sich förchten machen, keine Trabanten, Hof-Junckeren, Feld-Her- ren, ja auch nur nicht gemahlete Bilder von Königen, und gräß- lichen Kriegs-Gurglen, auch weder Ochs noch Esel; dann was man von diesen singt, ist eine Fabel, entsprungen aus Esajä I. 3. Viel- leicht war es ein enger Schaaf-Stall neben einem Hauß; da in- dessen die Schaaf auf dem Feld waren bey den Heerden, damit die tumme Schaaf dem Lämmlein GOttes Platz machen, weil doch die Menschen nicht so viel Verstand haben, ihme einiges Räum- lein zu gönnen in der Herberg, ob er schon nicht so viel Weite ein- genommen hätte; das edle Kind hätte sich gern in einem Winckel- gen geduldet. Hier ware niemand als Joseph, Maria und ein über alle Massen holdseliges Kind, das Zweifels ohn (sintemahl es selbst persöhnlich der GOTT der Liebe ware) wer nur zu ihme kame, aufs freundlichste anlachete, und seine zarte Aermlein entge- gen streckte. Ach! warum fliehen wir dann vor diesem Kind? Warum vergessen wir sein so leicht? Pharaons Tochter sahe ein weinend Kind von Jsrael und nahm es auf zu Egyptens Untergang; Ey warum sollten wir den GOTT Jsraels nicht aufnehmen in un- ser Hertz und Haus, auf daß er uns und unseren Kinderen die Zeit verkürtze? Dann er zerbricht das Sünden-Reich und ersäufft in sei- nem rothen Blut-Meer alle unsere Feinde.
§. 10. O daß doch dieses Göttlichen Kindleins Weinen uns zuWird nachdrück- lich gezei- get, wie man das, was nach der Ge- burt dieses Kindes sich zuge- tragen, in- sonderheit das Wei- nen dessel- ben, zum Wach- thum in der Gott- seeligkeit anwenden solle. Hertzen gienge, daß wir uns über dasselbig erbarmeten, und es von gantzem Hertzen lauterlich liebeten, ihm alles zu gefallen thäten! Es ist gar Barbarisch ein jung zart Kind schnöd tractieren. O GOtt! daß wir doch nicht mehr sündigten; Weilen du uns lieb hast auf eine so unerhörte, und in alle Ewigkeit unausdenckliche Weise, daß wir in der Zeit darüber erstaunen müssen und das rechte beständige Lob- und Danck-Geschrey sparen, biß wir neu-verklärte Zungen ha- ben am Jüngsten Tag. O ihr Adams-Kinder! Sehet und schauet, wie es gewiß geschehen wird, wo der Glaube an dieses Wunder rechter Art ist, GOtt ein Kind! O du liebes guldenes Hertz- lein, was bringst mir Gutes? Dich selbst. Jch will dich ewig bey mir haben, du mein guter Theil: Jch habe dich mit Bedacht er- wehlt, du sollt nicht von mir genommen werden: Der unendliche in der Bärmutter einer Jungfrau! O du Göttlich schönes Printz-
lein,
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Weyhnachts-Gedancken.
ſich foͤrchten machen, keine Trabanten, Hof-Junckeren, Feld-Her- ren, ja auch nur nicht gemahlete Bilder von Koͤnigen, und graͤß- lichen Kriegs-Gurglen, auch weder Ochs noch Eſel; dann was man von dieſen ſingt, iſt eine Fabel, entſprungen aus Eſajaͤ I. 3. Viel- leicht war es ein enger Schaaf-Stall neben einem Hauß; da in- deſſen die Schaaf auf dem Feld waren bey den Heerden, damit die tumme Schaaf dem Laͤmmlein GOttes Platz machen, weil doch die Menſchen nicht ſo viel Verſtand haben, ihme einiges Raͤum- lein zu goͤnnen in der Herberg, ob er ſchon nicht ſo viel Weite ein- genommen haͤtte; das edle Kind haͤtte ſich gern in einem Winckel- gen geduldet. Hier ware niemand als Joſeph, Maria und ein uͤber alle Maſſen holdſeliges Kind, das Zweifels ohn (ſintemahl es ſelbſt perſoͤhnlich der GOTT der Liebe ware) wer nur zu ihme kame, aufs freundlichſte anlachete, und ſeine zarte Aermlein entge- gen ſtreckte. Ach! warum fliehen wir dann vor dieſem Kind? Warum vergeſſen wir ſein ſo leicht? Pharaons Tochter ſahe ein weinend Kind von Jſrael und nahm es auf zu Egyptens Untergang; Ey warum ſollten wir den GOTT Jſraels nicht aufnehmen in un- ſer Hertz und Haus, auf daß er uns und unſeren Kinderen die Zeit verkuͤrtze? Dann er zerbricht das Suͤnden-Reich und erſaͤufft in ſei- nem rothen Blut-Meer alle unſere Feinde.
§. 10. O daß doch dieſes Goͤttlichen Kindleins Weinen uns zuWird nachdruͤck- lich gezei- get, wie man das, was nach der Ge- burt dieſes Kindes ſich zuge- tragen, in- ſonderheit das Wei- nen deſſel- ben, zum Wach- thum in der Gott- ſeeligkeit anwenden ſolle. Hertzen gienge, daß wir uns uͤber daſſelbig erbarmeten, und es von gantzem Hertzen lauterlich liebeten, ihm alles zu gefallen thaͤten! Es iſt gar Barbariſch ein jung zart Kind ſchnoͤd tractieren. O GOtt! daß wir doch nicht mehr ſuͤndigten; Weilen du uns lieb haſt auf eine ſo unerhoͤrte, und in alle Ewigkeit unausdenckliche Weiſe, daß wir in der Zeit daruͤber erſtaunen muͤſſen und das rechte beſtaͤndige Lob- und Danck-Geſchrey ſparen, biß wir neu-verklaͤrte Zungen ha- ben am Juͤngſten Tag. O ihr Adams-Kinder! Sehet und ſchauet, wie es gewiß geſchehen wird, wo der Glaube an dieſes Wunder rechter Art iſt, GOtt ein Kind! O du liebes guldenes Hertz- lein, was bringſt mir Gutes? Dich ſelbſt. Jch will dich ewig bey mir haben, du mein guter Theil: Jch habe dich mit Bedacht er- wehlt, du ſollt nicht von mir genommen werden: Der unendliche in der Baͤrmutter einer Jungfrau! O du Goͤttlich ſchoͤnes Printz-
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Weyhnachts-Gedancken.
ſich foͤrchten machen, keine Trabanten, Hof-Junckeren, Feld-Her-
ren, ja auch nur nicht gemahlete Bilder von Koͤnigen, und graͤß-
lichen Kriegs-Gurglen, auch weder Ochs noch Eſel; dann was man
von dieſen ſingt, iſt eine Fabel, entſprungen aus Eſajaͤ I. 3. Viel-
leicht war es ein enger Schaaf-Stall neben einem Hauß; da in-
deſſen die Schaaf auf dem Feld waren bey den Heerden, damit die
tumme Schaaf dem Laͤmmlein GOttes Platz machen, weil doch
die Menſchen nicht ſo viel Verſtand haben, ihme einiges Raͤum-
lein zu goͤnnen in der Herberg, ob er ſchon nicht ſo viel Weite ein-
genommen haͤtte; das edle Kind haͤtte ſich gern in einem Winckel-
gen geduldet. Hier ware niemand als Joſeph, Maria und ein
uͤber alle Maſſen holdſeliges Kind, das Zweifels ohn (ſintemahl
es ſelbſt perſoͤhnlich der GOTT der Liebe ware) wer nur zu ihme
kame, aufs freundlichſte anlachete, und ſeine zarte Aermlein entge-
gen ſtreckte. Ach! warum fliehen wir dann vor dieſem Kind?
Warum vergeſſen wir ſein ſo leicht? Pharaons Tochter ſahe ein
weinend Kind von Jſrael und nahm es auf zu Egyptens Untergang;
Ey warum ſollten wir den GOTT Jſraels nicht aufnehmen in un-
ſer Hertz und Haus, auf daß er uns und unſeren Kinderen die Zeit
verkuͤrtze? Dann er zerbricht das Suͤnden-Reich und erſaͤufft in ſei-
nem rothen Blut-Meer alle unſere Feinde.
§. 10. O daß doch dieſes Goͤttlichen Kindleins Weinen uns zu
Hertzen gienge, daß wir uns uͤber daſſelbig erbarmeten, und es von
gantzem Hertzen lauterlich liebeten, ihm alles zu gefallen thaͤten! Es
iſt gar Barbariſch ein jung zart Kind ſchnoͤd tractieren. O GOtt!
daß wir doch nicht mehr ſuͤndigten; Weilen du uns lieb haſt auf
eine ſo unerhoͤrte, und in alle Ewigkeit unausdenckliche Weiſe, daß
wir in der Zeit daruͤber erſtaunen muͤſſen und das rechte beſtaͤndige
Lob- und Danck-Geſchrey ſparen, biß wir neu-verklaͤrte Zungen ha-
ben am Juͤngſten Tag. O ihr Adams-Kinder! Sehet und ſchauet,
wie es gewiß geſchehen wird, wo der Glaube an dieſes Wunder
rechter Art iſt, GOtt ein Kind! O du liebes guldenes Hertz-
lein, was bringſt mir Gutes? Dich ſelbſt. Jch will dich ewig bey
mir haben, du mein guter Theil: Jch habe dich mit Bedacht er-
wehlt, du ſollt nicht von mir genommen werden: Der unendliche
in der Baͤrmutter einer Jungfrau! O du Goͤttlich ſchoͤnes Printz-
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Wird
nachdruͤck-
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get, wie
man das,
was nach
der Ge-
burt dieſes
Kindes
ſich zuge-
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ben, zum
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anwenden
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/705>, abgerufen am 22.11.2024.
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