§. 12. Der liebe Bernhard, der so Honig-fliessende Lieder von JEsuDes seeli- gen. Bern- hards und Anthonii Exempel. gedichtet, und was gar über alle massen süsses in denen Uberdenckungen von diesem unbeschreiblichen Kinde geschmeckt haben muß; Der sagt inniglich: Je kleiner JEsus ist das holde JEsulein, je lieblicher, er- freulicher, Hertz-rührender kommt er mir vor; je besser bequemet sich seine Majestät zu meiner Geringheit und seine Allheit zu meiner Dürff- tigkeit; Je freymüthiger und kühner werde ich meine Augen aufzuhe- ben GOtt anzuschauen, wie er aussehe und meine Armen auszustre- cken mein Heyl zu umfassen; Das Heyl GOttes, mein JEsus ist so groß und g'wichtig, daß dasselbe aller Himmeln Himmele nicht be- greiffen können; Wie hätte ichs denn wollen fassen, der ich nicht ein- mahl die gantze Erdkugel in meine Schoos nehmen kan: Weilen nun der GOtt des Himmels und der Erden so gerne mein eigen seyn wollte, und sich mit allen seinen Seeligkeiten von mir nach Hause tragen lassen, hat er sich o Liebe! so klein gemacht, damit ich ihn und mit ihme zu- gleich den wahren GOtt, das höchste Gut wegnehmen dörffte; Eben wie ein Kind von acht Tagen, (da der grosse Jehova mein JEsulein heissen und seyn wollte) leicht davon getragen wird auch von einem fünff-jährigen Kind: Also kan ich auch in und sammt diesem Weyh- nacht-Kindlein GOTT und alle seine Himmelreiche mit gar ringer Mühe heimtragen, mit solcher Freude, daß mich dunckt, das Kindlein trage mich; als flöge ich davon wie jene Taube mit dem Oelblat. Bern- hards Worte lauten eigentlich nur also: Je kleiner JEsus ist, je lieblicher kommt er mir vor. Jch hab aber durch diese Worte als durch ein Fen- sterlein in des heiligen Manns Hertz hineingegucket, und was er dabey mag gesinnet haben, ein wenig ausgebreitet.
Der H. Antonius hat auch Freude genossen an diesem Kind, dann er sagt: Seit dem daß GOttes Sohn im Fleisch geoffenbahret worden, förchte ich die Teufele weniger als Fliegen. Der gottselige Kämpfer, (der bißwei- len mit gantzen Regimenteren böser Geister gestritten, da ihm sein Her- tzog JEsus zugesehen mit Hertzens-Lust, auch den Sieg selbst in seinem getreuen Knecht ausgeführt) muß das Geheimniß der Menschwerdung Christi erkannt haben, und darinn erblickt, wie alle Wercke des Teufels dardurch niedergerissen und völlig zerstört werden; also daß jetz der Drach vor der Menschlichen Natur beben und zittern muß, nach dem GOtt der Allmächtige da hinein getretten; wie der seelige Luther singet:
Mit
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Weyhnachts-Gedancken.
§. 12. Der liebe Bernhard, der ſo Honig-flieſſende Lieder von JEſuDes ſeeli- gen. Bern- hards und Anthonii Exempel. gedichtet, und was gar uͤber alle maſſen ſuͤſſes in denen Uberdenckungen von dieſem unbeſchreiblichen Kinde geſchmeckt haben muß; Der ſagt inniglich: Je kleiner JEſus iſt das holde JEſulein, je lieblicher, er- freulicher, Hertz-ruͤhrender kommt er mir vor; je beſſer bequemet ſich ſeine Majeſtaͤt zu meiner Geringheit und ſeine Allheit zu meiner Duͤrff- tigkeit; Je freymuͤthiger und kuͤhner werde ich meine Augen aufzuhe- ben GOtt anzuſchauen, wie er auſſehe und meine Armen auszuſtre- cken mein Heyl zu umfaſſen; Das Heyl GOttes, mein JEſus iſt ſo groß und g’wichtig, daß daſſelbe aller Himmeln Himmele nicht be- greiffen koͤnnen; Wie haͤtte ichs denn wollen faſſen, der ich nicht ein- mahl die gantze Erdkugel in meine Schoos nehmen kan: Weilen nun der GOtt des Himmels und der Erden ſo gerne mein eigen ſeyn wollte, und ſich mit allen ſeinen Seeligkeiten von mir nach Hauſe tragen laſſen, hat er ſich o Liebe! ſo klein gemacht, damit ich ihn und mit ihme zu- gleich den wahren GOtt, das hoͤchſte Gut wegnehmen doͤrffte; Eben wie ein Kind von acht Tagen, (da der groſſe Jehova mein JEſulein heiſſen und ſeyn wollte) leicht davon getragen wird auch von einem fuͤnff-jaͤhrigen Kind: Alſo kan ich auch in und ſammt dieſem Weyh- nacht-Kindlein GOTT und alle ſeine Himmelreiche mit gar ringer Muͤhe heimtragen, mit ſolcher Freude, daß mich dunckt, das Kindlein trage mich; als floͤge ich davon wie jene Taube mit dem Oelblat. Bern- hards Worte lauten eigentlich nur alſo: Je kleiner JEſus iſt, je lieblicher kommt er mir vor. Jch hab aber durch dieſe Worte als durch ein Fen- ſterlein in des heiligen Manns Hertz hineingegucket, und was er dabey mag geſinnet haben, ein wenig ausgebreitet.
Der H. Antonius hat auch Freude genoſſen an dieſem Kind, dann er ſagt: Seit dem daß GOttes Sohn im Fleiſch geoffenbahret worden, foͤrchte ich die Teufele weniger als Fliegen. Der gottſelige Kaͤmpfer, (der bißwei- len mit gantzen Regimenteren boͤſer Geiſter geſtritten, da ihm ſein Her- tzog JEſus zugeſehen mit Hertzens-Luſt, auch den Sieg ſelbſt in ſeinem getreuen Knecht ausgefuͤhrt) muß das Geheimniß der Menſchwerdung Chriſti erkannt haben, und darinn erblickt, wie alle Wercke des Teufels dardurch niedergeriſſen und voͤllig zerſtoͤrt werden; alſo daß jetz der Drach vor der Menſchlichen Natur beben und zittern muß, nach dem GOtt der Allmaͤchtige da hinein getretten; wie der ſeelige Luther ſinget:
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Weyhnachts-Gedancken.
§. 12. Der liebe Bernhard, der ſo Honig-flieſſende Lieder von JEſu
gedichtet, und was gar uͤber alle maſſen ſuͤſſes in denen Uberdenckungen
von dieſem unbeſchreiblichen Kinde geſchmeckt haben muß; Der ſagt
inniglich: Je kleiner JEſus iſt das holde JEſulein, je lieblicher, er-
freulicher, Hertz-ruͤhrender kommt er mir vor; je beſſer bequemet ſich
ſeine Majeſtaͤt zu meiner Geringheit und ſeine Allheit zu meiner Duͤrff-
tigkeit; Je freymuͤthiger und kuͤhner werde ich meine Augen aufzuhe-
ben GOtt anzuſchauen, wie er auſſehe und meine Armen auszuſtre-
cken mein Heyl zu umfaſſen; Das Heyl GOttes, mein JEſus iſt ſo
groß und g’wichtig, daß daſſelbe aller Himmeln Himmele nicht be-
greiffen koͤnnen; Wie haͤtte ichs denn wollen faſſen, der ich nicht ein-
mahl die gantze Erdkugel in meine Schoos nehmen kan: Weilen nun
der GOtt des Himmels und der Erden ſo gerne mein eigen ſeyn wollte,
und ſich mit allen ſeinen Seeligkeiten von mir nach Hauſe tragen laſſen,
hat er ſich o Liebe! ſo klein gemacht, damit ich ihn und mit ihme zu-
gleich den wahren GOtt, das hoͤchſte Gut wegnehmen doͤrffte; Eben
wie ein Kind von acht Tagen, (da der groſſe Jehova mein JEſulein
heiſſen und ſeyn wollte) leicht davon getragen wird auch von einem
fuͤnff-jaͤhrigen Kind: Alſo kan ich auch in und ſammt dieſem Weyh-
nacht-Kindlein GOTT und alle ſeine Himmelreiche mit gar ringer
Muͤhe heimtragen, mit ſolcher Freude, daß mich dunckt, das Kindlein
trage mich; als floͤge ich davon wie jene Taube mit dem Oelblat. Bern-
hards Worte lauten eigentlich nur alſo: Je kleiner JEſus iſt, je lieblicher
kommt er mir vor. Jch hab aber durch dieſe Worte als durch ein Fen-
ſterlein in des heiligen Manns Hertz hineingegucket, und was er dabey
mag geſinnet haben, ein wenig ausgebreitet.
Des ſeeli-
gen. Bern-
hards und
Anthonii
Exempel.
Der H. Antonius hat auch Freude genoſſen an dieſem Kind, dann er
ſagt: Seit dem daß GOttes Sohn im Fleiſch geoffenbahret worden, foͤrchte
ich die Teufele weniger als Fliegen. Der gottſelige Kaͤmpfer, (der bißwei-
len mit gantzen Regimenteren boͤſer Geiſter geſtritten, da ihm ſein Her-
tzog JEſus zugeſehen mit Hertzens-Luſt, auch den Sieg ſelbſt in ſeinem
getreuen Knecht ausgefuͤhrt) muß das Geheimniß der Menſchwerdung
Chriſti erkannt haben, und darinn erblickt, wie alle Wercke des Teufels
dardurch niedergeriſſen und voͤllig zerſtoͤrt werden; alſo daß jetz der
Drach vor der Menſchlichen Natur beben und zittern muß, nach dem
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 653. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/749>, abgerufen am 22.11.2024.
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