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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Der unter den Stech-Disteln
ckende; unser Handwerck seye Lieben und Leiden, und wir seyen
hierzu beruffen a, daß alle Geschlechter der Erden, durch den in
uns wohnenden und herrschenden JEsum gesegnet, nicht betrübet,
beschämet, geärgert und zuruck gestossen werden sollen. Dieses
Balsam-Büchslein, den heilwärtigen Namen JESU soll ein Christ
stets bey sich tragen vor seine und seines Nächsten Wunden; Bal-
sam, zubereitet aus dem Wasser und Blut, so aus der Seiten un-
sers Heilands geronnen und nirgend in besser verwahret und aufbe-
halten wird, als in guldenen Büchslein der tieffen Ehr-Forcht vor
GOttes Gegenwart, und genauer Erforschung, wie man mit jeder
Gnaden-Stund, Liebes-Gab, auch Prob und Anfechtung gewu-
cheret, und wie man alles zum Wachsthum des Baums der göttli-
chen Liebe und dessen Fruchtbarkeit angewendet! Ein Christ ist klug
aufs Künfftige, er erschrickt von Hertzen, wann nur ein widerlicher
Gedancke gegen dem Nächsten in ihm aufsteiget, und so bald sich
Haß und Entfrembdung regen will, trittet er darauf, wie auf eine
Spinne; er ist zu vielem blind, taub und stumm, schweigt, über-
hört manches, tilget den Zorn mit Güte und Geschencken, wie Ja-
cob gegen Esau that! Er denckt; ist mein Widerfacher gottlos, so
ist er ohnedem elend genug: Jst er fromm, warum solt ich böse
seyn über GOttes Kind, und mein Mit-Glied? Wie offt beleidige
ich GOTT, und er thut mir doch Guts! Er richtet seinen Näch-
sten nicht, er deutet alles zum besten: Er denckt, auch diese Nach-
red, Scheltwort, Lästerung, Beschimpfung, Schaden wird in
kurtzem vergessen seyn, und ich so wol als alle Menschen, die davon
wissen, werden einer nach dem anderen wegsterben; hingegen wird
mein gut und böß Verhalten in allen Umständen eingeschrieben ins
Buch der Ewigkeit. Derowegen fallt er Christo zu Füssen, schreyet
wehmüthig und mit Thränen: O JEsu, mein Artzt und Heiland!
Schaue mitleidig an meine wol geplagte Seel, die der Teufel bald
ins Wasser der Wollust, bald ins Feuer des Zorns wirffet b; O
JEsu! wie lang soll dieses Elend noch währen? Du kanst und wilst mir
ja helffen! Hiermit fallt sie ihrem liebsten Seelen-Bräutigam um
den Hals, aus gar hertzlicher Zuversicht, und bittet ihn flehentlich
und spricht: Ach HErr! Es sind dir alle Ding möglich, verschaffe

doch,
a 1. Petr. III. 9.
b Marc. IX. 21.

Der unter den Stech-Diſteln
ckende; unſer Handwerck ſeye Lieben und Leiden, und wir ſeyen
hierzu beruffen a, daß alle Geſchlechter der Erden, durch den in
uns wohnenden und herrſchenden JEſum geſegnet, nicht betruͤbet,
beſchaͤmet, geaͤrgert und zuruck geſtoſſen werden ſollen. Dieſes
Balſam-Buͤchslein, den heilwaͤrtigen Namen JESU ſoll ein Chriſt
ſtets bey ſich tragen vor ſeine und ſeines Naͤchſten Wunden; Bal-
ſam, zubereitet aus dem Waſſer und Blut, ſo aus der Seiten un-
ſers Heilands geronnen und nirgend in beſſer verwahret und aufbe-
halten wird, als in guldenen Buͤchslein der tieffen Ehr-Forcht vor
GOttes Gegenwart, und genauer Erforſchung, wie man mit jeder
Gnaden-Stund, Liebes-Gab, auch Prob und Anfechtung gewu-
cheret, und wie man alles zum Wachsthum des Baums der goͤttli-
chen Liebe und deſſen Fruchtbarkeit angewendet! Ein Chriſt iſt klug
aufs Kuͤnfftige, er erſchrickt von Hertzen, wann nur ein widerlicher
Gedancke gegen dem Naͤchſten in ihm aufſteiget, und ſo bald ſich
Haß und Entfrembdung regen will, trittet er darauf, wie auf eine
Spinne; er iſt zu vielem blind, taub und ſtumm, ſchweigt, uͤber-
hoͤrt manches, tilget den Zorn mit Guͤte und Geſchencken, wie Ja-
cob gegen Eſau that! Er denckt; iſt mein Widerfacher gottlos, ſo
iſt er ohnedem elend genug: Jſt er fromm, warum ſolt ich boͤſe
ſeyn uͤber GOttes Kind, und mein Mit-Glied? Wie offt beleidige
ich GOTT, und er thut mir doch Guts! Er richtet ſeinen Naͤch-
ſten nicht, er deutet alles zum beſten: Er denckt, auch dieſe Nach-
red, Scheltwort, Laͤſterung, Beſchimpfung, Schaden wird in
kurtzem vergeſſen ſeyn, und ich ſo wol als alle Menſchen, die davon
wiſſen, werden einer nach dem anderen wegſterben; hingegen wird
mein gut und boͤß Verhalten in allen Umſtaͤnden eingeſchrieben ins
Buch der Ewigkeit. Derowegen fallt er Chriſto zu Fuͤſſen, ſchreyet
wehmuͤthig und mit Thraͤnen: O JEſu, mein Artzt und Heiland!
Schaue mitleidig an meine wol geplagte Seel, die der Teufel bald
ins Waſſer der Wolluſt, bald ins Feuer des Zorns wirffet b; O
JEſu! wie lang ſoll dieſes Elend noch waͤhren? Du kanſt und wilſt mir
ja helffen! Hiermit fallt ſie ihrem liebſten Seelen-Braͤutigam um
den Hals, aus gar hertzlicher Zuverſicht, und bittet ihn flehentlich
und ſpricht: Ach HErr! Es ſind dir alle Ding moͤglich, verſchaffe

doch,
a 1. Petr. III. 9.
b Marc. IX. 21.
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[748/0844] Der unter den Stech-Diſteln ckende; unſer Handwerck ſeye Lieben und Leiden, und wir ſeyen hierzu beruffen a, daß alle Geſchlechter der Erden, durch den in uns wohnenden und herrſchenden JEſum geſegnet, nicht betruͤbet, beſchaͤmet, geaͤrgert und zuruck geſtoſſen werden ſollen. Dieſes Balſam-Buͤchslein, den heilwaͤrtigen Namen JESU ſoll ein Chriſt ſtets bey ſich tragen vor ſeine und ſeines Naͤchſten Wunden; Bal- ſam, zubereitet aus dem Waſſer und Blut, ſo aus der Seiten un- ſers Heilands geronnen und nirgend in beſſer verwahret und aufbe- halten wird, als in guldenen Buͤchslein der tieffen Ehr-Forcht vor GOttes Gegenwart, und genauer Erforſchung, wie man mit jeder Gnaden-Stund, Liebes-Gab, auch Prob und Anfechtung gewu- cheret, und wie man alles zum Wachsthum des Baums der goͤttli- chen Liebe und deſſen Fruchtbarkeit angewendet! Ein Chriſt iſt klug aufs Kuͤnfftige, er erſchrickt von Hertzen, wann nur ein widerlicher Gedancke gegen dem Naͤchſten in ihm aufſteiget, und ſo bald ſich Haß und Entfrembdung regen will, trittet er darauf, wie auf eine Spinne; er iſt zu vielem blind, taub und ſtumm, ſchweigt, uͤber- hoͤrt manches, tilget den Zorn mit Guͤte und Geſchencken, wie Ja- cob gegen Eſau that! Er denckt; iſt mein Widerfacher gottlos, ſo iſt er ohnedem elend genug: Jſt er fromm, warum ſolt ich boͤſe ſeyn uͤber GOttes Kind, und mein Mit-Glied? Wie offt beleidige ich GOTT, und er thut mir doch Guts! Er richtet ſeinen Naͤch- ſten nicht, er deutet alles zum beſten: Er denckt, auch dieſe Nach- red, Scheltwort, Laͤſterung, Beſchimpfung, Schaden wird in kurtzem vergeſſen ſeyn, und ich ſo wol als alle Menſchen, die davon wiſſen, werden einer nach dem anderen wegſterben; hingegen wird mein gut und boͤß Verhalten in allen Umſtaͤnden eingeſchrieben ins Buch der Ewigkeit. Derowegen fallt er Chriſto zu Fuͤſſen, ſchreyet wehmuͤthig und mit Thraͤnen: O JEſu, mein Artzt und Heiland! Schaue mitleidig an meine wol geplagte Seel, die der Teufel bald ins Waſſer der Wolluſt, bald ins Feuer des Zorns wirffet b; O JEſu! wie lang ſoll dieſes Elend noch waͤhren? Du kanſt und wilſt mir ja helffen! Hiermit fallt ſie ihrem liebſten Seelen-Braͤutigam um den Hals, aus gar hertzlicher Zuverſicht, und bittet ihn flehentlich und ſpricht: Ach HErr! Es ſind dir alle Ding moͤglich, verſchaffe doch, a 1. Petr. III. 9. b Marc. IX. 21.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 748. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/844>, abgerufen am 22.11.2024.