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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Weyhnachts-Gedancken.

§. 4. IV. Sehet hier die Gewißheit dessen, was GOtt verheißt.Wie nicht
weniger
die Erfül-
lung dessen
was GOtt
verheisset
ob es sich
gleich noch
so lang
verzeu-
chet,

Wie lang es sich immer verzeucht, und alles wunderlich aussiehet,
als ob gar nichts daraus werden wolle, ja sichs alles gantz zum Wi-
derspiel anlasset, so muß doch zuletzt wahr werden was GOtt zusa-
get. Mancher muß seine Seel Lebens-lang in der Hoffnung wey-
den a, und erndtet seine Frucht erst im Todt-Bett; ja wann er
schon lang in der Ewigkeit gewesen ist. Erst nach vier tausend Jah-
ren, da der Schlangen-Tretter im Paradieß versprochen war, ward
das Wort Fleisch, als zu End des vierdten grossen Welt-Tags;
Gleichwie die Sonne erst am vierdten Tag erschaffen worden, da
das Liecht schon am ersten Tag war; daher es die erst-gebohrne
Tochter GOttes genennet wird; aber erst am vierdten Tag wurde
dieses ausgebreitete Liecht in den Sonnen-Cörper zusammen ge-
packt.

Das Heyl kommt, wann man fast nicht mehr darauf wartet b, wann
man an sich selbst gantz verzagt, also arm am Geist, mürb und matt
worden ist, von allen Creaturen gedrängt und von GOtt verlassen
scheinet, in stock-dicker Finsterniß sitzet c, alles in der Seel durchein-
ander gehet, ein Feld-Teufel dem anderen begegnet, Satan, ein
frömder eingeschlichener Tyrann, den Scepter führet, Pharao wütet,
wann man nirgends-inn keinen Trost, Krafft oder Liecht und Erfri-
schung fassen kan d, und einem das Wasser schon in das Maul laufft;
Da, da ist JEsus e recht willkomm. Wann Wölff und Löwen nach-
rennen f, wie gut ist dannzumahl die Himmels-Leiter g! Dieser wird
dir in der äussersten Noth zu deinem Heyl dargestellet erscheinen;
darum harre sein. JEsus ist auf dem Weg und rufft: Siehe, ich
komme bald: schaue du nur zu, daß du bereitet seyest, ihne zu empfa-
hen, wann er da ist h. Dann man halte es vor eine ausgemachte
Sach, daß aller Verzug nichts anders als GOttes Langmüthigkeit
gegen uns seye i, damit wir Zeit genug haben, uns auf die Ankunfft
seines grossen Heyls zurüsten, und alsdann nicht zu Schanden wer-
den. Die thorrechten Jungfrauen funden die Weile lang, und
wußten nicht, warum doch der Bräutigam verziehe biß zur Mitter-

nacht:
a Joh. IV. 37.
b Luc. XVIII. 8.
c Tren. III. 6. Mich. VII. 8.
d Jes.
XLII.
7.
e Matth. VIII. 25.
f Ps. L. 15.
g Exod. XIV. 13. 14.
h Luc.
XII.
37.
i 2 Perr. III. 9. Eph. V. 16.
J i i i
Weyhnachts-Gedancken.

§. 4. IV. Sehet hier die Gewißheit deſſen, was GOtt verheißt.Wie nicht
weniger
die Erfuͤl-
lung deſſen
was GOtt
verheiſſet
ob es ſich
gleich noch
ſo lang
verzeu-
chet,

Wie lang es ſich immer verzeucht, und alles wunderlich ausſiehet,
als ob gar nichts daraus werden wolle, ja ſichs alles gantz zum Wi-
derſpiel anlaſſet, ſo muß doch zuletzt wahr werden was GOtt zuſa-
get. Mancher muß ſeine Seel Lebens-lang in der Hoffnung wey-
den a, und erndtet ſeine Frucht erſt im Todt-Bett; ja wann er
ſchon lang in der Ewigkeit geweſen iſt. Erſt nach vier tauſend Jah-
ren, da der Schlangen-Tretter im Paradieß verſprochen war, ward
das Wort Fleiſch, als zu End des vierdten groſſen Welt-Tags;
Gleichwie die Sonne erſt am vierdten Tag erſchaffen worden, da
das Liecht ſchon am erſten Tag war; daher es die erſt-gebohrne
Tochter GOttes genennet wird; aber erſt am vierdten Tag wurde
dieſes ausgebreitete Liecht in den Sonnen-Coͤrper zuſammen ge-
packt.

Das Heyl kommt, wann man faſt nicht mehr darauf wartet b, wann
man an ſich ſelbſt gantz verzagt, alſo arm am Geiſt, muͤrb und matt
worden iſt, von allen Creaturen gedraͤngt und von GOtt verlaſſen
ſcheinet, in ſtock-dicker Finſterniß ſitzet c, alles in der Seel durchein-
ander gehet, ein Feld-Teufel dem anderen begegnet, Satan, ein
froͤmder eingeſchlichener Tyrann, den Scepter fuͤhret, Pharao wuͤtet,
wann man nirgends-inn keinen Troſt, Krafft oder Liecht und Erfri-
ſchung faſſen kan d, und einem das Waſſer ſchon in das Maul laufft;
Da, da iſt JEſus e recht willkomm. Wann Woͤlff und Loͤwen nach-
rennen f, wie gut iſt dannzumahl die Himmels-Leiter g! Dieſer wird
dir in der aͤuſſerſten Noth zu deinem Heyl dargeſtellet erſcheinen;
darum harre ſein. JEſus iſt auf dem Weg und rufft: Siehe, ich
komme bald: ſchaue du nur zu, daß du bereitet ſeyeſt, ihne zu empfa-
hen, wann er da iſt h. Dann man halte es vor eine ausgemachte
Sach, daß aller Verzug nichts anders als GOttes Langmuͤthigkeit
gegen uns ſeye i, damit wir Zeit genug haben, uns auf die Ankunfft
ſeines groſſen Heyls zuruͤſten, und alsdann nicht zu Schanden wer-
den. Die thorrechten Jungfrauen funden die Weile lang, und
wußten nicht, warum doch der Braͤutigam verziehe biß zur Mitter-

nacht:
a Joh. IV. 37.
b Luc. XVIII. 8.
c Tren. III. 6. Mich. VII. 8.
d Jeſ.
XLII.
7.
e Matth. VIII. 25.
f Pſ. L. 15.
g Exod. XIV. 13. 14.
h Luc.
XII.
37.
i 2 Perr. III. 9. Eph. V. 16.
J i i i
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[617/0713] Weyhnachts-Gedancken. §. 4. IV. Sehet hier die Gewißheit deſſen, was GOtt verheißt. Wie lang es ſich immer verzeucht, und alles wunderlich ausſiehet, als ob gar nichts daraus werden wolle, ja ſichs alles gantz zum Wi- derſpiel anlaſſet, ſo muß doch zuletzt wahr werden was GOtt zuſa- get. Mancher muß ſeine Seel Lebens-lang in der Hoffnung wey- den a, und erndtet ſeine Frucht erſt im Todt-Bett; ja wann er ſchon lang in der Ewigkeit geweſen iſt. Erſt nach vier tauſend Jah- ren, da der Schlangen-Tretter im Paradieß verſprochen war, ward das Wort Fleiſch, als zu End des vierdten groſſen Welt-Tags; Gleichwie die Sonne erſt am vierdten Tag erſchaffen worden, da das Liecht ſchon am erſten Tag war; daher es die erſt-gebohrne Tochter GOttes genennet wird; aber erſt am vierdten Tag wurde dieſes ausgebreitete Liecht in den Sonnen-Coͤrper zuſammen ge- packt. Wie nicht weniger die Erfuͤl- lung deſſen was GOtt verheiſſet ob es ſich gleich noch ſo lang verzeu- chet, Das Heyl kommt, wann man faſt nicht mehr darauf wartet b, wann man an ſich ſelbſt gantz verzagt, alſo arm am Geiſt, muͤrb und matt worden iſt, von allen Creaturen gedraͤngt und von GOtt verlaſſen ſcheinet, in ſtock-dicker Finſterniß ſitzet c, alles in der Seel durchein- ander gehet, ein Feld-Teufel dem anderen begegnet, Satan, ein froͤmder eingeſchlichener Tyrann, den Scepter fuͤhret, Pharao wuͤtet, wann man nirgends-inn keinen Troſt, Krafft oder Liecht und Erfri- ſchung faſſen kan d, und einem das Waſſer ſchon in das Maul laufft; Da, da iſt JEſus e recht willkomm. Wann Woͤlff und Loͤwen nach- rennen f, wie gut iſt dannzumahl die Himmels-Leiter g! Dieſer wird dir in der aͤuſſerſten Noth zu deinem Heyl dargeſtellet erſcheinen; darum harre ſein. JEſus iſt auf dem Weg und rufft: Siehe, ich komme bald: ſchaue du nur zu, daß du bereitet ſeyeſt, ihne zu empfa- hen, wann er da iſt h. Dann man halte es vor eine ausgemachte Sach, daß aller Verzug nichts anders als GOttes Langmuͤthigkeit gegen uns ſeye i, damit wir Zeit genug haben, uns auf die Ankunfft ſeines groſſen Heyls zuruͤſten, und alsdann nicht zu Schanden wer- den. Die thorrechten Jungfrauen funden die Weile lang, und wußten nicht, warum doch der Braͤutigam verziehe biß zur Mitter- nacht: a Joh. IV. 37. b Luc. XVIII. 8. c Tren. III. 6. Mich. VII. 8. d Jeſ. XLII. 7. e Matth. VIII. 25. f Pſ. L. 15. g Exod. XIV. 13. 14. h Luc. XII. 37. i 2 Perr. III. 9. Eph. V. 16. J i i i

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 617. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/713>, abgerufen am 29.07.2024.