſolche Weiſe re-
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aber in denen kuͤnfftigen Ewigkeiten kan mit keiner Feder beſchrieben
werden, weilen noch dato die Hoheit der Seeligkeit und Heerlich-
keit jenes Lebens unbekannt iſt: Daher es auch den Leuthen gemein-
lich mehr zu Hertzen gehet, wann man von der hoͤlliſchen Pein redt
als von der Paradieſiſchen Freud, in dem wenig Menſchen ſind,
die nicht etwan Wehe-Tagen gehabt und folglich wiſſen, was Schmer-
tzen ſeyen; Da hingegen ein fleiſchlicher Menſch nicht weiß, was
himmliſche Suͤſſigkeiten ſind.
§. 4. Nimm hingegen vor dich ein frommes Kind GOttes: Was
ſchadts, ob es nicht ſo reich, geehrt, vornehm, beliebt und ange-
ſehen iſt, je lediger von Creaturen, je mehr Platz findet das Reich
GOttes, was der Natur abgehet, gehet der Gnad zu, und hat
man deſto weniger Theil an der Unruh und an dem Leben und Seel
auszehrenden Gewuͤll im finſtern Angſtreich, dahin der Welt-Geiſt
ſeine Anhaͤnger hinreiſſet; Der Profit aber, ſo aus dem Gehorſam
des Willens GOttes zuflieſſet in der ewigen Verbindung mit JE-
ſu, kommt in keine Menſchen Zahl, wann gleich alle Buchhalter
daran rechneten biß an Juͤngſten Tag.
Dieſes haben Enoch, Noe, Abraham, Joſeph, Daniel, Paulus uͤber-
ſchlagen, und gegen einander abgewogen; So viele Millionen Marty-
rer haben im Uberrechnen befunden, daß dieſer Zeit Leyden nicht gleich
waͤge der Herrlichkeit, die an uns ſoll geoffenbahret werden a.
§. 5. Jene zwey Kriegs Bediente, als ſie in des Kayſers Gefolg
nach Trier kamen, entzogen ſich dem Getuͤmmel, und allweil andere den
Luſtſpielen zu ſahen, giengen ſie hin in kleine Huͤtten, darinn Knechte
Chriſti und ernſte Sucher der edlen Perl wohnten, allda fanden ſie ein
Buch, eine Lebens-Beſchreibung eines H. Manns, durch deſſen Leſung
ihr Hertz alſo entzuͤndet worden, daß einer zum andern ſagte: „Freund,
„was gedencken wir mit ſo unbeſchreiblicher Muͤhe, Sorg, Arbeit und
„Gefahr im Krieg zu erlangen? Jſts nicht deß Fuͤrſten Gunſt? Und
„was Beſchwaͤrden haben wir zu uͤberſteigen vor uns, ehe wir dazu
„kommen? Wie viele gaͤhe Felß-Schropfen werden wir auf unſerm
„Weg dahin finden? Und ob wirs erlangen, welch ein zerbruͤchlich,
„beneidetes Ding iſt das? Summa, wir waͤren nur eines ſterblichen
„Menſchen Guͤnſtling, und ſiehe grad jetzt alſobald kan ich, wann
„ich will, ein Freund GOttes werden. Auf ſolche Weiſe re-
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a Rom. VIII. 18.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 818. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/914>, abgerufen am 22.11.2024.
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