loßgedruckt wird. Freylich! wann unser Heerführer nicht der allmäch- tige, allgegenwärtige GOTT der Liebe wäre, so käme von hundert seiner Kriegs-Knechten kaum einer davon wegen ihrer gar zu schlech- ten, schläfferigen Zurüstung und mannigfaltigen Verweilens. HErr erbarm dich unser! erwecke! hilff. Ach arme Seele! die kurtze Le- bens-Zeit dient dir nur bloß dazu, daß du dich machst bereit.
Das Ver- halten ge- gen dem Neben- Menschen ist: daß man bey geübten Christen Rath su- che.
§. 15. Fr. Wie soll ich mich hierinnen Verhalten gegen dem Nächsten?
Antw. (1.) Klag nicht einem jeden deine Noth. Trage du deine Angst im Verborgenen vor deinen GOtt, der wird dein Hertz schon trösten; weissest du aber bewährte Streiter Christi, und geübte Mit- Glieder, so sprich sie getrost um guten Rath an, und um ihre Vor- bitt. Diß werden sie dir nicht versagen. Doch hast du so gewaltig viel Rath und Trost im Psalm-Buch Davids, im 3ten Cap. der Klag- Lieder Jeremiä, in der Paßions-Historie JEsu Christi und in denen 2. angezogenen Capiteln Johann Arnds, daß dir wohl niemand was bessers sagen wird.
Sich in der Angst- Höll ge- trost er- zeige.
§. 16. (2.) Hüte dich, daß du kein böß Geschrey über das Land Jm- manuels bringest; bezeuge dich getrost und vergnügt, wann auch schon eine innerliche Angst-Hölle dir bey nahe das Hertz abbrennen will: Siehe eben nicht sauer drein, wie die Heuchler, sondern salbe dein Haupt und wäsche dein Angesicht, auf daß du nicht den Menschen scheinest als fastend; daß dir dein heimlich Fasten, Weinen, Heu- len niemand ansehe, daß du im Verborgenen führest wegen der Ab- wesenheit des Bräutigams und wegen deiner treulosen Stücken, wo- mit du ihne vertrieben. Also hat der recht fromme Samuel Schu- macher, Prediger zu Melchnau auf seinem Tod-Bette gethan, wann jemand von seinen Welt-Gesinnten Freunden und Verwandten ihn besuchte, pflegte er einen gantz getrosten Muth zu bezeugen, wiewohl er sich als den allerschnödesten Höllen-Wurm vor GOTT ansahe, auch sich vor innerer, grossen Seelen-Angst nicht zu finden wußte. Eben also thäte auch der seelige Jnspector Mischken, so Anno 1734. in Halle gestorben. Wo ihm nicht einmahl diese klägliche Seuffzer entfahren wären: Ach nun ja lieber Heyland, es ist alles recht gut, wie du es gemacht hast; aber laß es doch nun einmahl genug seyn mit den schweren Anfechtungen. So sollte ihm kein Mensch angemercket haben, daß etwas dergleichen bey ihm vor- gienge, zumahlen er unaufhörlich evangelisirte; ja, je näher sein Ende kam, desto eiffriger drang er in Christum und Seine
Gnade
Gedancken von den Seelen-Aengſten.
loßgedruckt wird. Freylich! wann unſer Heerfuͤhrer nicht der allmaͤch- tige, allgegenwaͤrtige GOTT der Liebe waͤre, ſo kaͤme von hundert ſeiner Kriegs-Knechten kaum einer davon wegen ihrer gar zu ſchlech- ten, ſchlaͤfferigen Zuruͤſtung und mannigfaltigen Verweilens. HErr erbarm dich unſer! erwecke! hilff. Ach arme Seele! die kurtze Le- bens-Zeit dient dir nur bloß dazu, daß du dich machſt bereit.
Das Ver- halten ge- gen dem Neben- Menſchen iſt: daß man bey geuͤbten Chriſten Rath ſu- che.
§. 15. Fr. Wie ſoll ich mich hieriñen Verhalten gegen dem Naͤchſten?
Antw. (1.) Klag nicht einem jeden deine Noth. Trage du deine Angſt im Verborgenen vor deinen GOtt, der wird dein Hertz ſchon troͤſten; weiſſeſt du aber bewaͤhrte Streiter Chriſti, und geuͤbte Mit- Glieder, ſo ſprich ſie getroſt um guten Rath an, und um ihre Vor- bitt. Diß werden ſie dir nicht verſagen. Doch haſt du ſo gewaltig viel Rath und Troſt im Pſalm-Buch Davids, im 3ten Cap. der Klag- Lieder Jeremiaͤ, in der Paßions-Hiſtorie JEſu Chriſti und in denen 2. angezogenen Capiteln Johann Arnds, daß dir wohl niemand was beſſers ſagen wird.
Sich in der Angſt- Hoͤll ge- troſt er- zeige.
§. 16. (2.) Huͤte dich, daß du kein boͤß Geſchrey uͤber das Land Jm- manuels bringeſt; bezeuge dich getroſt und vergnuͤgt, wann auch ſchon eine innerliche Angſt-Hoͤlle dir bey nahe das Hertz abbrennen will: Siehe eben nicht ſauer drein, wie die Heuchler, ſondern ſalbe dein Haupt und waͤſche dein Angeſicht, auf daß du nicht den Menſchen ſcheineſt als faſtend; daß dir dein heimlich Faſten, Weinen, Heu- len niemand anſehe, daß du im Verborgenen fuͤhreſt wegen der Ab- weſenheit des Braͤutigams und wegen deiner treuloſen Stuͤcken, wo- mit du ihne vertrieben. Alſo hat der recht fromme Samuel Schu- macher, Prediger zu Melchnau auf ſeinem Tod-Bette gethan, wann jemand von ſeinen Welt-Geſinnten Freunden und Verwandten ihn beſuchte, pflegte er einen gantz getroſten Muth zu bezeugen, wiewohl er ſich als den allerſchnoͤdeſten Hoͤllen-Wurm vor GOTT anſahe, auch ſich vor innerer, groſſen Seelen-Angſt nicht zu finden wußte. Eben alſo thaͤte auch der ſeelige Jnſpector Miſchken, ſo Anno 1734. in Halle geſtorben. Wo ihm nicht einmahl dieſe klaͤgliche Seuffzer entfahren waͤren: Ach nun ja lieber Heyland, es iſt alles recht gut, wie du es gemacht haſt; aber laß es doch nun einmahl genug ſeyn mit den ſchweren Anfechtungen. So ſollte ihm kein Menſch angemercket haben, daß etwas dergleichen bey ihm vor- gienge, zumahlen er unaufhoͤrlich evangeliſirte; ja, je naͤher ſein Ende kam, deſto eiffriger drang er in Chriſtum und Seine
Gnade
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Gedancken von den Seelen-Aengſten.
loßgedruckt wird. Freylich! wann unſer Heerfuͤhrer nicht der allmaͤch-
tige, allgegenwaͤrtige GOTT der Liebe waͤre, ſo kaͤme von hundert
ſeiner Kriegs-Knechten kaum einer davon wegen ihrer gar zu ſchlech-
ten, ſchlaͤfferigen Zuruͤſtung und mannigfaltigen Verweilens. HErr
erbarm dich unſer! erwecke! hilff. Ach arme Seele! die kurtze Le-
bens-Zeit dient dir nur bloß dazu, daß du dich machſt bereit.
§. 15. Fr. Wie ſoll ich mich hieriñen Verhalten gegen dem Naͤchſten?
Antw. (1.) Klag nicht einem jeden deine Noth. Trage du deine
Angſt im Verborgenen vor deinen GOtt, der wird dein Hertz ſchon
troͤſten; weiſſeſt du aber bewaͤhrte Streiter Chriſti, und geuͤbte Mit-
Glieder, ſo ſprich ſie getroſt um guten Rath an, und um ihre Vor-
bitt. Diß werden ſie dir nicht verſagen. Doch haſt du ſo gewaltig
viel Rath und Troſt im Pſalm-Buch Davids, im 3ten Cap. der Klag-
Lieder Jeremiaͤ, in der Paßions-Hiſtorie JEſu Chriſti und in denen
2. angezogenen Capiteln Johann Arnds, daß dir wohl niemand was
beſſers ſagen wird.
§. 16. (2.) Huͤte dich, daß du kein boͤß Geſchrey uͤber das Land Jm-
manuels bringeſt; bezeuge dich getroſt und vergnuͤgt, wann auch ſchon
eine innerliche Angſt-Hoͤlle dir bey nahe das Hertz abbrennen will:
Siehe eben nicht ſauer drein, wie die Heuchler, ſondern ſalbe dein
Haupt und waͤſche dein Angeſicht, auf daß du nicht den Menſchen
ſcheineſt als faſtend; daß dir dein heimlich Faſten, Weinen, Heu-
len niemand anſehe, daß du im Verborgenen fuͤhreſt wegen der Ab-
weſenheit des Braͤutigams und wegen deiner treuloſen Stuͤcken, wo-
mit du ihne vertrieben. Alſo hat der recht fromme Samuel Schu-
macher, Prediger zu Melchnau auf ſeinem Tod-Bette gethan, wann
jemand von ſeinen Welt-Geſinnten Freunden und Verwandten ihn
beſuchte, pflegte er einen gantz getroſten Muth zu bezeugen, wiewohl
er ſich als den allerſchnoͤdeſten Hoͤllen-Wurm vor GOTT anſahe,
auch ſich vor innerer, groſſen Seelen-Angſt nicht zu finden wußte.
Eben alſo thaͤte auch der ſeelige Jnſpector Miſchken, ſo Anno
1734. in Halle geſtorben. Wo ihm nicht einmahl dieſe klaͤgliche
Seuffzer entfahren waͤren: Ach nun ja lieber Heyland, es iſt alles
recht gut, wie du es gemacht haſt; aber laß es doch nun einmahl
genug ſeyn mit den ſchweren Anfechtungen. So ſollte ihm kein
Menſch angemercket haben, daß etwas dergleichen bey ihm vor-
gienge, zumahlen er unaufhoͤrlich evangeliſirte; ja, je naͤher
ſein Ende kam, deſto eiffriger drang er in Chriſtum und Seine
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/616>, abgerufen am 22.11.2024.
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