Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Der unter den Stech-Disteln
zu tieff eingefressen! Sollte dir dein reinester und glorwürdigster
Bräutigam nicht ein sauer Gesicht machen und sprechen: Was?
Willt du mir die Schand anthun und mit diesen Flecken, Lumpen
und Runtzlen an meiner Hochzeit erscheinen? Oder willt du mich mei-
steren und lehren, durch welche Mittel, Weiß und Wege ich dich
davon reinigen soll? Du sollt mir gefallen und nicht der Welt, ich
bin dein Ehmann und GOtt; das soll dir genug seyn, wann ich dich
allerdings schön finde vor mich, ob du gleich in der Menschen Augen
noch so verächtlich außsähest.

Sind es fromme heilige Leut, die dich plagen, wie es mehrmah-
len geschicht, daß ein Stein den anderen zum Tempel-Bau auspo-
lieren muß durch widerwärtige Gemüths-Art, begrieffe, Meynun-
gen und Führungen, neben dem daß GOtt wie ein Gold-Arbeiter
den Staub auf denen schönen Bilderen, die er in den Pocal eingrabt,
ligen lasset und sein herrlich Werck unter vielerley Schwachheiten ver-
birget, daß auch Fromme meynen sie haben mehr dann genug Fug
und Recht dich zu schmähen: Begegnet dir nun dieses, so dencke,
es widerfahre dir grosse Ehre, daß JEsus ein silbern Jätt-Häulein
brauche dein Unkraut auszureuten, ja zu Zeiten wohl gar ein gülde-
nes, das mehr werth ist, als du armes Myrten-Sträuchlein.

Fortse-
tzung der
Beweg-
Ursachen.

§. 2. Mit einem Wort: Warum meynst du wohl, daß der Mensch
aus der Erden erschaffen worden seye, als dich zu lehren, wie du,
Mensch! Dich sollt zertretten, hacken, reuten, brennen lassen ohne
Widerred, und denen, die dich am greulichsten herum werffen, am
wenigsten mit Dornen des Hasses, Rachgier und mit Distlen gegen-
seitiger Verkleinerung begegnen; sondern am reichlichsten vor sie bit-
ten, sie segnen, und sie mit den edlesten Liebe-Früchten erfreuen?
Hie sperret sich die arge Natur was sie kan und mag; dann sie ver-
läugnet ihren Ursprung, und will nicht Erde seyn, viel lieber Schi-
ferstein, daß sie denen ins Gesicht spritzen, die sie treffen, ja wie
Bomben und Granaten, diejenigen zu zerschmetteren, die sie zu Zorn
anzünden. O wehe! o weh! daß bey nahe niemand seelig werden
will; sintemahl niemand das Liebes-Gebott JEsu sich besser will ge-
fallen lassen als den vermaledeyten, zähen Groll.

Lutherus sagte: "Wann du niemand hast, der dich plagt und ex-
"ercirt oder übet, so wage eine zimliche Summa Gelds daran, und
"kauffe dir einen Menschen, der dich jage, und tränge damit du nicht

erfau-

Der unter den Stech-Diſteln
zu tieff eingefreſſen! Sollte dir dein reineſter und glorwuͤrdigſter
Braͤutigam nicht ein ſauer Geſicht machen und ſprechen: Was?
Willt du mir die Schand anthun und mit dieſen Flecken, Lumpen
und Runtzlen an meiner Hochzeit erſcheinen? Oder willt du mich mei-
ſteren und lehren, durch welche Mittel, Weiß und Wege ich dich
davon reinigen ſoll? Du ſollt mir gefallen und nicht der Welt, ich
bin dein Ehmann und GOtt; das ſoll dir genug ſeyn, wann ich dich
allerdings ſchoͤn finde vor mich, ob du gleich in der Menſchen Augen
noch ſo veraͤchtlich außſaͤheſt.

Sind es fromme heilige Leut, die dich plagen, wie es mehrmah-
len geſchicht, daß ein Stein den anderen zum Tempel-Bau auspo-
lieren muß durch widerwaͤrtige Gemuͤths-Art, begrieffe, Meynun-
gen und Fuͤhrungen, neben dem daß GOtt wie ein Gold-Arbeiter
den Staub auf denen ſchoͤnen Bilderen, die er in den Pocal eingrabt,
ligen laſſet und ſein herrlich Werck unter vielerley Schwachheiten ver-
birget, daß auch Fromme meynen ſie haben mehr dann genug Fug
und Recht dich zu ſchmaͤhen: Begegnet dir nun dieſes, ſo dencke,
es widerfahre dir groſſe Ehre, daß JEſus ein ſilbern Jaͤtt-Haͤulein
brauche dein Unkraut auszureuten, ja zu Zeiten wohl gar ein guͤlde-
nes, das mehr werth iſt, als du armes Myrten-Straͤuchlein.

Fortſe-
tzung der
Beweg-
Urſachen.

§. 2. Mit einem Wort: Warum meynſt du wohl, daß der Menſch
aus der Erden erſchaffen worden ſeye, als dich zu lehren, wie du,
Menſch! Dich ſollt zertretten, hacken, reuten, brennen laſſen ohne
Widerred, und denen, die dich am greulichſten herum werffen, am
wenigſten mit Dornen des Haſſes, Rachgier und mit Diſtlen gegen-
ſeitiger Verkleinerung begegnen; ſondern am reichlichſten vor ſie bit-
ten, ſie ſegnen, und ſie mit den edleſten Liebe-Fruͤchten erfreuen?
Hie ſperret ſich die arge Natur was ſie kan und mag; dann ſie ver-
laͤugnet ihren Urſprung, und will nicht Erde ſeyn, viel lieber Schi-
ferſtein, daß ſie denen ins Geſicht ſpritzen, die ſie treffen, ja wie
Bomben und Granaten, diejenigen zu zerſchmetteren, die ſie zu Zorn
anzuͤnden. O wehe! o weh! daß bey nahe niemand ſeelig werden
will; ſintemahl niemand das Liebes-Gebott JEſu ſich beſſer will ge-
fallen laſſen als den vermaledeyten, zaͤhen Groll.

Lutherus ſagte: „Wann du niemand haſt, der dich plagt und ex-
„ercirt oder uͤbet, ſo wage eine zimliche Summa Gelds daran, und
„kauffe dir einen Menſchen, der dich jage, und traͤnge damit du nicht

erfau-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0796" n="700"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der unter den Stech-Di&#x017F;teln</hi></fw><lb/>
zu tieff eingefre&#x017F;&#x017F;en! Sollte dir dein reine&#x017F;ter und glorwu&#x0364;rdig&#x017F;ter<lb/><hi rendition="#fr">Bra&#x0364;utigam</hi> nicht ein &#x017F;auer Ge&#x017F;icht machen und &#x017F;prechen: Was?<lb/>
Willt du mir die Schand anthun und mit die&#x017F;en Flecken, Lumpen<lb/>
und Runtzlen an meiner Hochzeit er&#x017F;cheinen? Oder willt du mich mei-<lb/>
&#x017F;teren und lehren, durch welche Mittel, Weiß und Wege ich dich<lb/>
davon reinigen &#x017F;oll? Du &#x017F;ollt mir gefallen und nicht der Welt, ich<lb/>
bin dein Ehmann und GOtt; das &#x017F;oll dir genug &#x017F;eyn, wann ich dich<lb/>
allerdings &#x017F;cho&#x0364;n finde vor mich, ob du gleich in der Men&#x017F;chen Augen<lb/>
noch &#x017F;o vera&#x0364;chtlich auß&#x017F;a&#x0364;he&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Sind es fromme heilige Leut, die dich plagen, wie es mehrmah-<lb/>
len ge&#x017F;chicht, daß ein Stein den anderen zum Tempel-Bau auspo-<lb/>
lieren muß durch widerwa&#x0364;rtige Gemu&#x0364;ths-Art, begrieffe, Meynun-<lb/>
gen und Fu&#x0364;hrungen, neben dem daß GOtt wie ein Gold-Arbeiter<lb/>
den Staub auf denen &#x017F;cho&#x0364;nen Bilderen, die er in den Pocal eingrabt,<lb/>
ligen la&#x017F;&#x017F;et und &#x017F;ein herrlich Werck unter vielerley Schwachheiten ver-<lb/>
birget, daß auch Fromme meynen &#x017F;ie haben mehr dann genug Fug<lb/>
und Recht dich zu &#x017F;chma&#x0364;hen: Begegnet dir nun die&#x017F;es, &#x017F;o dencke,<lb/>
es widerfahre dir gro&#x017F;&#x017F;e Ehre, daß JE&#x017F;us ein &#x017F;ilbern Ja&#x0364;tt-Ha&#x0364;ulein<lb/>
brauche dein Unkraut auszureuten, ja zu Zeiten wohl gar ein gu&#x0364;lde-<lb/>
nes, das mehr werth i&#x017F;t, als du armes Myrten-Stra&#x0364;uchlein.</p><lb/>
          <note place="left">Fort&#x017F;e-<lb/>
tzung der<lb/>
Beweg-<lb/>
Ur&#x017F;achen.</note>
          <p>§. 2. Mit einem Wort: Warum meyn&#x017F;t du wohl, daß der Men&#x017F;ch<lb/>
aus der <hi rendition="#fr">Erden</hi> er&#x017F;chaffen worden &#x017F;eye, als dich zu lehren, wie du,<lb/>
Men&#x017F;ch! Dich &#x017F;ollt zertretten, hacken, reuten, brennen la&#x017F;&#x017F;en ohne<lb/>
Widerred, und denen, die dich am greulich&#x017F;ten herum werffen, am<lb/>
wenig&#x017F;ten mit Dornen des Ha&#x017F;&#x017F;es, Rachgier und mit Di&#x017F;tlen gegen-<lb/>
&#x017F;eitiger Verkleinerung begegnen; &#x017F;ondern am reichlich&#x017F;ten vor &#x017F;ie bit-<lb/>
ten, &#x017F;ie &#x017F;egnen, und &#x017F;ie mit den edle&#x017F;ten Liebe-Fru&#x0364;chten erfreuen?<lb/>
Hie &#x017F;perret &#x017F;ich die arge Natur was &#x017F;ie kan und mag; dann &#x017F;ie ver-<lb/>
la&#x0364;ugnet ihren Ur&#x017F;prung, und will nicht Erde &#x017F;eyn, viel lieber Schi-<lb/>
fer&#x017F;tein, daß &#x017F;ie denen ins Ge&#x017F;icht &#x017F;pritzen, die &#x017F;ie treffen, ja wie<lb/>
Bomben und Granaten, diejenigen zu zer&#x017F;chmetteren, die &#x017F;ie zu Zorn<lb/>
anzu&#x0364;nden. O wehe! o weh! daß bey nahe niemand &#x017F;eelig werden<lb/>
will; &#x017F;intemahl niemand das Liebes-Gebott JE&#x017F;u &#x017F;ich be&#x017F;&#x017F;er will ge-<lb/>
fallen la&#x017F;&#x017F;en als den vermaledeyten, za&#x0364;hen Groll.</p><lb/>
          <p>Lutherus &#x017F;agte: &#x201E;Wann du niemand ha&#x017F;t, der dich plagt und ex-<lb/>
&#x201E;ercirt oder u&#x0364;bet, &#x017F;o wage eine zimliche Summa Gelds daran, und<lb/>
&#x201E;kauffe dir einen Men&#x017F;chen, der dich jage, und tra&#x0364;nge damit du nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">erfau-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[700/0796] Der unter den Stech-Diſteln zu tieff eingefreſſen! Sollte dir dein reineſter und glorwuͤrdigſter Braͤutigam nicht ein ſauer Geſicht machen und ſprechen: Was? Willt du mir die Schand anthun und mit dieſen Flecken, Lumpen und Runtzlen an meiner Hochzeit erſcheinen? Oder willt du mich mei- ſteren und lehren, durch welche Mittel, Weiß und Wege ich dich davon reinigen ſoll? Du ſollt mir gefallen und nicht der Welt, ich bin dein Ehmann und GOtt; das ſoll dir genug ſeyn, wann ich dich allerdings ſchoͤn finde vor mich, ob du gleich in der Menſchen Augen noch ſo veraͤchtlich außſaͤheſt. Sind es fromme heilige Leut, die dich plagen, wie es mehrmah- len geſchicht, daß ein Stein den anderen zum Tempel-Bau auspo- lieren muß durch widerwaͤrtige Gemuͤths-Art, begrieffe, Meynun- gen und Fuͤhrungen, neben dem daß GOtt wie ein Gold-Arbeiter den Staub auf denen ſchoͤnen Bilderen, die er in den Pocal eingrabt, ligen laſſet und ſein herrlich Werck unter vielerley Schwachheiten ver- birget, daß auch Fromme meynen ſie haben mehr dann genug Fug und Recht dich zu ſchmaͤhen: Begegnet dir nun dieſes, ſo dencke, es widerfahre dir groſſe Ehre, daß JEſus ein ſilbern Jaͤtt-Haͤulein brauche dein Unkraut auszureuten, ja zu Zeiten wohl gar ein guͤlde- nes, das mehr werth iſt, als du armes Myrten-Straͤuchlein. §. 2. Mit einem Wort: Warum meynſt du wohl, daß der Menſch aus der Erden erſchaffen worden ſeye, als dich zu lehren, wie du, Menſch! Dich ſollt zertretten, hacken, reuten, brennen laſſen ohne Widerred, und denen, die dich am greulichſten herum werffen, am wenigſten mit Dornen des Haſſes, Rachgier und mit Diſtlen gegen- ſeitiger Verkleinerung begegnen; ſondern am reichlichſten vor ſie bit- ten, ſie ſegnen, und ſie mit den edleſten Liebe-Fruͤchten erfreuen? Hie ſperret ſich die arge Natur was ſie kan und mag; dann ſie ver- laͤugnet ihren Urſprung, und will nicht Erde ſeyn, viel lieber Schi- ferſtein, daß ſie denen ins Geſicht ſpritzen, die ſie treffen, ja wie Bomben und Granaten, diejenigen zu zerſchmetteren, die ſie zu Zorn anzuͤnden. O wehe! o weh! daß bey nahe niemand ſeelig werden will; ſintemahl niemand das Liebes-Gebott JEſu ſich beſſer will ge- fallen laſſen als den vermaledeyten, zaͤhen Groll. Lutherus ſagte: „Wann du niemand haſt, der dich plagt und ex- „ercirt oder uͤbet, ſo wage eine zimliche Summa Gelds daran, und „kauffe dir einen Menſchen, der dich jage, und traͤnge damit du nicht erfau-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/796
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 700. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/796>, abgerufen am 22.11.2024.