vortheilhafftiger, wann niemand nichts auf dir halt: Du hast gar ein kurtz Gesicht, und weist nicht, was GOtt darhinter verbirgt, das End wirds zeigen.
§. 10. Liebe doch auch von Hertzens-Grund alle, die dich bestraf- fen, dein spotten, dich hinunter stossen, all dein Vornehmen als einAuch deß- wegen die Beleidiger lieben. verkehrtes Ding verwerffen, und all dein Thun als untauglich ver- nichten, daß du es ihnen nie recht machen kanst, und sie an allen dei- nen Schritten etwas zu tadlen finden, die alles an dir ausförschlen, und wo sie mit ihren scharffen Adlers-Augen etwann ein Stäublein an deinem schwartzen Rock erblicken, selbiges alsobald ausschwätzen und ausbrieffen, um von anderen vor viel weiters gekommene, vor unvergleichlich mehr erfahrne, erleuchtete Persohnen angesehen zu seyn; oder weil sie etwann vermeynen eine Drangsal zuzuwenden deinen Banden, womit dich der GOTT der Liebe gebunden hat, und die ihnen mißfallen. Da, da hüte dich wohl, daß nicht eine Wurtzel der Bitterkeit aufwachse und Unruh anrichte, und viel durch dieselbe befleckt werden; ach darmit würdest du alle dir zubereitete Segen verderben. Bist du weise, so wirst du sie nicht ein Grad weniger lieben als deine Hertzens-Freund: Folgest du dem Gnaden-Licht, so wirst du auch nicht ein einiges Klagwort über sie fallen lassen; dann dadurch wird die Gnade entrüstet und das Hertz geschwächt.
Das dritte Capitel. Fortsetzung der Natur und Weiß wie auch der Beweg-Ursachen zur Liebe.
§. 1. O Seele! Wären alle deine Begierden auf dieses einige ent-Beweg- Ursachen dazu. zündet, wie du als eine reine Jungfrau und königliche verlobte Braut dem allerheiligsten König Christo möchtest zugeführt werden, du wür- dest alle diese ansehen als deine Staats-Frauen, oder Kammer-Jung- frauen von GOtt dir zugeordnet, und bestellt dich zu kämmen, zu reiben, zu salben, deine Kleider auszukehren, deine Aufführung zu verbesseren und untadentlich zu machen.
Wie solltest du dann unwillig und unwirsch gegen sie seyn, wann sie dich etwann nun und dann angreiffen oder ein Geschwürlein und Blätterlein ausdrucken oder einen Riß machen, weil der Flecken all-
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hervor bluͤhende Lilien-Zweig.
vortheilhafftiger, wann niemand nichts auf dir halt: Du haſt gar ein kurtz Geſicht, und weiſt nicht, was GOtt darhinter verbirgt, das End wirds zeigen.
§. 10. Liebe doch auch von Hertzens-Grund alle, die dich beſtraf- fen, dein ſpotten, dich hinunter ſtoſſen, all dein Vornehmen als einAuch deß- wegen die Beleidiger lieben. verkehrtes Ding verwerffen, und all dein Thun als untauglich ver- nichten, daß du es ihnen nie recht machen kanſt, und ſie an allen dei- nen Schritten etwas zu tadlen finden, die alles an dir ausfoͤrſchlen, und wo ſie mit ihren ſcharffen Adlers-Augen etwann ein Staͤublein an deinem ſchwartzen Rock erblicken, ſelbiges alſobald ausſchwaͤtzen und ausbrieffen, um von anderen vor viel weiters gekommene, vor unvergleichlich mehr erfahrne, erleuchtete Perſohnen angeſehen zu ſeyn; oder weil ſie etwann vermeynen eine Drangſal zuzuwenden deinen Banden, womit dich der GOTT der Liebe gebunden hat, und die ihnen mißfallen. Da, da huͤte dich wohl, daß nicht eine Wurtzel der Bitterkeit aufwachſe und Unruh anrichte, und viel durch dieſelbe befleckt werden; ach darmit wuͤrdeſt du alle dir zubereitete Segen verderben. Biſt du weiſe, ſo wirſt du ſie nicht ein Grad weniger lieben als deine Hertzens-Freund: Folgeſt du dem Gnaden-Licht, ſo wirſt du auch nicht ein einiges Klagwort uͤber ſie fallen laſſen; dann dadurch wird die Gnade entruͤſtet und das Hertz geſchwaͤcht.
Das dritte Capitel. Fortſetzung der Natur und Weiß wie auch der Beweg-Urſachen zur Liebe.
§. 1. O Seele! Waͤren alle deine Begierden auf dieſes einige ent-Beweg- Urſachen dazu. zuͤndet, wie du als eine reine Jungfrau und koͤnigliche verlobte Braut dem allerheiligſten Koͤnig Chriſto moͤchteſt zugefuͤhrt werden, du wuͤr- deſt alle dieſe anſehen als deine Staats-Frauen, oder Kammer-Jung- frauen von GOtt dir zugeordnet, und beſtellt dich zu kaͤmmen, zu reiben, zu ſalben, deine Kleider auszukehren, deine Auffuͤhrung zu verbeſſeren und untadentlich zu machen.
Wie ſollteſt du dann unwillig und unwirſch gegen ſie ſeyn, wann ſie dich etwann nun und dann angreiffen oder ein Geſchwuͤrlein und Blaͤtterlein ausdrucken oder einen Riß machen, weil der Flecken all-
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hervor bluͤhende Lilien-Zweig.
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ein kurtz Geſicht, und weiſt nicht, was GOtt darhinter verbirgt,
das End wirds zeigen.
§. 10. Liebe doch auch von Hertzens-Grund alle, die dich beſtraf-
fen, dein ſpotten, dich hinunter ſtoſſen, all dein Vornehmen als ein
verkehrtes Ding verwerffen, und all dein Thun als untauglich ver-
nichten, daß du es ihnen nie recht machen kanſt, und ſie an allen dei-
nen Schritten etwas zu tadlen finden, die alles an dir ausfoͤrſchlen,
und wo ſie mit ihren ſcharffen Adlers-Augen etwann ein Staͤublein
an deinem ſchwartzen Rock erblicken, ſelbiges alſobald ausſchwaͤtzen
und ausbrieffen, um von anderen vor viel weiters gekommene, vor
unvergleichlich mehr erfahrne, erleuchtete Perſohnen angeſehen zu
ſeyn; oder weil ſie etwann vermeynen eine Drangſal zuzuwenden
deinen Banden, womit dich der GOTT der Liebe gebunden hat,
und die ihnen mißfallen. Da, da huͤte dich wohl, daß nicht
eine Wurtzel der Bitterkeit aufwachſe und Unruh anrichte, und
viel durch dieſelbe befleckt werden; ach darmit wuͤrdeſt du alle dir
zubereitete Segen verderben. Biſt du weiſe, ſo wirſt du ſie nicht
ein Grad weniger lieben als deine Hertzens-Freund: Folgeſt du dem
Gnaden-Licht, ſo wirſt du auch nicht ein einiges Klagwort uͤber
ſie fallen laſſen; dann dadurch wird die Gnade entruͤſtet und das
Hertz geſchwaͤcht.
Auch deß-
wegen die
Beleidiger
lieben.
Das dritte Capitel.
Fortſetzung der Natur und Weiß wie auch der Beweg-Urſachen zur
Liebe.
§. 1. O Seele! Waͤren alle deine Begierden auf dieſes einige ent-
zuͤndet, wie du als eine reine Jungfrau und koͤnigliche verlobte Braut
dem allerheiligſten Koͤnig Chriſto moͤchteſt zugefuͤhrt werden, du wuͤr-
deſt alle dieſe anſehen als deine Staats-Frauen, oder Kammer-Jung-
frauen von GOtt dir zugeordnet, und beſtellt dich zu kaͤmmen, zu
reiben, zu ſalben, deine Kleider auszukehren, deine Auffuͤhrung zu
verbeſſeren und untadentlich zu machen.
Beweg-
Urſachen
dazu.
Wie ſollteſt du dann unwillig und unwirſch gegen ſie ſeyn, wann
ſie dich etwann nun und dann angreiffen oder ein Geſchwuͤrlein und
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 699. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/795>, abgerufen am 22.11.2024.
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