§. 8. Willt du in allem deinem Kummer Ruhe finden, so suche JEsum durchs Gebett, sincke in seine Schooß; bist du schuldig, des- sen man dich anklagt, so dancke GOtt, der dir einen so treuen Ho- henpriester geschencket, der deine Sünden wegnimmt, den Ankläger schiltet und hinauswirfft, dich von allen deinen Missethaten reiniget, und dessen zum Beweiß dich in diesem Leben züchtiget, damit du nicht mit der Welt verdammt werdest. Ob man dich schon in der grösten Stadt auf Erden, da du jedermann bekannt wärest, an Pranger stellte, so wäre es doch gegen der Ewigkeit zu rechnen nur ein finster Gemach; wann aber der Mensch stirbt, so gehet er aus auf die Gas- sen unter die Leut. Nimme es also alles, was in diesem Leben zu deiner Reinigung und Zubereitung dienet, auf des Lamms Hochzeit mit frölichem Danck lustig und willig an, eben wie einer thäte, der in einem großmächtigen königlichen Pallast beruffen wäre; deme man, ehe er von Hause gienge, in seiner Stube das unsauber am Kleid, und die Flecken im Angesicht anzeigte. Habe mit Fleiß von Nach- reden gesprochen, sintemahl kein Ding auf Erden mehr Zwietracht, Haß, Groll, Unfried erweckt als eine böse Zung; sie ist eine Welt voll Ungerechtigkeit a, und wird angezündet von der Höll, und kan eine gantze Stadt und Land mit ihrer Boßheit anstecken; Man ver- gibt auch nichts mit schwehrerer Müh als das Ehr-Abschneiden.
Ursachen warum man so schwer hinter die- se Arbeit gerathet.
§. 9. Die Ursach ist, weil man mehr mit dem Vernunffts-Aug auf der Menschen boßhaffte Schalckheit, und auf alle Umständ der an- gethanen Beleidigung siehet, als mit dem Glaubens-Aug auf den liebreichsten allergütigsten Zweck, den der getreue Heyland darinn hat; man hört mehr des Drachen als des Lammes Stimm an; und so geht die Stimme, deren man Gehör gibt in ihre Krafft. So lang du der Vernunfft die Ohren leihest, kommest du nimmermehr zur seeligen Seelen-Ruh und friedenreichen Hertzens-Stille: Sie wird dir allezeit etwas einzuwerffen haben, wider die gäntzliche Ver- gebung, und Lieb-volle, von allem Groll-sichtigen Angedencken durch- aus geläuterte Neigung zum Nächsten. Darum willt du deine Be- neider und Nachreder, inniglich wohl meynen, mit aufrichtigem Her- tzen so schaue unverrückt auf JEsum den Gecreutzigten; laß dein Hertz vom heiligen Geist mit lieblichen heiliger Flammen der Ewigkeit er-
füllen,
aJac. III.
Der unter den Stech-Diſteln
Wer JE- SUM durchs Gebett ſu- chet, findet Ruhe.
§. 8. Willt du in allem deinem Kummer Ruhe finden, ſo ſuche JEſum durchs Gebett, ſincke in ſeine Schooß; biſt du ſchuldig, deſ- ſen man dich anklagt, ſo dancke GOtt, der dir einen ſo treuen Ho- henprieſter geſchencket, der deine Suͤnden wegnimmt, den Anklaͤger ſchiltet und hinauswirfft, dich von allen deinen Miſſethaten reiniget, und deſſen zum Beweiß dich in dieſem Leben zuͤchtiget, damit du nicht mit der Welt verdammt werdeſt. Ob man dich ſchon in der groͤſten Stadt auf Erden, da du jedermann bekannt waͤreſt, an Pranger ſtellte, ſo waͤre es doch gegen der Ewigkeit zu rechnen nur ein finſter Gemach; wann aber der Menſch ſtirbt, ſo gehet er aus auf die Gaſ- ſen unter die Leut. Nimme es alſo alles, was in dieſem Leben zu deiner Reinigung und Zubereitung dienet, auf des Lamms Hochzeit mit froͤlichem Danck luſtig und willig an, eben wie einer thaͤte, der in einem großmaͤchtigen koͤniglichen Pallaſt beruffen waͤre; deme man, ehe er von Hauſe gienge, in ſeiner Stube das unſauber am Kleid, und die Flecken im Angeſicht anzeigte. Habe mit Fleiß von Nach- reden geſprochen, ſintemahl kein Ding auf Erden mehr Zwietracht, Haß, Groll, Unfried erweckt als eine boͤſe Zung; ſie iſt eine Welt voll Ungerechtigkeit a, und wird angezuͤndet von der Hoͤll, und kan eine gantze Stadt und Land mit ihrer Boßheit anſtecken; Man ver- gibt auch nichts mit ſchwehrerer Muͤh als das Ehr-Abſchneiden.
Urſachen warum man ſo ſchwer hinter die- ſe Arbeit gerathet.
§. 9. Die Urſach iſt, weil man mehr mit dem Vernunffts-Aug auf der Menſchen boßhaffte Schalckheit, und auf alle Umſtaͤnd der an- gethanen Beleidigung ſiehet, als mit dem Glaubens-Aug auf den liebreichſten allerguͤtigſten Zweck, den der getreue Heyland darinn hat; man hoͤrt mehr des Drachen als des Lammes Stimm an; und ſo geht die Stimme, deren man Gehoͤr gibt in ihre Krafft. So lang du der Vernunfft die Ohren leiheſt, kommeſt du nimmermehr zur ſeeligen Seelen-Ruh und friedenreichen Hertzens-Stille: Sie wird dir allezeit etwas einzuwerffen haben, wider die gaͤntzliche Ver- gebung, und Lieb-volle, von allem Groll-ſichtigen Angedencken durch- aus gelaͤuterte Neigung zum Naͤchſten. Darum willt du deine Be- neider und Nachreder, inniglich wohl meynen, mit aufrichtigem Her- tzen ſo ſchaue unverruͤckt auf JEſum den Gecreutzigten; laß dein Hertz vom heiligen Geiſt mit lieblichen heiliger Flammen der Ewigkeit er-
fuͤllen,
aJac. III.
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Der unter den Stech-Diſteln
§. 8. Willt du in allem deinem Kummer Ruhe finden, ſo ſuche
JEſum durchs Gebett, ſincke in ſeine Schooß; biſt du ſchuldig, deſ-
ſen man dich anklagt, ſo dancke GOtt, der dir einen ſo treuen Ho-
henprieſter geſchencket, der deine Suͤnden wegnimmt, den Anklaͤger
ſchiltet und hinauswirfft, dich von allen deinen Miſſethaten reiniget,
und deſſen zum Beweiß dich in dieſem Leben zuͤchtiget, damit du nicht
mit der Welt verdammt werdeſt. Ob man dich ſchon in der groͤſten
Stadt auf Erden, da du jedermann bekannt waͤreſt, an Pranger
ſtellte, ſo waͤre es doch gegen der Ewigkeit zu rechnen nur ein finſter
Gemach; wann aber der Menſch ſtirbt, ſo gehet er aus auf die Gaſ-
ſen unter die Leut. Nimme es alſo alles, was in dieſem Leben zu
deiner Reinigung und Zubereitung dienet, auf des Lamms Hochzeit
mit froͤlichem Danck luſtig und willig an, eben wie einer thaͤte, der
in einem großmaͤchtigen koͤniglichen Pallaſt beruffen waͤre; deme man,
ehe er von Hauſe gienge, in ſeiner Stube das unſauber am Kleid,
und die Flecken im Angeſicht anzeigte. Habe mit Fleiß von Nach-
reden geſprochen, ſintemahl kein Ding auf Erden mehr Zwietracht,
Haß, Groll, Unfried erweckt als eine boͤſe Zung; ſie iſt eine Welt
voll Ungerechtigkeit a, und wird angezuͤndet von der Hoͤll, und kan
eine gantze Stadt und Land mit ihrer Boßheit anſtecken; Man ver-
gibt auch nichts mit ſchwehrerer Muͤh als das Ehr-Abſchneiden.
§. 9. Die Urſach iſt, weil man mehr mit dem Vernunffts-Aug auf
der Menſchen boßhaffte Schalckheit, und auf alle Umſtaͤnd der an-
gethanen Beleidigung ſiehet, als mit dem Glaubens-Aug auf den
liebreichſten allerguͤtigſten Zweck, den der getreue Heyland darinn
hat; man hoͤrt mehr des Drachen als des Lammes Stimm an; und
ſo geht die Stimme, deren man Gehoͤr gibt in ihre Krafft. So
lang du der Vernunfft die Ohren leiheſt, kommeſt du nimmermehr
zur ſeeligen Seelen-Ruh und friedenreichen Hertzens-Stille: Sie
wird dir allezeit etwas einzuwerffen haben, wider die gaͤntzliche Ver-
gebung, und Lieb-volle, von allem Groll-ſichtigen Angedencken durch-
aus gelaͤuterte Neigung zum Naͤchſten. Darum willt du deine Be-
neider und Nachreder, inniglich wohl meynen, mit aufrichtigem Her-
tzen ſo ſchaue unverruͤckt auf JEſum den Gecreutzigten; laß dein Hertz
vom heiligen Geiſt mit lieblichen heiliger Flammen der Ewigkeit er-
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 704. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/800>, abgerufen am 21.11.2024.
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