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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Vorrede.
reitet sich insonderheit gern zu einer so ehr-würdigen, heiligen Sach
als da ist die Verhandlung Göttlichen Worts; Er nimmt allerdings
eine auserlesene oder von anderen vorgeschriebene Materi vor sich,
bittet aber zugleich den Urheber der Schrifft um Offenbahrung,
Weißheit und erleuchtete Augen, des Verstands um Entdeckung der
Augen zusehen die Wunder in seinem Gesetz, die göttliche Warheiten
ohne Kopfbrechen in der Lieblichkeit des H. Geistes einzusehen.

§. 7. Jch fande mich einmahlen in Gesellschafft hoch-gelehrterErläute-
rung
durch ein
Gleichniß.

welt-berühmter Männer, welche unter anderen diese Frag auf die
Bahn brachten: Obs nicht erlaubt seye, nach dem man ein eiffrige
wohl-gestudierte Predig abgelegt, das Kartenspiel hervor zu nehmen
und eins a l'ombre am Schatten um etwas geringes zu spielen, der
Grund ware, der Geist müßte auch seine Recreation und Ergötzlich-
keit haben, wer es ausstehen wollte seine Sinnen allezeit so hefftig
anzuspannen, der Kopff werde ja vom Meditiren, Memorisitiren
und Nachsinnen also matt und von dem zusammen Klauben aus Bü-
cheren und Schrifften hin und her also gar erschöpfft, daß er kurtz-
um nöthig habe mit etwas lustigen Schwäncken, Schertz-Gelächter
und Schimpf-Reden, Spielen und anderen anmuthigen, kurtzwei-
ligen Zeit-Vertreib zu recht gebracht ermuntert und erquickt zu wer-
den. Diese Frag beantwortete ich mit einer Gleichnuß. Es wa-
re ein König, der hatte einen sehr herrlichen, wunderbahren Gar-
ten voll vortrefflicher Blumen, Gesträuchen und Früchten; Darinn
liesse er zwey Jünglinge hereinbringen von gleich edlen Gaben und
Alter, doch mit dem Unterscheid, daß der einte ein scharff Gesicht,
Geruch und Geschmack hatte, der andere aber hatte deren keines,
er konnte weder sehen, noch riechen, noch kosten, wollte gleichwohl
wissen die mancherley Farben und Geruch der Blumen, die Schön-
heit und seltzame Gestalt der Gewächsen, und den verschiedenen Ge-
schmack der Früchten; aber o wie gieng das so schwer und mühselig
her, er fassete unzehliche Kunst-Wörter ins Gehirn, und hatte den-
noch keinen rechten Begriff davon, auch ware es ihm eine nicht ge-
ringe Marter und Pein alles ins Gedächtniß hinein zu karren um es
anderen hersagen zu können; ja es ware ihm ein Zwang und Unlust
daran zu gedencken. Es baten ihn aber einige deren die meisten auch
blind waren, er sollte ihnen etwas von dem Garten erzehlen, da
raffete er seine eingeschluckte Wörter und Bilder zusammen, brachte

alles

Vorrede.
reitet ſich inſonderheit gern zu einer ſo ehr-wuͤrdigen, heiligen Sach
als da iſt die Verhandlung Goͤttlichen Worts; Er nimmt allerdings
eine auserleſene oder von anderen vorgeſchriebene Materi vor ſich,
bittet aber zugleich den Urheber der Schrifft um Offenbahrung,
Weißheit und erleuchtete Augen, des Verſtands um Entdeckung der
Augen zuſehen die Wunder in ſeinem Geſetz, die goͤttliche Warheiten
ohne Kopfbrechen in der Lieblichkeit des H. Geiſtes einzuſehen.

§. 7. Jch fande mich einmahlen in Geſellſchafft hoch-gelehrterErlaͤute-
rung
durch ein
Gleichniß.

welt-beruͤhmter Maͤnner, welche unter anderen dieſe Frag auf die
Bahn brachten: Obs nicht erlaubt ſeye, nach dem man ein eiffrige
wohl-geſtudierte Predig abgelegt, das Kartenſpiel hervor zu nehmen
und eins à l’ombre am Schatten um etwas geringes zu ſpielen, der
Grund ware, der Geiſt muͤßte auch ſeine Recreation und Ergoͤtzlich-
keit haben, wer es ausſtehen wollte ſeine Sinnen allezeit ſo hefftig
anzuſpannen, der Kopff werde ja vom Meditiren, Memoriſitiren
und Nachſinnen alſo matt und von dem zuſammen Klauben aus Buͤ-
cheren und Schrifften hin und her alſo gar erſchoͤpfft, daß er kurtz-
um noͤthig habe mit etwas luſtigen Schwaͤncken, Schertz-Gelaͤchter
und Schimpf-Reden, Spielen und anderen anmuthigen, kurtzwei-
ligen Zeit-Vertreib zu recht gebracht ermuntert und erquickt zu wer-
den. Dieſe Frag beantwortete ich mit einer Gleichnuß. Es wa-
re ein Koͤnig, der hatte einen ſehr herrlichen, wunderbahren Gar-
ten voll vortrefflicher Blumen, Geſtraͤuchen und Fruͤchten; Darinn
lieſſe er zwey Juͤnglinge hereinbringen von gleich edlen Gaben und
Alter, doch mit dem Unterſcheid, daß der einte ein ſcharff Geſicht,
Geruch und Geſchmack hatte, der andere aber hatte deren keines,
er konnte weder ſehen, noch riechen, noch koſten, wollte gleichwohl
wiſſen die mancherley Farben und Geruch der Blumen, die Schoͤn-
heit und ſeltzame Geſtalt der Gewaͤchſen, und den verſchiedenen Ge-
ſchmack der Fruͤchten; aber o wie gieng das ſo ſchwer und muͤhſelig
her, er faſſete unzehliche Kunſt-Woͤrter ins Gehirn, und hatte den-
noch keinen rechten Begriff davon, auch ware es ihm eine nicht ge-
ringe Marter und Pein alles ins Gedaͤchtniß hinein zu karren um es
anderen herſagen zu koͤnnen; ja es ware ihm ein Zwang und Unluſt
daran zu gedencken. Es baten ihn aber einige deren die meiſten auch
blind waren, er ſollte ihnen etwas von dem Garten erzehlen, da
raffete er ſeine eingeſchluckte Woͤrter und Bilder zuſammen, brachte

alles
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[775/0871] Vorrede. reitet ſich inſonderheit gern zu einer ſo ehr-wuͤrdigen, heiligen Sach als da iſt die Verhandlung Goͤttlichen Worts; Er nimmt allerdings eine auserleſene oder von anderen vorgeſchriebene Materi vor ſich, bittet aber zugleich den Urheber der Schrifft um Offenbahrung, Weißheit und erleuchtete Augen, des Verſtands um Entdeckung der Augen zuſehen die Wunder in ſeinem Geſetz, die goͤttliche Warheiten ohne Kopfbrechen in der Lieblichkeit des H. Geiſtes einzuſehen. §. 7. Jch fande mich einmahlen in Geſellſchafft hoch-gelehrter welt-beruͤhmter Maͤnner, welche unter anderen dieſe Frag auf die Bahn brachten: Obs nicht erlaubt ſeye, nach dem man ein eiffrige wohl-geſtudierte Predig abgelegt, das Kartenſpiel hervor zu nehmen und eins à l’ombre am Schatten um etwas geringes zu ſpielen, der Grund ware, der Geiſt muͤßte auch ſeine Recreation und Ergoͤtzlich- keit haben, wer es ausſtehen wollte ſeine Sinnen allezeit ſo hefftig anzuſpannen, der Kopff werde ja vom Meditiren, Memoriſitiren und Nachſinnen alſo matt und von dem zuſammen Klauben aus Buͤ- cheren und Schrifften hin und her alſo gar erſchoͤpfft, daß er kurtz- um noͤthig habe mit etwas luſtigen Schwaͤncken, Schertz-Gelaͤchter und Schimpf-Reden, Spielen und anderen anmuthigen, kurtzwei- ligen Zeit-Vertreib zu recht gebracht ermuntert und erquickt zu wer- den. Dieſe Frag beantwortete ich mit einer Gleichnuß. Es wa- re ein Koͤnig, der hatte einen ſehr herrlichen, wunderbahren Gar- ten voll vortrefflicher Blumen, Geſtraͤuchen und Fruͤchten; Darinn lieſſe er zwey Juͤnglinge hereinbringen von gleich edlen Gaben und Alter, doch mit dem Unterſcheid, daß der einte ein ſcharff Geſicht, Geruch und Geſchmack hatte, der andere aber hatte deren keines, er konnte weder ſehen, noch riechen, noch koſten, wollte gleichwohl wiſſen die mancherley Farben und Geruch der Blumen, die Schoͤn- heit und ſeltzame Geſtalt der Gewaͤchſen, und den verſchiedenen Ge- ſchmack der Fruͤchten; aber o wie gieng das ſo ſchwer und muͤhſelig her, er faſſete unzehliche Kunſt-Woͤrter ins Gehirn, und hatte den- noch keinen rechten Begriff davon, auch ware es ihm eine nicht ge- ringe Marter und Pein alles ins Gedaͤchtniß hinein zu karren um es anderen herſagen zu koͤnnen; ja es ware ihm ein Zwang und Unluſt daran zu gedencken. Es baten ihn aber einige deren die meiſten auch blind waren, er ſollte ihnen etwas von dem Garten erzehlen, da raffete er ſeine eingeſchluckte Woͤrter und Bilder zuſammen, brachte alles Erlaͤute- rung durch ein Gleichniß.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 775. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/871>, abgerufen am 22.11.2024.