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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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hervor blühende Lilien-Zweig.
Pythagoras Lehr-Jünger, wann einer den anderen betrübt und är-
gert, sich vor Sonnen-Untergang zu versöhnen, und darauf gaben
sie einander die rechte Hand. Es ist überaus erquicklich, Tag und
Nacht lauter und stille seyn, vor dem in uns wohnenden GOTT,
und das finstere Gewölck je eher je besser vom heiligen Geist verwe-
hen lassen; dann es ist in der Welt nichts böß-artigers als der Teu-
fel, er fischet so gern im Trüben, und beneblet das Gemüth, und
macht alles so gar ungestümm und widerlich, daß die Seele in ih-
rer Zerrüttung, das sanffte, leinse Zusprechen des heiligen Geistes
nicht anhören noch das wolmeynende Einreden des aufrichtigsten
Freunds Christi vernehmen kan, und also ziehet uns der Menschen-
Feind ab vom Gebet, von Betrachtung heiliger Dingen, und von
der Belustigung in GOTT. Gewöhnen wir uns aber nicht viel
auf uns und unsere Sachen zuhalten, und nichts auf Erden son-
derlich zu begehren, so werden wir auch mehrere Ruh haben für
dem Zorn.

§. 8. Wann wir etwas mehr lieben als GOTT und den Näch-Die Ver-
gleichung
der Grün-
den wa-
rum man
zörnen
oder nicht
zörnen sol-
le, so wohl
als die
Betrach-
tung des
Schadens
ist ein
Mittel
wider den
Zorn.

sten, so ist der Zorn bald da; aber o wie geschwind wären wir zu-
frieden, wo wir nur alles mit der Wage des Heiligthums abwägen
wollten, und auf die einte Wagschalen legten ein zerbrochen Glaß,
eine verschüttete, oder übel zubereitete Tracht, eine schlechte Auf-
wart, ein schmächlich Wort, Beschimpfung, Untertruckung, ein
hartes Zuschlagen der Thür, ein Ausspeyen in ein sauber Gemach,
eine verächtliche Mine oder Gebärden, einen Flecken im Kleid, Ab-
schlagung eines Diensts, oder unseren Eigensinn, Ehre, Lust, Ge-
müths-Neigung, und auf die andere Wag-Schaale GOttes aller-
heiligsten Willen, die Gemeinschafft JEsu, den Trost des heiligen
Geistes, die Erbauung und Besserung der unsterblichen Seel un-
sers Nächsten. Ach! solten diese letzte allerwichtigste Ding nicht
weit überwiegen, und den Zorn, Groll, empfindlich raach-
gierig Andencken, aus unserem Sinn in die tieffste Hölle wegfal-
len machen? Sind doch jene Sachen vor einen weisen Mann, der
es recht ansiehet, wie er soll, nur Gauckeleyen und Lumpen-Ge-
zeug. Was gewinnet doch der arme Mensch mit dem Zorn?
Thut er sich nicht tausendmal mehr Schaden am Leib und Ge-

sundheit,

hervor bluͤhende Lilien-Zweig.
Pythagoras Lehr-Juͤnger, wann einer den anderen betruͤbt und aͤr-
gert, ſich vor Sonnen-Untergang zu verſoͤhnen, und darauf gaben
ſie einander die rechte Hand. Es iſt uͤberaus erquicklich, Tag und
Nacht lauter und ſtille ſeyn, vor dem in uns wohnenden GOTT,
und das finſtere Gewoͤlck je eher je beſſer vom heiligen Geiſt verwe-
hen laſſen; dann es iſt in der Welt nichts boͤß-artigers als der Teu-
fel, er fiſchet ſo gern im Truͤben, und beneblet das Gemuͤth, und
macht alles ſo gar ungeſtuͤmm und widerlich, daß die Seele in ih-
rer Zerruͤttung, das ſanffte, leinſe Zuſprechen des heiligen Geiſtes
nicht anhoͤren noch das wolmeynende Einreden des aufrichtigſten
Freunds Chriſti vernehmen kan, und alſo ziehet uns der Menſchen-
Feind ab vom Gebet, von Betrachtung heiliger Dingen, und von
der Beluſtigung in GOTT. Gewoͤhnen wir uns aber nicht viel
auf uns und unſere Sachen zuhalten, und nichts auf Erden ſon-
derlich zu begehren, ſo werden wir auch mehrere Ruh haben fuͤr
dem Zorn.

§. 8. Wann wir etwas mehr lieben als GOTT und den Naͤch-Die Ver-
gleichung
der Gruͤn-
den wa-
rum man
zoͤrnen
oder nicht
zoͤrnen ſol-
le, ſo wohl
als die
Betrach-
tung des
Schadens
iſt ein
Mittel
wider den
Zorn.

ſten, ſo iſt der Zorn bald da; aber o wie geſchwind waͤren wir zu-
frieden, wo wir nur alles mit der Wage des Heiligthums abwaͤgen
wollten, und auf die einte Wagſchalen legten ein zerbrochen Glaß,
eine verſchuͤttete, oder uͤbel zubereitete Tracht, eine ſchlechte Auf-
wart, ein ſchmaͤchlich Wort, Beſchimpfung, Untertruckung, ein
hartes Zuſchlagen der Thuͤr, ein Ausſpeyen in ein ſauber Gemach,
eine veraͤchtliche Mine oder Gebaͤrden, einen Flecken im Kleid, Ab-
ſchlagung eines Dienſts, oder unſeren Eigenſinn, Ehre, Luſt, Ge-
muͤths-Neigung, und auf die andere Wag-Schaale GOttes aller-
heiligſten Willen, die Gemeinſchafft JEſu, den Troſt des heiligen
Geiſtes, die Erbauung und Beſſerung der unſterblichen Seel un-
ſers Naͤchſten. Ach! ſolten dieſe letzte allerwichtigſte Ding nicht
weit uͤberwiegen, und den Zorn, Groll, empfindlich raach-
gierig Andencken, aus unſerem Sinn in die tieffſte Hoͤlle wegfal-
len machen? Sind doch jene Sachen vor einen weiſen Mann, der
es recht anſiehet, wie er ſoll, nur Gauckeleyen und Lumpen-Ge-
zeug. Was gewinnet doch der arme Menſch mit dem Zorn?
Thut er ſich nicht tauſendmal mehr Schaden am Leib und Ge-

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[751/0847] hervor bluͤhende Lilien-Zweig. Pythagoras Lehr-Juͤnger, wann einer den anderen betruͤbt und aͤr- gert, ſich vor Sonnen-Untergang zu verſoͤhnen, und darauf gaben ſie einander die rechte Hand. Es iſt uͤberaus erquicklich, Tag und Nacht lauter und ſtille ſeyn, vor dem in uns wohnenden GOTT, und das finſtere Gewoͤlck je eher je beſſer vom heiligen Geiſt verwe- hen laſſen; dann es iſt in der Welt nichts boͤß-artigers als der Teu- fel, er fiſchet ſo gern im Truͤben, und beneblet das Gemuͤth, und macht alles ſo gar ungeſtuͤmm und widerlich, daß die Seele in ih- rer Zerruͤttung, das ſanffte, leinſe Zuſprechen des heiligen Geiſtes nicht anhoͤren noch das wolmeynende Einreden des aufrichtigſten Freunds Chriſti vernehmen kan, und alſo ziehet uns der Menſchen- Feind ab vom Gebet, von Betrachtung heiliger Dingen, und von der Beluſtigung in GOTT. Gewoͤhnen wir uns aber nicht viel auf uns und unſere Sachen zuhalten, und nichts auf Erden ſon- derlich zu begehren, ſo werden wir auch mehrere Ruh haben fuͤr dem Zorn. §. 8. Wann wir etwas mehr lieben als GOTT und den Naͤch- ſten, ſo iſt der Zorn bald da; aber o wie geſchwind waͤren wir zu- frieden, wo wir nur alles mit der Wage des Heiligthums abwaͤgen wollten, und auf die einte Wagſchalen legten ein zerbrochen Glaß, eine verſchuͤttete, oder uͤbel zubereitete Tracht, eine ſchlechte Auf- wart, ein ſchmaͤchlich Wort, Beſchimpfung, Untertruckung, ein hartes Zuſchlagen der Thuͤr, ein Ausſpeyen in ein ſauber Gemach, eine veraͤchtliche Mine oder Gebaͤrden, einen Flecken im Kleid, Ab- ſchlagung eines Dienſts, oder unſeren Eigenſinn, Ehre, Luſt, Ge- muͤths-Neigung, und auf die andere Wag-Schaale GOttes aller- heiligſten Willen, die Gemeinſchafft JEſu, den Troſt des heiligen Geiſtes, die Erbauung und Beſſerung der unſterblichen Seel un- ſers Naͤchſten. Ach! ſolten dieſe letzte allerwichtigſte Ding nicht weit uͤberwiegen, und den Zorn, Groll, empfindlich raach- gierig Andencken, aus unſerem Sinn in die tieffſte Hoͤlle wegfal- len machen? Sind doch jene Sachen vor einen weiſen Mann, der es recht anſiehet, wie er ſoll, nur Gauckeleyen und Lumpen-Ge- zeug. Was gewinnet doch der arme Menſch mit dem Zorn? Thut er ſich nicht tauſendmal mehr Schaden am Leib und Ge- ſundheit, Die Ver- gleichung der Gruͤn- den wa- rum man zoͤrnen oder nicht zoͤrnen ſol- le, ſo wohl als die Betrach- tung des Schadens iſt ein Mittel wider den Zorn.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 751. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/847>, abgerufen am 22.11.2024.