so will ich dir geben. Wie gut ists von GOtt erhöret und errettet werden!
§. 5. Setze: eine Mutter hat drey Kinder; die will sie versuchen,Welches mit dem Exempel einer Mut- ter und drey Kin- dern er- läutert wird. wie ein jedes geartet sey und bey welchem sie das meiste gelte; zu dem End verbirgt sie sich hinter die Wand und gucket durchs Gitter. Cant. 2, 9. das erste wird erschrecklich gereitzt zur Untreu, Abfall, Unge- horsam, es wehret sich aber und beharret bey seinem unwanckelbaren Schluß, es wolle sich lieber lassen in Stucke zerreissen als seiner lieben Mutter was zuwider thun. O wie brennet und flammet der frommen Mutter das Hertz gegen sothanem Kind! das andere laßt sich nach ei- nem mindern oder grössern Widerstand überwinden zu nicht geringer Betrübniß seiner Mutter, weilen es sich dadurch der allen Uberwin- dern zugedachten Crone verlustig gemacht, dagegen Uberwundene sehr zu Schanden werden. Das dritte fiele dem Versucher ohne viel Com- pliment freywillig bey. Nun thate die Mutter die Thüre plötzlich auf; das erste ward erfüllet mit frölichem Jauchzen und ward aufs zarteste umhalset und reichlich beschencket: das zweyte fiel in der Angst zu ih- ren Füssen und bate die begangene Untreu mit tausend heissen Thrä- nen ab. Das dritte lieff im Schrecken davon, blieb von Hauß, mach- te bey fremden Leuten viel Plauderns und Klagens, trauete der hoch- betrübten Mutter nicht viel Gutes zu, gedachte an keine demüthige Widerkehr, suchte sein Glück anderwärtig. Prüffe dich in welche Claß du gehörest.
§. 6. Fr. Wie soll ich mich dabey verhalten gegen mir selbsten?
Das Ver- halten ge- gen sich selbsten ist: daß man nicht klein- müthig werde.
Antw. (1.) Sey nicht unmuthig. Wer kan dir schaden, wann du dem Guten nachkommest? 1 Petr. III. 13. Wird dich Trübsal oder Angst von der Liebe Christi scheiden? Paulus sagt nein dazu. Rom. VIII. 35. vielmehr sey versichert, dein GOtt wolle und werde dir hierdurch die gröste Wohlthat erzeigen, und dich zum reinen Gold machen 1 Petr. I. 7. darum fasse deine Seele in Gedult. Luc. XXI. 19. Kleinmuth und Verzagtheit thut greulichen Schaden, verleitet zum Murren und wi- derlichen Gedancken gegen das höchste Gut, welches abzulehnen und flux im Aufsteigen schlechter dings zu verdammen ist, eine gar zu ent- setzliche Verwüstung zu verhüten. Ach arme Seele harre auf GOtt Ps. XXVII. 13. 14. XLIII. 2-5. die Stund Christi ist noch nicht kom- men Joh. II. 4. die vierte Nacht-Wache, es ist noch nicht aller Tagen Abend Ps. LXXVII. 11. sinne nicht so tieff an dich selber, es schwin- elt dir wohl, wann du in den Jammer-Pful hinunter guckest der See-
len-
T t t
Gedancken von den Seelen-Aengſten.
ſo will ich dir geben. Wie gut iſts von GOtt erhoͤret und errettet werden!
§. 5. Setze: eine Mutter hat drey Kinder; die will ſie verſuchen,Welches mit dem Exempel einer Mut- ter und drey Kin- dern er- laͤutert wird. wie ein jedes geartet ſey und bey welchem ſie das meiſte gelte; zu dem End verbirgt ſie ſich hinter die Wand und gucket durchs Gitter. Cant. 2, 9. das erſte wird erſchrecklich gereitzt zur Untreu, Abfall, Unge- horſam, es wehret ſich aber und beharret bey ſeinem unwanckelbaren Schluß, es wolle ſich lieber laſſen in Stucke zerreiſſen als ſeiner lieben Mutter was zuwider thun. O wie brennet und flammet der frommen Mutter das Hertz gegen ſothanem Kind! das andere laßt ſich nach ei- nem mindern oder groͤſſern Widerſtand uͤberwinden zu nicht geringer Betruͤbniß ſeiner Mutter, weilen es ſich dadurch der allen Uberwin- dern zugedachten Crone verluſtig gemacht, dagegen Uberwundene ſehr zu Schanden werden. Das dritte fiele dem Verſucher ohne viel Com- pliment freywillig bey. Nun thate die Mutter die Thuͤre ploͤtzlich auf; das erſte ward erfuͤllet mit froͤlichem Jauchzen und ward aufs zarteſte umhalſet und reichlich beſchencket: das zweyte fiel in der Angſt zu ih- ren Fuͤſſen und bate die begangene Untreu mit tauſend heiſſen Thraͤ- nen ab. Das dritte lieff im Schrecken davon, blieb von Hauß, mach- te bey fremden Leuten viel Plauderns und Klagens, trauete der hoch- betruͤbten Mutter nicht viel Gutes zu, gedachte an keine demuͤthige Widerkehr, ſuchte ſein Gluͤck anderwaͤrtig. Pruͤffe dich in welche Claß du gehoͤreſt.
§. 6. Fr. Wie ſoll ich mich dabey verhalten gegen mir ſelbſten?
Das Ver- halten ge- gen ſich ſelbſten iſt: daß man nicht klein- muͤthig werde.
Antw. (1.) Sey nicht unmuthig. Wer kan dir ſchaden, wann du dem Guten nachkommeſt? 1 Petr. III. 13. Wird dich Truͤbſal oder Angſt von der Liebe Chriſti ſcheiden? Paulus ſagt nein dazu. Rom. VIII. 35. vielmehr ſey verſichert, dein GOtt wolle und werde dir hierdurch die groͤſte Wohlthat erzeigen, und dich zum reinen Gold machen 1 Petr. I. 7. darum faſſe deine Seele in Gedult. Luc. XXI. 19. Kleinmuth und Verzagtheit thut greulichen Schaden, verleitet zum Murren und wi- derlichen Gedancken gegen das hoͤchſte Gut, welches abzulehnen und flux im Aufſteigen ſchlechter dings zu verdammen iſt, eine gar zu ent- ſetzliche Verwuͤſtung zu verhuͤten. Ach arme Seele harre auf GOtt Pſ. XXVII. 13. 14. XLIII. 2-5. die Stund Chriſti iſt noch nicht kom- men Joh. II. 4. die vierte Nacht-Wache, es iſt noch nicht aller Tagen Abend Pſ. LXXVII. 11. ſinne nicht ſo tieff an dich ſelber, es ſchwin- elt dir wohl, wann du in den Jammer-Pful hinunter guckeſt der See-
len-
T t t
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0609"n="513"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Gedancken von den Seelen-Aengſten.</hi></fw><lb/>ſo will ich dir geben. Wie gut iſts von GOtt erhoͤret und errettet<lb/>
werden!</p><lb/><p><hirendition="#i">§.</hi> 5. Setze: eine Mutter hat drey Kinder; die will ſie verſuchen,<noteplace="right">Welches<lb/>
mit dem<lb/>
Exempel<lb/>
einer Mut-<lb/>
ter und<lb/>
drey Kin-<lb/>
dern er-<lb/>
laͤutert<lb/>
wird.</note><lb/>
wie ein jedes geartet ſey und bey welchem ſie das meiſte gelte; zu dem<lb/>
End verbirgt ſie ſich hinter die Wand und gucket durchs Gitter. Cant.<lb/>
2, 9. das erſte wird erſchrecklich gereitzt zur Untreu, Abfall, Unge-<lb/>
horſam, es wehret ſich aber und beharret bey ſeinem unwanckelbaren<lb/>
Schluß, es wolle ſich lieber laſſen in Stucke zerreiſſen als ſeiner lieben<lb/>
Mutter was zuwider thun. O wie brennet und flammet der frommen<lb/>
Mutter das Hertz gegen ſothanem Kind! das andere laßt ſich nach ei-<lb/>
nem mindern oder groͤſſern Widerſtand uͤberwinden zu nicht geringer<lb/>
Betruͤbniß ſeiner Mutter, weilen es ſich dadurch der allen Uberwin-<lb/>
dern zugedachten Crone verluſtig gemacht, dagegen Uberwundene ſehr<lb/>
zu Schanden werden. Das dritte fiele dem Verſucher ohne viel Com-<lb/>
pliment freywillig bey. Nun thate die Mutter die Thuͤre ploͤtzlich auf;<lb/>
das erſte ward erfuͤllet mit froͤlichem Jauchzen und ward aufs zarteſte<lb/>
umhalſet und reichlich beſchencket: das zweyte fiel in der Angſt zu ih-<lb/>
ren Fuͤſſen und bate die begangene Untreu mit tauſend heiſſen Thraͤ-<lb/>
nen ab. Das dritte lieff im Schrecken davon, blieb von Hauß, mach-<lb/>
te bey fremden Leuten viel Plauderns und Klagens, trauete der hoch-<lb/>
betruͤbten Mutter nicht viel Gutes zu, gedachte an keine demuͤthige<lb/>
Widerkehr, ſuchte ſein Gluͤck anderwaͤrtig. Pruͤffe dich in welche<lb/>
Claß du gehoͤreſt.</p><lb/><p>§. 6. Fr. Wie ſoll ich mich dabey verhalten <hirendition="#fr">gegen mir ſelbſten?</hi></p><noteplace="right">Das Ver-<lb/>
halten ge-<lb/>
gen ſich<lb/>ſelbſten iſt:<lb/>
daß man<lb/>
nicht klein-<lb/>
muͤthig<lb/>
werde.</note><lb/><p>Antw. (1.) Sey nicht unmuthig. Wer kan dir ſchaden, wann du<lb/>
dem Guten nachkommeſt? 1 Petr. <hirendition="#aq">III.</hi> 13. Wird dich Truͤbſal oder<lb/>
Angſt von der Liebe Chriſti ſcheiden? Paulus ſagt nein dazu. Rom. <hirendition="#aq">VIII.</hi><lb/>
35. vielmehr ſey verſichert, dein GOtt wolle und werde dir hierdurch<lb/>
die groͤſte Wohlthat erzeigen, und dich zum reinen Gold machen 1 Petr.<lb/><hirendition="#aq">I.</hi> 7. darum faſſe deine Seele in Gedult. Luc. <hirendition="#aq">XXI.</hi> 19. Kleinmuth und<lb/>
Verzagtheit thut greulichen Schaden, verleitet zum Murren und wi-<lb/>
derlichen Gedancken gegen das hoͤchſte Gut, welches abzulehnen und<lb/>
flux im Aufſteigen ſchlechter dings zu verdammen iſt, eine gar zu ent-<lb/>ſetzliche Verwuͤſtung zu verhuͤten. Ach arme Seele harre auf GOtt<lb/>
Pſ. <hirendition="#aq">XXVII. 13. 14. XLIII.</hi> 2-5. die Stund Chriſti iſt noch nicht kom-<lb/>
men Joh. <hirendition="#aq">II.</hi> 4. die vierte Nacht-Wache, es iſt noch nicht aller Tagen<lb/>
Abend Pſ. <hirendition="#aq">LXXVII.</hi> 11. ſinne nicht ſo tieff an dich ſelber, es ſchwin-<lb/>
elt dir wohl, wann du in den Jammer-Pful hinunter guckeſt der See-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">T t t</fw><fwplace="bottom"type="catch">len-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[513/0609]
Gedancken von den Seelen-Aengſten.
ſo will ich dir geben. Wie gut iſts von GOtt erhoͤret und errettet
werden!
§. 5. Setze: eine Mutter hat drey Kinder; die will ſie verſuchen,
wie ein jedes geartet ſey und bey welchem ſie das meiſte gelte; zu dem
End verbirgt ſie ſich hinter die Wand und gucket durchs Gitter. Cant.
2, 9. das erſte wird erſchrecklich gereitzt zur Untreu, Abfall, Unge-
horſam, es wehret ſich aber und beharret bey ſeinem unwanckelbaren
Schluß, es wolle ſich lieber laſſen in Stucke zerreiſſen als ſeiner lieben
Mutter was zuwider thun. O wie brennet und flammet der frommen
Mutter das Hertz gegen ſothanem Kind! das andere laßt ſich nach ei-
nem mindern oder groͤſſern Widerſtand uͤberwinden zu nicht geringer
Betruͤbniß ſeiner Mutter, weilen es ſich dadurch der allen Uberwin-
dern zugedachten Crone verluſtig gemacht, dagegen Uberwundene ſehr
zu Schanden werden. Das dritte fiele dem Verſucher ohne viel Com-
pliment freywillig bey. Nun thate die Mutter die Thuͤre ploͤtzlich auf;
das erſte ward erfuͤllet mit froͤlichem Jauchzen und ward aufs zarteſte
umhalſet und reichlich beſchencket: das zweyte fiel in der Angſt zu ih-
ren Fuͤſſen und bate die begangene Untreu mit tauſend heiſſen Thraͤ-
nen ab. Das dritte lieff im Schrecken davon, blieb von Hauß, mach-
te bey fremden Leuten viel Plauderns und Klagens, trauete der hoch-
betruͤbten Mutter nicht viel Gutes zu, gedachte an keine demuͤthige
Widerkehr, ſuchte ſein Gluͤck anderwaͤrtig. Pruͤffe dich in welche
Claß du gehoͤreſt.
Welches
mit dem
Exempel
einer Mut-
ter und
drey Kin-
dern er-
laͤutert
wird.
§. 6. Fr. Wie ſoll ich mich dabey verhalten gegen mir ſelbſten?
Antw. (1.) Sey nicht unmuthig. Wer kan dir ſchaden, wann du
dem Guten nachkommeſt? 1 Petr. III. 13. Wird dich Truͤbſal oder
Angſt von der Liebe Chriſti ſcheiden? Paulus ſagt nein dazu. Rom. VIII.
35. vielmehr ſey verſichert, dein GOtt wolle und werde dir hierdurch
die groͤſte Wohlthat erzeigen, und dich zum reinen Gold machen 1 Petr.
I. 7. darum faſſe deine Seele in Gedult. Luc. XXI. 19. Kleinmuth und
Verzagtheit thut greulichen Schaden, verleitet zum Murren und wi-
derlichen Gedancken gegen das hoͤchſte Gut, welches abzulehnen und
flux im Aufſteigen ſchlechter dings zu verdammen iſt, eine gar zu ent-
ſetzliche Verwuͤſtung zu verhuͤten. Ach arme Seele harre auf GOtt
Pſ. XXVII. 13. 14. XLIII. 2-5. die Stund Chriſti iſt noch nicht kom-
men Joh. II. 4. die vierte Nacht-Wache, es iſt noch nicht aller Tagen
Abend Pſ. LXXVII. 11. ſinne nicht ſo tieff an dich ſelber, es ſchwin-
elt dir wohl, wann du in den Jammer-Pful hinunter guckeſt der See-
len-
T t t
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/609>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.