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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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halten hätte; Hieher gehören alle die bittere Klägten in den Psal-öffters
schlecht.

men und Propheten, so der Lieb-volle GOTT über sein unge-
schlachtes Jsrael führet; siehe Psalm 81. Wie viel köstlichen Saa-
mens, wohl gemeinter Göttlicher Räthen wird da verzitteret und
verschwendt? Viel wird von Vöglen unnützer, eiteler Gedancken aufge-
fressen, vieles verdorret in der Hitz der Anfechtungen, wegen des
steinigen Eigensinns, da man in sich selbst wandlet, und GOTT
nicht folgen will; wie vieles wird von Dornen der irrdischen Sorgen
und ungetödteten Lüsten erstickt?

§. 8. Man muß sagen, daß hier erst unzähliche Unarten des mensch-Es regen
sich man-
cherley
neue Un-
arten und
Gebre-
chen.

lichen Hertzens hervor kommen, da ist Unzufriedenheit mit GOttes
Führungen, Murren, Ungedult, Untreu in den Proben, da hat
das leichtsinnige Hertz kein Bleiben an der Hand JEsu, weichet im-
mer wieder mit seinen Gedancken und Begierden von ihme ab in die
Creatur, es mag nicht warten oder auf GOTT harren und starren,
vergnügt sich mit einem geringen Schein von der Morgenröthe, oh-
ne in sich zu erfahren, den Aufgang der Sonnen der Gerechtigkeit,
welches ein sehr groß Gut ist; Lasset sich mit wenig Tröpflein ab-
speisen, wo sie sich nicht gar aufs rauben legen, wie müßige Land-
streicher zu thun pflegen, die nicht recht an die Arbeit mögen, noch
in dem inneren Weinberg ihres Hertzens schwitzen, die Stöck der
eingewurtzelten Gebrechen ausgraben, mit vielem Wachen, Flehen
und Gewalt anthun, worinn sich Luther tapffer angegriffen, und
eben dadurch zu grossem Hunger nach dem Fleisch und Blut Christi
und Vergebung der Sünden gereitzet worden, weßwegen er auch
nicht gnug klagen konnte, über das Libertinische Leben der Reformir-
ten, die sich nur die Gnad und Versöhnung eintrucken, des Kampfs
aber mit der Sünd und Welt vergessen wollten, dann er mit seiner
Glaubens-Lehr nicht des Fleisches Creutzigung aufheben, sondern
den eitelen Wahn des Verdiensts benehmen wollte) diese Arbeit
wird ihnen zu saur, mögen nicht lang dabey ausharren, gehen lieber zu
anderen fruchtbaren Weingärten, getreuen, aus GOTT gebohre-
nen, und mit bestem Gewürtz und Paradiesischen Gnaden-Gewäch-
sen angefüllten Seelen, ob sie selbigen etwas abstehlen können, durch
ihre Verstellung, sind eine kleine Weil lustig in einem fremden Licht

und

halten haͤtte; Hieher gehoͤren alle die bittere Klaͤgten in den Pſal-oͤffters
ſchlecht.

men und Propheten, ſo der Lieb-volle GOTT uͤber ſein unge-
ſchlachtes Jſrael fuͤhret; ſiehe Pſalm 81. Wie viel koͤſtlichen Saa-
mens, wohl gemeinter Goͤttlicher Raͤthen wird da verzitteret und
verſchwendt? Viel wird von Voͤglen unnuͤtzer, eiteler Gedancken aufge-
freſſen, vieles verdorret in der Hitz der Anfechtungen, wegen des
ſteinigen Eigenſinns, da man in ſich ſelbſt wandlet, und GOTT
nicht folgen will; wie vieles wird von Dornen der irrdiſchen Sorgen
und ungetoͤdteten Luͤſten erſtickt?

§. 8. Man muß ſagen, daß hier erſt unzaͤhliche Unarten des menſch-Es regen
ſich man-
cherley
neue Un-
arten und
Gebre-
chen.

lichen Hertzens hervor kommen, da iſt Unzufriedenheit mit GOttes
Fuͤhrungen, Murren, Ungedult, Untreu in den Proben, da hat
das leichtſinnige Hertz kein Bleiben an der Hand JEſu, weichet im-
mer wieder mit ſeinen Gedancken und Begierden von ihme ab in die
Creatur, es mag nicht warten oder auf GOTT harren und ſtarren,
vergnuͤgt ſich mit einem geringen Schein von der Morgenroͤthe, oh-
ne in ſich zu erfahren, den Aufgang der Sonnen der Gerechtigkeit,
welches ein ſehr groß Gut iſt; Laſſet ſich mit wenig Troͤpflein ab-
ſpeiſen, wo ſie ſich nicht gar aufs rauben legen, wie muͤßige Land-
ſtreicher zu thun pflegen, die nicht recht an die Arbeit moͤgen, noch
in dem inneren Weinberg ihres Hertzens ſchwitzen, die Stoͤck der
eingewurtzelten Gebrechen ausgraben, mit vielem Wachen, Flehen
und Gewalt anthun, worinn ſich Luther tapffer angegriffen, und
eben dadurch zu groſſem Hunger nach dem Fleiſch und Blut Chriſti
und Vergebung der Suͤnden gereitzet worden, weßwegen er auch
nicht gnug klagen konnte, uͤber das Libertiniſche Leben der Reformir-
ten, die ſich nur die Gnad und Verſoͤhnung eintrucken, des Kampfs
aber mit der Suͤnd und Welt vergeſſen wollten, dann er mit ſeiner
Glaubens-Lehr nicht des Fleiſches Creutzigung aufheben, ſondern
den eitelen Wahn des Verdienſts benehmen wollte) dieſe Arbeit
wird ihnen zu ſaur, moͤgen nicht lang dabey ausharren, gehen lieber zu
anderen fruchtbaren Weingaͤrten, getreuen, aus GOTT gebohre-
nen, und mit beſtem Gewuͤrtz und Paradieſiſchen Gnaden-Gewaͤch-
ſen angefuͤllten Seelen, ob ſie ſelbigen etwas abſtehlen koͤnnen, durch
ihre Verſtellung, ſind eine kleine Weil luſtig in einem fremden Licht

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[23/0079] halten haͤtte; Hieher gehoͤren alle die bittere Klaͤgten in den Pſal- men und Propheten, ſo der Lieb-volle GOTT uͤber ſein unge- ſchlachtes Jſrael fuͤhret; ſiehe Pſalm 81. Wie viel koͤſtlichen Saa- mens, wohl gemeinter Goͤttlicher Raͤthen wird da verzitteret und verſchwendt? Viel wird von Voͤglen unnuͤtzer, eiteler Gedancken aufge- freſſen, vieles verdorret in der Hitz der Anfechtungen, wegen des ſteinigen Eigenſinns, da man in ſich ſelbſt wandlet, und GOTT nicht folgen will; wie vieles wird von Dornen der irrdiſchen Sorgen und ungetoͤdteten Luͤſten erſtickt? oͤffters ſchlecht. §. 8. Man muß ſagen, daß hier erſt unzaͤhliche Unarten des menſch- lichen Hertzens hervor kommen, da iſt Unzufriedenheit mit GOttes Fuͤhrungen, Murren, Ungedult, Untreu in den Proben, da hat das leichtſinnige Hertz kein Bleiben an der Hand JEſu, weichet im- mer wieder mit ſeinen Gedancken und Begierden von ihme ab in die Creatur, es mag nicht warten oder auf GOTT harren und ſtarren, vergnuͤgt ſich mit einem geringen Schein von der Morgenroͤthe, oh- ne in ſich zu erfahren, den Aufgang der Sonnen der Gerechtigkeit, welches ein ſehr groß Gut iſt; Laſſet ſich mit wenig Troͤpflein ab- ſpeiſen, wo ſie ſich nicht gar aufs rauben legen, wie muͤßige Land- ſtreicher zu thun pflegen, die nicht recht an die Arbeit moͤgen, noch in dem inneren Weinberg ihres Hertzens ſchwitzen, die Stoͤck der eingewurtzelten Gebrechen ausgraben, mit vielem Wachen, Flehen und Gewalt anthun, worinn ſich Luther tapffer angegriffen, und eben dadurch zu groſſem Hunger nach dem Fleiſch und Blut Chriſti und Vergebung der Suͤnden gereitzet worden, weßwegen er auch nicht gnug klagen konnte, uͤber das Libertiniſche Leben der Reformir- ten, die ſich nur die Gnad und Verſoͤhnung eintrucken, des Kampfs aber mit der Suͤnd und Welt vergeſſen wollten, dann er mit ſeiner Glaubens-Lehr nicht des Fleiſches Creutzigung aufheben, ſondern den eitelen Wahn des Verdienſts benehmen wollte) dieſe Arbeit wird ihnen zu ſaur, moͤgen nicht lang dabey ausharren, gehen lieber zu anderen fruchtbaren Weingaͤrten, getreuen, aus GOTT gebohre- nen, und mit beſtem Gewuͤrtz und Paradieſiſchen Gnaden-Gewaͤch- ſen angefuͤllten Seelen, ob ſie ſelbigen etwas abſtehlen koͤnnen, durch ihre Verſtellung, ſind eine kleine Weil luſtig in einem fremden Licht und Es regen ſich man- cherley neue Un- arten und Gebre- chen.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/79>, abgerufen am 24.11.2024.