Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorbericht.
von der Sünd überwunden und gefangen ist? O daß es doch die
jungen Hertzen merckten, und sich ernstlich in H. Schrifft und im
Gebett übten, als theuren Gnaden-Mitteln, sich wie ehmahls die
Priester erstlich zu wäschen, zweytens Kleider anzuziehen, drittens
mit Oel übergossen zu werden; welches sehr Geheimnuß-reiche Pun-
cten, und zu köstlich, als daß sie in einer Vorred könnten erklärt
werden! Ach GOtt gebe doch manchem studierenden Jüngling eine
seelige Erfahrung darvon; sonst bleibt JEsus unverklärt, und sein
Heyl ungenossen für und für!

§. 4. Mur melde noch dieses zum Nachdencken, daß die Däm-Der so
lang ver-
heissene
Tag ist im
Anbruch.

merung des verheissenen Tags sich zeiget, und der Morgen-Stern
bereits in etwas weniges hervor blincket. Der H. Geist der Wahr-
heit ist der rechte Lehrer; seelig, wers verstehet, und sich im Ver-
borgen darzu bereiten lasset, durch fleißige Folge an den Zug und
Zucht der Gnaden! O! o! was wird der nicht erleben!

§. 5. Ubrigens wird es niemand verdencken, wann in dieser SchrifftWarum
in dieser
Schrifft
von JEsu
als einem
Kind gere-
det werde.

von JEsu, als von einem zarten Kind geredet wird; dann es wird
je keiner so närrisch seyn, daß er von GOtt wollte urtheilen nach der
Welt Art und Sinn, als wann seine Ehre bestuhnde in hohen Tit-
len, wie sich die stoltze Natur der armen Menschen daran belustiget
und gar viel darauf hält; Das Gebett des HErren lehret uns ein
anders. Was GOtt hat wollen werden, das will er auch von sich
zeugen lassen: Seine Herrlichkeit hat sich in eines Kindleins Gestalt
geoffenbahret, und obschon er nicht mehr ein kleines Kindlein ist,
so ist er es doch gewesen, und das soll unserem Glauben eben so ge-
genwärtig seyn, als wäre Ers noch, oder als lebten wir in den Ta-
gen Simeons. Wer dieses nicht erkennt, der gibt seine Blindheit
an Tag, daß er das Leben und die Würcksamkeit des Glaubens
nicht kenne, oder darinn noch sehr ungeübt und unerfahren seye;
Der Glaube siehet ihn ja als gecreutziget vor Augen gemahlet, wa-
rum nicht auch als ein Kind in der Krippen ligend, da jenes eben
so wohl längst vorbey ist als dieses? GOTTES Sohn wei-
net ja noch über uns, wie über Jerusalem; Sind es nicht leibli-
che Thränen, so ist es doch eben die Hertzens-Neigung, eben das
brausende Eingeweid der Erbarmungen: und darum ist er eben, als
das erwürgete Lamm in der Mitte des Throns. Apoc. 5, 6. Also ist
es eben noch heute seine Hertzens-Freude, uns alle forchtsame Schüch-

ternheit
D d d d 3

Vorbericht.
von der Suͤnd uͤberwunden und gefangen iſt? O daß es doch die
jungen Hertzen merckten, und ſich ernſtlich in H. Schrifft und im
Gebett uͤbten, als theuren Gnaden-Mitteln, ſich wie ehmahls die
Prieſter erſtlich zu waͤſchen, zweytens Kleider anzuziehen, drittens
mit Oel uͤbergoſſen zu werden; welches ſehr Geheimnuß-reiche Pun-
cten, und zu koͤſtlich, als daß ſie in einer Vorred koͤnnten erklaͤrt
werden! Ach GOtt gebe doch manchem ſtudierenden Juͤngling eine
ſeelige Erfahrung darvon; ſonſt bleibt JEſus unverklaͤrt, und ſein
Heyl ungenoſſen fuͤr und fuͤr!

§. 4. Mur melde noch dieſes zum Nachdencken, daß die Daͤm-Der ſo
lang ver-
heiſſene
Tag iſt im
Anbruch.

merung des verheiſſenen Tags ſich zeiget, und der Morgen-Stern
bereits in etwas weniges hervor blincket. Der H. Geiſt der Wahr-
heit iſt der rechte Lehrer; ſeelig, wers verſtehet, und ſich im Ver-
borgen darzu bereiten laſſet, durch fleißige Folge an den Zug und
Zucht der Gnaden! O! o! was wird der nicht erleben!

§. 5. Ubrigens wird es niemand verdencken, wann in dieſer SchrifftWarum
in dieſer
Schrifft
von JEſu
als einem
Kind gere-
det werde.

von JEſu, als von einem zarten Kind geredet wird; dann es wird
je keiner ſo naͤrriſch ſeyn, daß er von GOtt wollte urtheilen nach der
Welt Art und Sinn, als wann ſeine Ehre beſtuhnde in hohen Tit-
len, wie ſich die ſtoltze Natur der armen Menſchen daran beluſtiget
und gar viel darauf haͤlt; Das Gebett des HErren lehret uns ein
anders. Was GOtt hat wollen werden, das will er auch von ſich
zeugen laſſen: Seine Herrlichkeit hat ſich in eines Kindleins Geſtalt
geoffenbahret, und obſchon er nicht mehr ein kleines Kindlein iſt,
ſo iſt er es doch geweſen, und das ſoll unſerem Glauben eben ſo ge-
genwaͤrtig ſeyn, als waͤre Ers noch, oder als lebten wir in den Ta-
gen Simeons. Wer dieſes nicht erkennt, der gibt ſeine Blindheit
an Tag, daß er das Leben und die Wuͤrckſamkeit des Glaubens
nicht kenne, oder darinn noch ſehr ungeuͤbt und unerfahren ſeye;
Der Glaube ſiehet ihn ja als gecreutziget vor Augen gemahlet, wa-
rum nicht auch als ein Kind in der Krippen ligend, da jenes eben
ſo wohl laͤngſt vorbey iſt als dieſes? GOTTES Sohn wei-
net ja noch uͤber uns, wie uͤber Jeruſalem; Sind es nicht leibli-
che Thraͤnen, ſo iſt es doch eben die Hertzens-Neigung, eben das
brauſende Eingeweid der Erbarmungen: und darum iſt er eben, als
das erwuͤrgete Lamm in der Mitte des Throns. Apoc. 5, 6. Alſo iſt
es eben noch heute ſeine Hertzens-Freude, uns alle forchtſame Schuͤch-

ternheit
D d d d 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0677" n="581"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorbericht.</hi></fw><lb/>
von der Su&#x0364;nd u&#x0364;berwunden und gefangen i&#x017F;t? O daß es doch die<lb/>
jungen Hertzen merckten, und &#x017F;ich ern&#x017F;tlich in H. Schrifft und im<lb/>
Gebett u&#x0364;bten, als theuren Gnaden-Mitteln, &#x017F;ich wie ehmahls die<lb/>
Prie&#x017F;ter er&#x017F;tlich zu wa&#x0364;&#x017F;chen, zweytens Kleider anzuziehen, drittens<lb/>
mit Oel u&#x0364;bergo&#x017F;&#x017F;en zu werden; welches &#x017F;ehr Geheimnuß-reiche Pun-<lb/>
cten, und zu ko&#x0364;&#x017F;tlich, als daß &#x017F;ie in einer Vorred ko&#x0364;nnten erkla&#x0364;rt<lb/>
werden! Ach GOtt gebe doch manchem &#x017F;tudierenden Ju&#x0364;ngling eine<lb/>
&#x017F;eelige Erfahrung darvon; &#x017F;on&#x017F;t bleibt JE&#x017F;us unverkla&#x0364;rt, und &#x017F;ein<lb/>
Heyl ungeno&#x017F;&#x017F;en fu&#x0364;r und fu&#x0364;r!</p><lb/>
          <p>§. 4. Mur melde noch die&#x017F;es zum Nachdencken, daß die Da&#x0364;m-<note place="right">Der &#x017F;o<lb/>
lang ver-<lb/>
hei&#x017F;&#x017F;ene<lb/>
Tag i&#x017F;t im<lb/>
Anbruch.</note><lb/>
merung des verhei&#x017F;&#x017F;enen Tags &#x017F;ich zeiget, und der Morgen-Stern<lb/>
bereits in etwas weniges hervor blincket. Der H. Gei&#x017F;t der Wahr-<lb/>
heit i&#x017F;t der rechte Lehrer; &#x017F;eelig, wers ver&#x017F;tehet, und &#x017F;ich im Ver-<lb/>
borgen darzu bereiten la&#x017F;&#x017F;et, durch fleißige Folge an den Zug und<lb/>
Zucht der Gnaden! O! o! was wird der nicht erleben!</p><lb/>
          <p>§. 5. Ubrigens wird es niemand verdencken, wann in die&#x017F;er Schrifft<note place="right">Warum<lb/>
in die&#x017F;er<lb/>
Schrifft<lb/>
von JE&#x017F;u<lb/>
als einem<lb/>
Kind gere-<lb/>
det werde.</note><lb/>
von JE&#x017F;u, als von einem zarten Kind geredet wird; dann es wird<lb/>
je keiner &#x017F;o na&#x0364;rri&#x017F;ch &#x017F;eyn, daß er von GOtt wollte urtheilen nach der<lb/>
Welt Art und Sinn, als wann &#x017F;eine Ehre be&#x017F;tuhnde in hohen Tit-<lb/>
len, wie &#x017F;ich die &#x017F;toltze Natur der armen Men&#x017F;chen daran belu&#x017F;tiget<lb/>
und gar viel darauf ha&#x0364;lt; Das Gebett des HErren lehret uns ein<lb/>
anders. Was GOtt hat wollen werden, das will er auch von &#x017F;ich<lb/>
zeugen la&#x017F;&#x017F;en: Seine Herrlichkeit hat &#x017F;ich in eines Kindleins Ge&#x017F;talt<lb/>
geoffenbahret, und ob&#x017F;chon er nicht mehr ein kleines Kindlein i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t er es doch gewe&#x017F;en, und das &#x017F;oll un&#x017F;erem Glauben eben &#x017F;o ge-<lb/>
genwa&#x0364;rtig &#x017F;eyn, als wa&#x0364;re Ers noch, oder als lebten wir in den Ta-<lb/>
gen Simeons. Wer die&#x017F;es nicht erkennt, der gibt &#x017F;eine Blindheit<lb/>
an Tag, daß er das Leben und die Wu&#x0364;rck&#x017F;amkeit des Glaubens<lb/>
nicht kenne, oder darinn noch &#x017F;ehr ungeu&#x0364;bt und unerfahren &#x017F;eye;<lb/>
Der Glaube &#x017F;iehet ihn ja als gecreutziget vor Augen gemahlet, wa-<lb/>
rum nicht auch als ein Kind in der Krippen ligend, da jenes eben<lb/>
&#x017F;o wohl la&#x0364;ng&#x017F;t vorbey i&#x017F;t als die&#x017F;es? GOTTES Sohn wei-<lb/>
net ja noch u&#x0364;ber uns, wie u&#x0364;ber Jeru&#x017F;alem; Sind es nicht leibli-<lb/>
che Thra&#x0364;nen, &#x017F;o i&#x017F;t es doch eben die Hertzens-Neigung, eben das<lb/>
brau&#x017F;ende Eingeweid der Erbarmungen: und darum i&#x017F;t er eben, als<lb/>
das erwu&#x0364;rgete Lamm in der Mitte des Throns. Apoc. 5, 6. Al&#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
es eben noch heute &#x017F;eine Hertzens-Freude, uns alle forcht&#x017F;ame Schu&#x0364;ch-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D d d d 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ternheit</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[581/0677] Vorbericht. von der Suͤnd uͤberwunden und gefangen iſt? O daß es doch die jungen Hertzen merckten, und ſich ernſtlich in H. Schrifft und im Gebett uͤbten, als theuren Gnaden-Mitteln, ſich wie ehmahls die Prieſter erſtlich zu waͤſchen, zweytens Kleider anzuziehen, drittens mit Oel uͤbergoſſen zu werden; welches ſehr Geheimnuß-reiche Pun- cten, und zu koͤſtlich, als daß ſie in einer Vorred koͤnnten erklaͤrt werden! Ach GOtt gebe doch manchem ſtudierenden Juͤngling eine ſeelige Erfahrung darvon; ſonſt bleibt JEſus unverklaͤrt, und ſein Heyl ungenoſſen fuͤr und fuͤr! §. 4. Mur melde noch dieſes zum Nachdencken, daß die Daͤm- merung des verheiſſenen Tags ſich zeiget, und der Morgen-Stern bereits in etwas weniges hervor blincket. Der H. Geiſt der Wahr- heit iſt der rechte Lehrer; ſeelig, wers verſtehet, und ſich im Ver- borgen darzu bereiten laſſet, durch fleißige Folge an den Zug und Zucht der Gnaden! O! o! was wird der nicht erleben! Der ſo lang ver- heiſſene Tag iſt im Anbruch. §. 5. Ubrigens wird es niemand verdencken, wann in dieſer Schrifft von JEſu, als von einem zarten Kind geredet wird; dann es wird je keiner ſo naͤrriſch ſeyn, daß er von GOtt wollte urtheilen nach der Welt Art und Sinn, als wann ſeine Ehre beſtuhnde in hohen Tit- len, wie ſich die ſtoltze Natur der armen Menſchen daran beluſtiget und gar viel darauf haͤlt; Das Gebett des HErren lehret uns ein anders. Was GOtt hat wollen werden, das will er auch von ſich zeugen laſſen: Seine Herrlichkeit hat ſich in eines Kindleins Geſtalt geoffenbahret, und obſchon er nicht mehr ein kleines Kindlein iſt, ſo iſt er es doch geweſen, und das ſoll unſerem Glauben eben ſo ge- genwaͤrtig ſeyn, als waͤre Ers noch, oder als lebten wir in den Ta- gen Simeons. Wer dieſes nicht erkennt, der gibt ſeine Blindheit an Tag, daß er das Leben und die Wuͤrckſamkeit des Glaubens nicht kenne, oder darinn noch ſehr ungeuͤbt und unerfahren ſeye; Der Glaube ſiehet ihn ja als gecreutziget vor Augen gemahlet, wa- rum nicht auch als ein Kind in der Krippen ligend, da jenes eben ſo wohl laͤngſt vorbey iſt als dieſes? GOTTES Sohn wei- net ja noch uͤber uns, wie uͤber Jeruſalem; Sind es nicht leibli- che Thraͤnen, ſo iſt es doch eben die Hertzens-Neigung, eben das brauſende Eingeweid der Erbarmungen: und darum iſt er eben, als das erwuͤrgete Lamm in der Mitte des Throns. Apoc. 5, 6. Alſo iſt es eben noch heute ſeine Hertzens-Freude, uns alle forchtſame Schuͤch- ternheit Warum in dieſer Schrifft von JEſu als einem Kind gere- det werde. D d d d 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/677
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 581. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/677>, abgerufen am 22.11.2024.