mels-Thau den Saamen und Ursprung der Perlen hilffet bilden.
Nun diese arme betrogene Seelen, wann sie meinen sie haben den rechten JEsum, so ists nur ein Bild, eine nachgemachte, gläserne, geschmückte Perle, Schein ohne Seyn, Schatten ohne Wesen, ein tod Vertrauen auf sich selbst, äusseren GOttes-Dienst, eitele Werck die der Natur nicht wehe thun und nicht so hoch zu stehen kommen, fleischliche Bemühungen in Singen, Lesen ohne Heiligen Geist, GOttes-Krafft, Licht und ewiges Leben. Und es kan nicht anders seyn, dann sie begehren nicht zu wissen, worinn eigentlich das unbeweg- liche Reich Christi bestehe, darum, wann ihnen die Augen aufgehen, so befinden sie sich mitten in Babel, da sie hoffeten ihre Füsse würden baldist stehen innert denen Thoren Jerusalems, sie erkennen alsdann erst, daß sie sich zu dem Schwarm der verfinsterten Maul-Christen ge- sellet, da sie vermeinten die klugen Jungfrauen zu ihren Reise-Gefehr- ten erwählet zu haben: Und da sie gedachten, sie hätten ihre Leibs- und Seelen-Kräfften an etwas gewandt daß der Mühe wohl werth seye, so sinds Güter dieses zergänglichen Lebens, wormit sie an dem Vor- gebirg der Ewigkeit anfahren, jämmerlich zerscheitern und von dem Strudel der Verzweifflung verschlungen werden mit ewiger Schand und Schmach, weilen sie nur Waaren der Eitelkeit an sich erhandlet, und nichts gültiges in der künfftigen Welt, nichts dem himmlischen König würdigers; der lugenhafften Welt-Lehr aber geglaubt, als wä- re es lauter heilig Evangelium, da sie aus dem goldenen Becher der grossen Huren getruncken, die auf vielen Wassern sitzet a, und ihr Geld dargewogen um dasjenige, das nicht Brod ist, und ihre Arbeit um dasjenige, davon sie nimmermehr können satt werden b.
Das zehende Capitel. Wie ein kluger Kauffmann alles so wohl überlege und gegen einander abwäge.
Vermah- nung zur Bedächt- lichkeit.
§. 1. Ach, kommet in Zeiten, und lernet von unserem Kauffmann! Lernet ihm ab, wie er sich halte gegen die gefundene Perle.
Kauff-Leute achten keine Gefahr, Ungemach, mühseligen Weg und Wetter. Wer sich durch Reichthum über seine Nachbaren hinauf schwingen will, reiset zu Wasser und Land, über Berg und Meer, siehet sich allenthalben vor, muß darbey Kunst-erfahren seyn, daß er
wisse,
a Offenb. XVII. 4.
bEsaj. LV. 2.
Betrachtungen
mels-Thau den Saamen und Urſprung der Perlen hilffet bilden.
Nun dieſe arme betrogene Seelen, wann ſie meinen ſie haben den rechten JEſum, ſo iſts nur ein Bild, eine nachgemachte, glaͤſerne, geſchmuͤckte Perle, Schein ohne Seyn, Schatten ohne Weſen, ein tod Vertrauen auf ſich ſelbſt, aͤuſſeren GOttes-Dienſt, eitele Werck die der Natur nicht wehe thun und nicht ſo hoch zu ſtehen kommen, fleiſchliche Bemuͤhungen in Singen, Leſen ohne Heiligen Geiſt, GOttes-Krafft, Licht und ewiges Leben. Und es kan nicht anders ſeyn, dann ſie begehren nicht zu wiſſen, worinn eigentlich das unbeweg- liche Reich Chriſti beſtehe, darum, wann ihnen die Augen aufgehen, ſo befinden ſie ſich mitten in Babel, da ſie hoffeten ihre Fuͤſſe wuͤrden baldiſt ſtehen innert denen Thoren Jeruſalems, ſie erkennen alsdann erſt, daß ſie ſich zu dem Schwarm der verfinſterten Maul-Chriſten ge- ſellet, da ſie vermeinten die klugen Jungfrauen zu ihren Reiſe-Gefehr- ten erwaͤhlet zu haben: Und da ſie gedachten, ſie haͤtten ihre Leibs- und Seelen-Kraͤfften an etwas gewandt daß der Muͤhe wohl werth ſeye, ſo ſinds Guͤter dieſes zergaͤnglichen Lebens, wormit ſie an dem Vor- gebirg der Ewigkeit anfahren, jaͤmmerlich zerſcheitern und von dem Strudel der Verzweifflung verſchlungen werden mit ewiger Schand und Schmach, weilen ſie nur Waaren der Eitelkeit an ſich erhandlet, und nichts guͤltiges in der kuͤnfftigen Welt, nichts dem himmliſchen Koͤnig wuͤrdigers; der lugenhafften Welt-Lehr aber geglaubt, als waͤ- re es lauter heilig Evangelium, da ſie aus dem goldenen Becher der groſſen Huren getruncken, die auf vielen Waſſern ſitzet a, und ihr Geld dargewogen um dasjenige, das nicht Brod iſt, und ihre Arbeit um dasjenige, davon ſie nimmermehr koͤnnen ſatt werden b.
Das zehende Capitel. Wie ein kluger Kauffmann alles ſo wohl uͤberlege und gegen einander abwaͤge.
Vermah- nung zur Bedaͤcht- lichkeit.
§. 1. Ach, kommet in Zeiten, und lernet von unſerem Kauffmann! Lernet ihm ab, wie er ſich halte gegen die gefundene Perle.
Kauff-Leute achten keine Gefahr, Ungemach, muͤhſeligen Weg und Wetter. Wer ſich durch Reichthum uͤber ſeine Nachbaren hinauf ſchwingen will, reiſet zu Waſſer und Land, uͤber Berg und Meer, ſiehet ſich allenthalben vor, muß darbey Kunſt-erfahren ſeyn, daß er
wiſſe,
a Offenb. XVII. 4.
bEſaj. LV. 2.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0912"n="816"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Betrachtungen</hi></fw><lb/>
mels-Thau den Saamen und Urſprung der Perlen hilffet bilden.</p><lb/><p>Nun dieſe arme betrogene Seelen, wann ſie meinen ſie haben den<lb/>
rechten JEſum, ſo iſts nur ein Bild, eine nachgemachte, glaͤſerne,<lb/>
geſchmuͤckte Perle, Schein ohne Seyn, Schatten ohne Weſen, ein<lb/>
tod Vertrauen auf ſich ſelbſt, aͤuſſeren GOttes-Dienſt, eitele Werck<lb/>
die der Natur nicht wehe thun und nicht ſo hoch zu ſtehen kommen,<lb/>
fleiſchliche Bemuͤhungen in Singen, Leſen ohne Heiligen Geiſt,<lb/>
GOttes-Krafft, Licht und ewiges Leben. Und es kan nicht anders<lb/>ſeyn, dann ſie begehren nicht zu wiſſen, worinn eigentlich das unbeweg-<lb/>
liche Reich Chriſti beſtehe, darum, wann ihnen die Augen aufgehen,<lb/>ſo befinden ſie ſich mitten in Babel, da ſie hoffeten ihre Fuͤſſe wuͤrden<lb/>
baldiſt ſtehen innert denen Thoren Jeruſalems, ſie erkennen alsdann<lb/>
erſt, daß ſie ſich zu dem Schwarm der verfinſterten Maul-Chriſten ge-<lb/>ſellet, da ſie vermeinten die klugen Jungfrauen zu ihren Reiſe-Gefehr-<lb/>
ten erwaͤhlet zu haben: Und da ſie gedachten, ſie haͤtten ihre Leibs- und<lb/>
Seelen-Kraͤfften an etwas gewandt daß der Muͤhe wohl werth ſeye,<lb/>ſo ſinds Guͤter dieſes zergaͤnglichen Lebens, wormit ſie an dem Vor-<lb/>
gebirg der Ewigkeit anfahren, jaͤmmerlich zerſcheitern und von dem<lb/>
Strudel der Verzweifflung verſchlungen werden mit ewiger Schand<lb/>
und Schmach, weilen ſie nur Waaren der Eitelkeit an ſich erhandlet,<lb/>
und nichts guͤltiges in der kuͤnfftigen Welt, nichts dem himmliſchen<lb/>
Koͤnig wuͤrdigers; der lugenhafften Welt-Lehr aber geglaubt, als waͤ-<lb/>
re es lauter heilig Evangelium, da ſie aus dem goldenen Becher der<lb/>
groſſen Huren getruncken, die auf vielen Waſſern ſitzet <noteplace="foot"n="a">Offenb. <hirendition="#aq">XVII.</hi> 4.</note>, und ihr<lb/>
Geld dargewogen um dasjenige, das nicht Brod iſt, und ihre Arbeit<lb/>
um dasjenige, davon ſie nimmermehr koͤnnen ſatt werden <noteplace="foot"n="b"><hirendition="#aq">Eſaj. LV.</hi> 2.</note>.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Das zehende Capitel.</hi><lb/><hirendition="#fr">Wie ein kluger Kauffmann alles ſo wohl uͤberlege und gegen einander<lb/>
abwaͤge.</hi></head><lb/><noteplace="left">Vermah-<lb/>
nung zur<lb/>
Bedaͤcht-<lb/>
lichkeit.</note><p>§. 1. Ach, kommet in Zeiten, und lernet von unſerem Kauffmann!<lb/>
Lernet ihm ab, wie er ſich halte gegen die gefundene Perle.</p><lb/><p>Kauff-Leute achten keine Gefahr, Ungemach, muͤhſeligen Weg und<lb/>
Wetter. Wer ſich durch Reichthum uͤber ſeine Nachbaren hinauf<lb/>ſchwingen will, reiſet zu Waſſer und Land, uͤber Berg und Meer,<lb/>ſiehet ſich allenthalben vor, muß darbey Kunſt-erfahren ſeyn, daß er<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wiſſe,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[816/0912]
Betrachtungen
mels-Thau den Saamen und Urſprung der Perlen hilffet bilden.
Nun dieſe arme betrogene Seelen, wann ſie meinen ſie haben den
rechten JEſum, ſo iſts nur ein Bild, eine nachgemachte, glaͤſerne,
geſchmuͤckte Perle, Schein ohne Seyn, Schatten ohne Weſen, ein
tod Vertrauen auf ſich ſelbſt, aͤuſſeren GOttes-Dienſt, eitele Werck
die der Natur nicht wehe thun und nicht ſo hoch zu ſtehen kommen,
fleiſchliche Bemuͤhungen in Singen, Leſen ohne Heiligen Geiſt,
GOttes-Krafft, Licht und ewiges Leben. Und es kan nicht anders
ſeyn, dann ſie begehren nicht zu wiſſen, worinn eigentlich das unbeweg-
liche Reich Chriſti beſtehe, darum, wann ihnen die Augen aufgehen,
ſo befinden ſie ſich mitten in Babel, da ſie hoffeten ihre Fuͤſſe wuͤrden
baldiſt ſtehen innert denen Thoren Jeruſalems, ſie erkennen alsdann
erſt, daß ſie ſich zu dem Schwarm der verfinſterten Maul-Chriſten ge-
ſellet, da ſie vermeinten die klugen Jungfrauen zu ihren Reiſe-Gefehr-
ten erwaͤhlet zu haben: Und da ſie gedachten, ſie haͤtten ihre Leibs- und
Seelen-Kraͤfften an etwas gewandt daß der Muͤhe wohl werth ſeye,
ſo ſinds Guͤter dieſes zergaͤnglichen Lebens, wormit ſie an dem Vor-
gebirg der Ewigkeit anfahren, jaͤmmerlich zerſcheitern und von dem
Strudel der Verzweifflung verſchlungen werden mit ewiger Schand
und Schmach, weilen ſie nur Waaren der Eitelkeit an ſich erhandlet,
und nichts guͤltiges in der kuͤnfftigen Welt, nichts dem himmliſchen
Koͤnig wuͤrdigers; der lugenhafften Welt-Lehr aber geglaubt, als waͤ-
re es lauter heilig Evangelium, da ſie aus dem goldenen Becher der
groſſen Huren getruncken, die auf vielen Waſſern ſitzet a, und ihr
Geld dargewogen um dasjenige, das nicht Brod iſt, und ihre Arbeit
um dasjenige, davon ſie nimmermehr koͤnnen ſatt werden b.
Das zehende Capitel.
Wie ein kluger Kauffmann alles ſo wohl uͤberlege und gegen einander
abwaͤge.
§. 1. Ach, kommet in Zeiten, und lernet von unſerem Kauffmann!
Lernet ihm ab, wie er ſich halte gegen die gefundene Perle.
Kauff-Leute achten keine Gefahr, Ungemach, muͤhſeligen Weg und
Wetter. Wer ſich durch Reichthum uͤber ſeine Nachbaren hinauf
ſchwingen will, reiſet zu Waſſer und Land, uͤber Berg und Meer,
ſiehet ſich allenthalben vor, muß darbey Kunſt-erfahren ſeyn, daß er
wiſſe,
a Offenb. XVII. 4.
b Eſaj. LV. 2.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 816. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/912>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.