Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Weyhnachts-Gedancken.
und Herrlichkeit. O allerköstlichstes Himmels-Geschenck! wer von
uns Erden-Würmen hätte GOTTES Sohn kauffen und er-
werben können? Zudem ist der wahre GOTT bey denen abgewiche-
nen Menschen so gar gering geachtet, daß sie kaum einen Gulden
um ihn gäben; welches daraus erhellet, daß man eher um eines
Guldens willen etwas Böses unterwegen lasset, und mehr Müh auf
sich nimmt, als um GOttes willen. Seine Meisterschafft und
Gebott stehet dem Natur-Menschen nicht an, der Gnaden-Balsam
und Seelen-Artzney gefallet ihme nicht; dann er liebet seine Eyter-
Beulen, seine Lüste und Begierden, er wendet sich ab von denen
funcklenden Augen JESU, weil er heuchlerisch und falsch ist, und
gern unnützen Gedancken nachhänget: Er begehrt keines gerechten
Richters, dann er liebet sich selber mehr, als die Offenbahrung der
Heiligkeit und Gerechtigkeit GOttes in der Straffe.

Sollte nun der verkehrte Mensch zurecht gebracht werden, nicht
mehr seine eigene Erhöhung, Ehr und Ruhm suchen, einen Eckel
haben an Menschen-Lob, mit der Verachtung wohl zu frieden seyn,
die Armuth und Kranckheit nicht förchten, Summa, hertzliches
Gefallen haben an allem, was GOTT ist und thut, daß ihm der
Gehorsam gegen GOttes Wort und Wille sein einiger Seelen-
Wunsch sey, daß er das allerseeligste, erfreulichste Vergnügen finde
in der grundlichen Heiligung von allen eigenen Begierden und sub-
tilsten Gebrechen, in der genausten Zucht und Abschmeltzung auch
der geheimsten Abweichung, daß er sehr froh sey, daß GOTT so
gerecht und heilig ist, wie er ist; sollte nun, sage ich, mein böß
Hertz so weit gebessert werden; so müßte mir GOTT zuvor kom-
men, den ersten Stein legen, zur Versöhnung selbst den Anfang
machen, und der erste meine Freundschafft suchen, und alles das
liebste aufwenden, mir mein Hertz abzugewinnen; erst alsdann ist
er mir ein GOTT, wie ich gern hab, erst alsdann freuet es mich
rechtschaffen, daß er gerecht ist; weilen seine Gerechtigkeit ihne
verbindet mir seinen Sohn zu meinem getreuesten JESU und
Ursächer der ewigen Seeligkeit hinzugeben; Seine Heiligkeit aber
will haben, daß er mir seinen heiligen Geist gebe. Erst alsdann,
wann ich das Kind in der Krippen sehe, und kenne wer es ist,
und warum es da ist, erst dennzumahl wird mein Hertz gantz an-

derst a;

Weyhnachts-Gedancken.
und Herrlichkeit. O allerkoͤſtlichſtes Himmels-Geſchenck! wer von
uns Erden-Wuͤrmen haͤtte GOTTES Sohn kauffen und er-
werben koͤnnen? Zudem iſt der wahre GOTT bey denen abgewiche-
nen Menſchen ſo gar gering geachtet, daß ſie kaum einen Gulden
um ihn gaͤben; welches daraus erhellet, daß man eher um eines
Guldens willen etwas Boͤſes unterwegen laſſet, und mehr Muͤh auf
ſich nimmt, als um GOttes willen. Seine Meiſterſchafft und
Gebott ſtehet dem Natur-Menſchen nicht an, der Gnaden-Balſam
und Seelen-Artzney gefallet ihme nicht; dann er liebet ſeine Eyter-
Beulen, ſeine Luͤſte und Begierden, er wendet ſich ab von denen
funcklenden Augen JESU, weil er heuchleriſch und falſch iſt, und
gern unnuͤtzen Gedancken nachhaͤnget: Er begehrt keines gerechten
Richters, dann er liebet ſich ſelber mehr, als die Offenbahrung der
Heiligkeit und Gerechtigkeit GOttes in der Straffe.

Sollte nun der verkehrte Menſch zurecht gebracht werden, nicht
mehr ſeine eigene Erhoͤhung, Ehr und Ruhm ſuchen, einen Eckel
haben an Menſchen-Lob, mit der Verachtung wohl zu frieden ſeyn,
die Armuth und Kranckheit nicht foͤrchten, Summa, hertzliches
Gefallen haben an allem, was GOTT iſt und thut, daß ihm der
Gehorſam gegen GOttes Wort und Wille ſein einiger Seelen-
Wunſch ſey, daß er das allerſeeligſte, erfreulichſte Vergnuͤgen finde
in der grundlichen Heiligung von allen eigenen Begierden und ſub-
tilſten Gebrechen, in der genauſten Zucht und Abſchmeltzung auch
der geheimſten Abweichung, daß er ſehr froh ſey, daß GOTT ſo
gerecht und heilig iſt, wie er iſt; ſollte nun, ſage ich, mein boͤß
Hertz ſo weit gebeſſert werden; ſo muͤßte mir GOTT zuvor kom-
men, den erſten Stein legen, zur Verſoͤhnung ſelbſt den Anfang
machen, und der erſte meine Freundſchafft ſuchen, und alles das
liebſte aufwenden, mir mein Hertz abzugewinnen; erſt alsdann iſt
er mir ein GOTT, wie ich gern hab, erſt alsdann freuet es mich
rechtſchaffen, daß er gerecht iſt; weilen ſeine Gerechtigkeit ihne
verbindet mir ſeinen Sohn zu meinem getreueſten JESU und
Urſaͤcher der ewigen Seeligkeit hinzugeben; Seine Heiligkeit aber
will haben, daß er mir ſeinen heiligen Geiſt gebe. Erſt alsdann,
wann ich das Kind in der Krippen ſehe, und kenne wer es iſt,
und warum es da iſt, erſt dennzumahl wird mein Hertz gantz an-

derſt a;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0711" n="615"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Weyhnachts-Gedancken.</hi></fw><lb/>
und Herrlichkeit. O allerko&#x0364;&#x017F;tlich&#x017F;tes Himmels-Ge&#x017F;chenck! wer von<lb/>
uns Erden-Wu&#x0364;rmen ha&#x0364;tte GOTTES Sohn kauffen und er-<lb/>
werben ko&#x0364;nnen? Zudem i&#x017F;t der wahre GOTT bey denen abgewiche-<lb/>
nen Men&#x017F;chen &#x017F;o gar gering geachtet, daß &#x017F;ie kaum einen Gulden<lb/>
um ihn ga&#x0364;ben; welches daraus erhellet, daß man eher um eines<lb/>
Guldens willen etwas Bo&#x0364;&#x017F;es unterwegen la&#x017F;&#x017F;et, und mehr Mu&#x0364;h auf<lb/>
&#x017F;ich nimmt, als um GOttes willen. Seine Mei&#x017F;ter&#x017F;chafft und<lb/>
Gebott &#x017F;tehet dem Natur-Men&#x017F;chen nicht an, der Gnaden-Bal&#x017F;am<lb/>
und Seelen-Artzney gefallet ihme nicht; dann er liebet &#x017F;eine Eyter-<lb/>
Beulen, &#x017F;eine Lu&#x0364;&#x017F;te und Begierden, er wendet &#x017F;ich ab von denen<lb/>
funcklenden Augen JESU, weil er heuchleri&#x017F;ch und fal&#x017F;ch i&#x017F;t, und<lb/>
gern unnu&#x0364;tzen Gedancken nachha&#x0364;nget: Er begehrt keines gerechten<lb/>
Richters, dann er liebet &#x017F;ich &#x017F;elber mehr, als die Offenbahrung der<lb/>
Heiligkeit und Gerechtigkeit GOttes in der Straffe.</p><lb/>
          <p>Sollte nun der verkehrte Men&#x017F;ch zurecht gebracht werden, nicht<lb/>
mehr &#x017F;eine eigene Erho&#x0364;hung, Ehr und Ruhm &#x017F;uchen, einen Eckel<lb/>
haben an Men&#x017F;chen-Lob, mit der Verachtung wohl zu frieden &#x017F;eyn,<lb/>
die Armuth und Kranckheit nicht fo&#x0364;rchten, Summa, hertzliches<lb/>
Gefallen haben an allem, was GOTT i&#x017F;t und thut, daß ihm der<lb/>
Gehor&#x017F;am gegen GOttes Wort und Wille &#x017F;ein einiger Seelen-<lb/>
Wun&#x017F;ch &#x017F;ey, daß er das aller&#x017F;eelig&#x017F;te, erfreulich&#x017F;te Vergnu&#x0364;gen finde<lb/>
in der grundlichen Heiligung von allen eigenen Begierden und &#x017F;ub-<lb/>
til&#x017F;ten Gebrechen, in der genau&#x017F;ten Zucht und Ab&#x017F;chmeltzung auch<lb/>
der geheim&#x017F;ten Abweichung, daß er &#x017F;ehr froh &#x017F;ey, daß GOTT &#x017F;o<lb/>
gerecht und heilig i&#x017F;t, wie er i&#x017F;t; &#x017F;ollte nun, &#x017F;age ich, mein bo&#x0364;ß<lb/>
Hertz &#x017F;o weit gebe&#x017F;&#x017F;ert werden; &#x017F;o mu&#x0364;ßte mir GOTT zuvor kom-<lb/>
men, den er&#x017F;ten Stein legen, zur Ver&#x017F;o&#x0364;hnung &#x017F;elb&#x017F;t den Anfang<lb/>
machen, und der er&#x017F;te meine Freund&#x017F;chafft &#x017F;uchen, und alles das<lb/>
lieb&#x017F;te aufwenden, mir mein Hertz abzugewinnen; er&#x017F;t alsdann i&#x017F;t<lb/>
er mir ein GOTT, wie ich gern hab, er&#x017F;t alsdann freuet es mich<lb/>
recht&#x017F;chaffen, daß er gerecht i&#x017F;t; weilen &#x017F;eine Gerechtigkeit ihne<lb/>
verbindet mir &#x017F;einen Sohn zu meinem getreue&#x017F;ten JESU und<lb/>
Ur&#x017F;a&#x0364;cher der ewigen Seeligkeit hinzugeben; Seine Heiligkeit aber<lb/>
will haben, daß er mir &#x017F;einen heiligen Gei&#x017F;t gebe. Er&#x017F;t alsdann,<lb/>
wann ich das Kind in der Krippen &#x017F;ehe, und kenne wer es i&#x017F;t,<lb/>
und warum es da i&#x017F;t, er&#x017F;t dennzumahl wird mein Hertz gantz an-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der&#x017F;t <hi rendition="#aq">a;</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[615/0711] Weyhnachts-Gedancken. und Herrlichkeit. O allerkoͤſtlichſtes Himmels-Geſchenck! wer von uns Erden-Wuͤrmen haͤtte GOTTES Sohn kauffen und er- werben koͤnnen? Zudem iſt der wahre GOTT bey denen abgewiche- nen Menſchen ſo gar gering geachtet, daß ſie kaum einen Gulden um ihn gaͤben; welches daraus erhellet, daß man eher um eines Guldens willen etwas Boͤſes unterwegen laſſet, und mehr Muͤh auf ſich nimmt, als um GOttes willen. Seine Meiſterſchafft und Gebott ſtehet dem Natur-Menſchen nicht an, der Gnaden-Balſam und Seelen-Artzney gefallet ihme nicht; dann er liebet ſeine Eyter- Beulen, ſeine Luͤſte und Begierden, er wendet ſich ab von denen funcklenden Augen JESU, weil er heuchleriſch und falſch iſt, und gern unnuͤtzen Gedancken nachhaͤnget: Er begehrt keines gerechten Richters, dann er liebet ſich ſelber mehr, als die Offenbahrung der Heiligkeit und Gerechtigkeit GOttes in der Straffe. Sollte nun der verkehrte Menſch zurecht gebracht werden, nicht mehr ſeine eigene Erhoͤhung, Ehr und Ruhm ſuchen, einen Eckel haben an Menſchen-Lob, mit der Verachtung wohl zu frieden ſeyn, die Armuth und Kranckheit nicht foͤrchten, Summa, hertzliches Gefallen haben an allem, was GOTT iſt und thut, daß ihm der Gehorſam gegen GOttes Wort und Wille ſein einiger Seelen- Wunſch ſey, daß er das allerſeeligſte, erfreulichſte Vergnuͤgen finde in der grundlichen Heiligung von allen eigenen Begierden und ſub- tilſten Gebrechen, in der genauſten Zucht und Abſchmeltzung auch der geheimſten Abweichung, daß er ſehr froh ſey, daß GOTT ſo gerecht und heilig iſt, wie er iſt; ſollte nun, ſage ich, mein boͤß Hertz ſo weit gebeſſert werden; ſo muͤßte mir GOTT zuvor kom- men, den erſten Stein legen, zur Verſoͤhnung ſelbſt den Anfang machen, und der erſte meine Freundſchafft ſuchen, und alles das liebſte aufwenden, mir mein Hertz abzugewinnen; erſt alsdann iſt er mir ein GOTT, wie ich gern hab, erſt alsdann freuet es mich rechtſchaffen, daß er gerecht iſt; weilen ſeine Gerechtigkeit ihne verbindet mir ſeinen Sohn zu meinem getreueſten JESU und Urſaͤcher der ewigen Seeligkeit hinzugeben; Seine Heiligkeit aber will haben, daß er mir ſeinen heiligen Geiſt gebe. Erſt alsdann, wann ich das Kind in der Krippen ſehe, und kenne wer es iſt, und warum es da iſt, erſt dennzumahl wird mein Hertz gantz an- derſt a;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/711
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 615. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/711>, abgerufen am 22.11.2024.