Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Der unter den Stech-Disteln
Widrigkeit so gar auslösche, als das versöhnende Blut JEsu Chri-
sti, wann es von einer durch den zornigen Schlangen-Biß erhitzten
Seele eingesogen wird: Nichts kühlet dermassen wohl ab, als die
Lebens-Quell des Liebe wallenden Hertzen JESU a. Wem es gege-
ben ist zu glauben, daß ihm GOtt gnädig und günstig sey, und alle
Sünden verziehen habe, dem wird es leicht dem Nächsten auch wohl
gewogen zu seyn, der sich bey weitem nicht also hoch an ihm ver-
schuldet.

Als wel-
cher das
Haupt-
Mittel ist.

§. 3. Fürwahr ist der Glaube das Haupt-Mittel, weil er den Men-
schen neu gebieret, und ihm gar andere Neigungen und Eigenschaff-
ten einflösset. Alle Beweg-Gründe und Anweisungen sind vergebens,
und streichen in die Lufft hin, wo der Glaub das Hertz selbst nicht
gründlich verwandlet. Je steiffer sich der Mensch an GOttes Zusa-
ge haltet, je reichlicher würcket der H. Geist, und macht den Zu-
spruch in der Seelen kräfftig.

Dann oh-
ne densel-
ben seynd
alle Ab-
mahnun-
gen vom
Haß etc.
krafftloß.

§. 4. Ohne diesen mächtigen Glauben gehen alle Abmahnungen
von der Sünd, als zum Exempel, man soll nicht zürnen, hassen, eben
so wenig an, als wann ich einem Dornbusch vom frühen Morgen an
biß in die spate Nacht predigte und tausend von der Anständigkeit,
Anmuth, Nutzbarkeit oder Gefahr hergeleitete Gründ brächte, er
sollte doch nicht mehr so herbe Stachlen tragen, sondern süsse Trau-
ben oder Feigen, damit er dem Feuer entgehe, und in einen Fürstli-
chen Garten zu stehen komme. Jch würde ja damit nichts ausrichten,
und ihne wohl gar noch wilder machen; sonderlich wo er sein Unver-
mögen zu empfinden anfangt; oder auch nur hoffärtig, da es scheint,
als wann ich solch groß Wunder von ihm hoffete, und solche Wer-
cke die seinen elenden Zustand und Beschaffenheit weit übersteigen,
ihme zutrauete. Wann ich ihm aber anzeige, wie er könne zu einem
Weinstock und Feigen-Baum werden, da wachset ihm erst der rech-
te Muth, und höret er mich gern, so bald er die Möglichkeit siehet
anderst zu werden, und mithin auch andere Früchte hervor zu brin-
gen mit ringer Mühe, ja vielmehr mit grosser Freud und Lust. Und
das ist die Ursach, warum uns Christus mit wenig Gesetzen beladet;
Er erhebet uns nur zum Glauben mit vielen theuren Verheissungen
und unermeßlich vielen und grossen Wunder-Wercken, am allerbesten

aber
a Phil. I. 29.

Der unter den Stech-Diſteln
Widrigkeit ſo gar ausloͤſche, als das verſoͤhnende Blut JEſu Chri-
ſti, wann es von einer durch den zornigen Schlangen-Biß erhitzten
Seele eingeſogen wird: Nichts kuͤhlet dermaſſen wohl ab, als die
Lebens-Quell des Liebe wallenden Hertzen JESU a. Wem es gege-
ben iſt zu glauben, daß ihm GOtt gnaͤdig und guͤnſtig ſey, und alle
Suͤnden verziehen habe, dem wird es leicht dem Naͤchſten auch wohl
gewogen zu ſeyn, der ſich bey weitem nicht alſo hoch an ihm ver-
ſchuldet.

Als wel-
cher das
Haupt-
Mittel iſt.

§. 3. Fuͤrwahr iſt der Glaube das Haupt-Mittel, weil er den Men-
ſchen neu gebieret, und ihm gar andere Neigungen und Eigenſchaff-
ten einfloͤſſet. Alle Beweg-Gruͤnde und Anweiſungen ſind vergebens,
und ſtreichen in die Lufft hin, wo der Glaub das Hertz ſelbſt nicht
gruͤndlich verwandlet. Je ſteiffer ſich der Menſch an GOttes Zuſa-
ge haltet, je reichlicher wuͤrcket der H. Geiſt, und macht den Zu-
ſpruch in der Seelen kraͤfftig.

Dann oh-
ne denſel-
ben ſeynd
alle Ab-
mahnun-
gen vom
Haß ꝛc.
krafftloß.

§. 4. Ohne dieſen maͤchtigen Glauben gehen alle Abmahnungen
von der Suͤnd, als zum Exempel, man ſoll nicht zuͤrnen, haſſen, eben
ſo wenig an, als wann ich einem Dornbuſch vom fruͤhen Morgen an
biß in die ſpate Nacht predigte und tauſend von der Anſtaͤndigkeit,
Anmuth, Nutzbarkeit oder Gefahr hergeleitete Gruͤnd braͤchte, er
ſollte doch nicht mehr ſo herbe Stachlen tragen, ſondern ſuͤſſe Trau-
ben oder Feigen, damit er dem Feuer entgehe, und in einen Fuͤrſtli-
chen Garten zu ſtehen komme. Jch wuͤrde ja damit nichts ausrichten,
und ihne wohl gar noch wilder machen; ſonderlich wo er ſein Unver-
moͤgen zu empfinden anfangt; oder auch nur hoffaͤrtig, da es ſcheint,
als wann ich ſolch groß Wunder von ihm hoffete, und ſolche Wer-
cke die ſeinen elenden Zuſtand und Beſchaffenheit weit uͤberſteigen,
ihme zutrauete. Wann ich ihm aber anzeige, wie er koͤnne zu einem
Weinſtock und Feigen-Baum werden, da wachſet ihm erſt der rech-
te Muth, und hoͤret er mich gern, ſo bald er die Moͤglichkeit ſiehet
anderſt zu werden, und mithin auch andere Fruͤchte hervor zu brin-
gen mit ringer Muͤhe, ja vielmehr mit groſſer Freud und Luſt. Und
das iſt die Urſach, warum uns Chriſtus mit wenig Geſetzen beladet;
Er erhebet uns nur zum Glauben mit vielen theuren Verheiſſungen
und unermeßlich vielen und groſſen Wunder-Wercken, am allerbeſten

aber
a Phil. I. 29.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0812" n="716"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der unter den Stech-Di&#x017F;teln</hi></fw><lb/>
Widrigkeit &#x017F;o gar auslo&#x0364;&#x017F;che, als das ver&#x017F;o&#x0364;hnende Blut JE&#x017F;u Chri-<lb/>
&#x017F;ti, wann es von einer durch den zornigen Schlangen-Biß erhitzten<lb/>
Seele einge&#x017F;ogen wird: Nichts ku&#x0364;hlet derma&#x017F;&#x017F;en wohl ab, als die<lb/>
Lebens-Quell des Liebe wallenden Hertzen JESU <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">Phil. I.</hi> 29.</note>. Wem es gege-<lb/>
ben i&#x017F;t zu glauben, daß ihm GOtt gna&#x0364;dig und gu&#x0364;n&#x017F;tig &#x017F;ey, und alle<lb/>
Su&#x0364;nden verziehen habe, dem wird es leicht dem Na&#x0364;ch&#x017F;ten auch wohl<lb/>
gewogen zu &#x017F;eyn, der &#x017F;ich bey weitem nicht al&#x017F;o hoch an ihm ver-<lb/>
&#x017F;chuldet.</p><lb/>
          <note place="left">Als wel-<lb/>
cher das<lb/>
Haupt-<lb/>
Mittel i&#x017F;t.</note>
          <p>§. 3. Fu&#x0364;rwahr i&#x017F;t der Glaube das Haupt-Mittel, weil er den Men-<lb/>
&#x017F;chen neu gebieret, und ihm gar andere Neigungen und Eigen&#x017F;chaff-<lb/>
ten einflo&#x0364;&#x017F;&#x017F;et. Alle Beweg-Gru&#x0364;nde und Anwei&#x017F;ungen &#x017F;ind vergebens,<lb/>
und &#x017F;treichen in die Lufft hin, wo der Glaub das Hertz &#x017F;elb&#x017F;t nicht<lb/>
gru&#x0364;ndlich verwandlet. Je &#x017F;teiffer &#x017F;ich der Men&#x017F;ch an GOttes Zu&#x017F;a-<lb/>
ge haltet, je reichlicher wu&#x0364;rcket der H. Gei&#x017F;t, und macht den Zu-<lb/>
&#x017F;pruch in der Seelen kra&#x0364;fftig.</p><lb/>
          <note place="left">Dann oh-<lb/>
ne den&#x017F;el-<lb/>
ben &#x017F;eynd<lb/>
alle Ab-<lb/>
mahnun-<lb/>
gen vom<lb/>
Haß &#xA75B;c.<lb/>
krafftloß.</note>
          <p>§. 4. Ohne die&#x017F;en ma&#x0364;chtigen Glauben gehen alle Abmahnungen<lb/>
von der Su&#x0364;nd, als zum Exempel, man &#x017F;oll nicht zu&#x0364;rnen, ha&#x017F;&#x017F;en, eben<lb/>
&#x017F;o wenig an, als wann ich einem Dornbu&#x017F;ch vom fru&#x0364;hen Morgen an<lb/>
biß in die &#x017F;pate Nacht predigte und tau&#x017F;end von der An&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit,<lb/>
Anmuth, Nutzbarkeit oder Gefahr hergeleitete Gru&#x0364;nd bra&#x0364;chte, er<lb/>
&#x017F;ollte doch nicht mehr &#x017F;o herbe Stachlen tragen, &#x017F;ondern &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Trau-<lb/>
ben oder Feigen, damit er dem Feuer entgehe, und in einen Fu&#x0364;r&#x017F;tli-<lb/>
chen Garten zu &#x017F;tehen komme. Jch wu&#x0364;rde ja damit nichts ausrichten,<lb/>
und ihne wohl gar noch wilder machen; &#x017F;onderlich wo er &#x017F;ein Unver-<lb/>
mo&#x0364;gen zu empfinden anfangt; oder auch nur hoffa&#x0364;rtig, da es &#x017F;cheint,<lb/>
als wann ich &#x017F;olch groß Wunder von ihm hoffete, und &#x017F;olche Wer-<lb/>
cke die &#x017F;einen elenden Zu&#x017F;tand und Be&#x017F;chaffenheit weit u&#x0364;ber&#x017F;teigen,<lb/>
ihme zutrauete. Wann ich ihm aber anzeige, wie er ko&#x0364;nne zu einem<lb/>
Wein&#x017F;tock und Feigen-Baum werden, da wach&#x017F;et ihm er&#x017F;t der rech-<lb/>
te Muth, und ho&#x0364;ret er mich gern, &#x017F;o bald er die Mo&#x0364;glichkeit &#x017F;iehet<lb/>
ander&#x017F;t zu werden, und mithin auch andere Fru&#x0364;chte hervor zu brin-<lb/>
gen mit ringer Mu&#x0364;he, ja vielmehr mit gro&#x017F;&#x017F;er Freud und Lu&#x017F;t. Und<lb/>
das i&#x017F;t die Ur&#x017F;ach, warum uns Chri&#x017F;tus mit wenig Ge&#x017F;etzen beladet;<lb/>
Er erhebet uns nur zum Glauben mit vielen theuren Verhei&#x017F;&#x017F;ungen<lb/>
und unermeßlich vielen und gro&#x017F;&#x017F;en Wunder-Wercken, am allerbe&#x017F;ten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">aber</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[716/0812] Der unter den Stech-Diſteln Widrigkeit ſo gar ausloͤſche, als das verſoͤhnende Blut JEſu Chri- ſti, wann es von einer durch den zornigen Schlangen-Biß erhitzten Seele eingeſogen wird: Nichts kuͤhlet dermaſſen wohl ab, als die Lebens-Quell des Liebe wallenden Hertzen JESU a. Wem es gege- ben iſt zu glauben, daß ihm GOtt gnaͤdig und guͤnſtig ſey, und alle Suͤnden verziehen habe, dem wird es leicht dem Naͤchſten auch wohl gewogen zu ſeyn, der ſich bey weitem nicht alſo hoch an ihm ver- ſchuldet. §. 3. Fuͤrwahr iſt der Glaube das Haupt-Mittel, weil er den Men- ſchen neu gebieret, und ihm gar andere Neigungen und Eigenſchaff- ten einfloͤſſet. Alle Beweg-Gruͤnde und Anweiſungen ſind vergebens, und ſtreichen in die Lufft hin, wo der Glaub das Hertz ſelbſt nicht gruͤndlich verwandlet. Je ſteiffer ſich der Menſch an GOttes Zuſa- ge haltet, je reichlicher wuͤrcket der H. Geiſt, und macht den Zu- ſpruch in der Seelen kraͤfftig. §. 4. Ohne dieſen maͤchtigen Glauben gehen alle Abmahnungen von der Suͤnd, als zum Exempel, man ſoll nicht zuͤrnen, haſſen, eben ſo wenig an, als wann ich einem Dornbuſch vom fruͤhen Morgen an biß in die ſpate Nacht predigte und tauſend von der Anſtaͤndigkeit, Anmuth, Nutzbarkeit oder Gefahr hergeleitete Gruͤnd braͤchte, er ſollte doch nicht mehr ſo herbe Stachlen tragen, ſondern ſuͤſſe Trau- ben oder Feigen, damit er dem Feuer entgehe, und in einen Fuͤrſtli- chen Garten zu ſtehen komme. Jch wuͤrde ja damit nichts ausrichten, und ihne wohl gar noch wilder machen; ſonderlich wo er ſein Unver- moͤgen zu empfinden anfangt; oder auch nur hoffaͤrtig, da es ſcheint, als wann ich ſolch groß Wunder von ihm hoffete, und ſolche Wer- cke die ſeinen elenden Zuſtand und Beſchaffenheit weit uͤberſteigen, ihme zutrauete. Wann ich ihm aber anzeige, wie er koͤnne zu einem Weinſtock und Feigen-Baum werden, da wachſet ihm erſt der rech- te Muth, und hoͤret er mich gern, ſo bald er die Moͤglichkeit ſiehet anderſt zu werden, und mithin auch andere Fruͤchte hervor zu brin- gen mit ringer Muͤhe, ja vielmehr mit groſſer Freud und Luſt. Und das iſt die Urſach, warum uns Chriſtus mit wenig Geſetzen beladet; Er erhebet uns nur zum Glauben mit vielen theuren Verheiſſungen und unermeßlich vielen und groſſen Wunder-Wercken, am allerbeſten aber a Phil. I. 29.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/812
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 716. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/812>, abgerufen am 22.11.2024.