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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Gedancken von den Seelen-Aengsten.
einen hin-
ausfüh-
ren,
genug gedemüthiget, in der Klemme gehalten und dir dein böses,
verkehrtes Thun und schandliche Neigungen rechtschaffen verleidet, so
siehet er die Thüre schon vor sich, dardurch er dich aus allen deinen
Bangigkeiten hinaus führen will in eine sehr grosse Freude und Won-
ne, wiewohl es dich jetzt dunckt, du müssest ewig drinn bleiben, seit
der letzten, aber nicht nach GOttes Rath angewandten Hülff sey vor
dich keine mehr zu hoffen.

wann
man nur
in Gedult
ausharret.

§. 20. Jetzt zwar dunckt dich GOttes Erbarmung, Christi Ver-
dienst und des H. Geistes Vermögen gering, klein und schlecht, in-
dem du nichts davon fühlest; im Gegentheil findest du dein Elend,
Sünd und Verschuldung vor GOtt so groß, starck, mächtig, be-
zwingend, daß Christi Herrlichkeit wie nichts dagegen scheint, eine
pure Einbildung; welches alles eine Zeitlang ein schimpffliches Anse-
hen hat, aber harre du nur ein wenig, dücke dich, zupffe, schmie-
ge dich, laß blitzen, regnen, hageln, donnern, biß alles fürüber ist,
sey still wie ein Mäußlein, halt das Maul, faß die Gedult beym Arm,
nöthige sie bey dir nieder zu sitzen, biß sich das Blat gewendet, was
dich jetzt schrecket und drucket, vergangen; hingegen GOttes Gna-
den-Krafft, der Friede Christi grösser und weiter wird als aller Him-
mel Himmeln; thätliche Wunder-Hülff wird Christi Wort rechtferti-
gen und in Credit setzen.

Der
Glaub ist
bey den
Glau-
bens-Hel-
den nicht
so schwer.

§. 21. Wird nun dem Feind solches zugelassen über Seelen die in
der Erkanntniß der Evangelischen Wahrheit, im Glauben, und also
in der Gnade geübet sind, so können sie ihm desto besser wiederstehen,
und kan er die nicht so leicht ins Garn bringen, daß ihnen nicht einige
Oeffnung des Trostes sollte übrig bleiben, obwohl er solche aufs beste
zu versperren sucht. Diß ist der seelige Nutz und unvergleichlich Pri-
vilegium, so man hat vom Gehorsam des Glaubens, da die Liebes-
Begierd nicht so leicht abweicht von Christo zu sich selbst und der
Welt; ach den Eckel nachwerts zu fühlen, so GOtt hat ab aller Un-
treu, ist Jammers genug.

Härter
hält es
bey den
Ungeüb-
ten.

§. 22. Aber viel härter ist der Strauß bey ungeübten, schwach-
glaubigen, und in geistlichen Kämpfen noch ungeübten Anfänger.
Diese sucht er mit aller Macht vom Glauben und dessen Freudigkeit
ab- und zuruck zu halten.

Wie sie
sich in die-

§. 23. Nachdem du nun dieses weissest, so henge dem Erb-Feind
nicht nach in seiner bösen Lust und heißhungerigen Begierd nach deinem

ewi-

Gedancken von den Seelen-Aengſten.
einen hin-
ausfuͤh-
ren,
genug gedemuͤthiget, in der Klemme gehalten und dir dein boͤſes,
verkehrtes Thun und ſchandliche Neigungen rechtſchaffen verleidet, ſo
ſiehet er die Thuͤre ſchon vor ſich, dardurch er dich aus allen deinen
Bangigkeiten hinaus fuͤhren will in eine ſehr groſſe Freude und Won-
ne, wiewohl es dich jetzt dunckt, du muͤſſeſt ewig drinn bleiben, ſeit
der letzten, aber nicht nach GOttes Rath angewandten Huͤlff ſey vor
dich keine mehr zu hoffen.

wann
man nur
in Gedult
ausharꝛet.

§. 20. Jetzt zwar dunckt dich GOttes Erbarmung, Chriſti Ver-
dienſt und des H. Geiſtes Vermoͤgen gering, klein und ſchlecht, in-
dem du nichts davon fuͤhleſt; im Gegentheil findeſt du dein Elend,
Suͤnd und Verſchuldung vor GOtt ſo groß, ſtarck, maͤchtig, be-
zwingend, daß Chriſti Herrlichkeit wie nichts dagegen ſcheint, eine
pure Einbildung; welches alles eine Zeitlang ein ſchimpffliches Anſe-
hen hat, aber harre du nur ein wenig, duͤcke dich, zupffe, ſchmie-
ge dich, laß blitzen, regnen, hageln, donnern, biß alles fuͤruͤber iſt,
ſey ſtill wie ein Maͤußlein, halt das Maul, faß die Gedult beym Arm,
noͤthige ſie bey dir nieder zu ſitzen, biß ſich das Blat gewendet, was
dich jetzt ſchrecket und drucket, vergangen; hingegen GOttes Gna-
den-Krafft, der Friede Chriſti groͤſſer und weiter wird als aller Him-
mel Himmeln; thaͤtliche Wunder-Huͤlff wird Chriſti Wort rechtferti-
gen und in Credit ſetzen.

Der
Glaub iſt
bey den
Glau-
bens-Hel-
den nicht
ſo ſchwer.

§. 21. Wird nun dem Feind ſolches zugelaſſen uͤber Seelen die in
der Erkanntniß der Evangeliſchen Wahrheit, im Glauben, und alſo
in der Gnade geuͤbet ſind, ſo koͤnnen ſie ihm deſto beſſer wiederſtehen,
und kan er die nicht ſo leicht ins Garn bringen, daß ihnen nicht einige
Oeffnung des Troſtes ſollte uͤbrig bleiben, obwohl er ſolche aufs beſte
zu verſperren ſucht. Diß iſt der ſeelige Nutz und unvergleichlich Pri-
vilegium, ſo man hat vom Gehorſam des Glaubens, da die Liebes-
Begierd nicht ſo leicht abweicht von Chriſto zu ſich ſelbſt und der
Welt; ach den Eckel nachwerts zu fuͤhlen, ſo GOtt hat ab aller Un-
treu, iſt Jammers genug.

Haͤrter
haͤlt es
bey den
Ungeuͤb-
ten.

§. 22. Aber viel haͤrter iſt der Strauß bey ungeuͤbten, ſchwach-
glaubigen, und in geiſtlichen Kaͤmpfen noch ungeuͤbten Anfaͤnger.
Dieſe ſucht er mit aller Macht vom Glauben und deſſen Freudigkeit
ab- und zuruck zu halten.

Wie ſie
ſich in die-

§. 23. Nachdem du nun dieſes weiſſeſt, ſo henge dem Erb-Feind
nicht nach in ſeiner boͤſen Luſt und heißhungerigen Begierd nach deinem

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[498/0594] Gedancken von den Seelen-Aengſten. genug gedemuͤthiget, in der Klemme gehalten und dir dein boͤſes, verkehrtes Thun und ſchandliche Neigungen rechtſchaffen verleidet, ſo ſiehet er die Thuͤre ſchon vor ſich, dardurch er dich aus allen deinen Bangigkeiten hinaus fuͤhren will in eine ſehr groſſe Freude und Won- ne, wiewohl es dich jetzt dunckt, du muͤſſeſt ewig drinn bleiben, ſeit der letzten, aber nicht nach GOttes Rath angewandten Huͤlff ſey vor dich keine mehr zu hoffen. einen hin- ausfuͤh- ren, §. 20. Jetzt zwar dunckt dich GOttes Erbarmung, Chriſti Ver- dienſt und des H. Geiſtes Vermoͤgen gering, klein und ſchlecht, in- dem du nichts davon fuͤhleſt; im Gegentheil findeſt du dein Elend, Suͤnd und Verſchuldung vor GOtt ſo groß, ſtarck, maͤchtig, be- zwingend, daß Chriſti Herrlichkeit wie nichts dagegen ſcheint, eine pure Einbildung; welches alles eine Zeitlang ein ſchimpffliches Anſe- hen hat, aber harre du nur ein wenig, duͤcke dich, zupffe, ſchmie- ge dich, laß blitzen, regnen, hageln, donnern, biß alles fuͤruͤber iſt, ſey ſtill wie ein Maͤußlein, halt das Maul, faß die Gedult beym Arm, noͤthige ſie bey dir nieder zu ſitzen, biß ſich das Blat gewendet, was dich jetzt ſchrecket und drucket, vergangen; hingegen GOttes Gna- den-Krafft, der Friede Chriſti groͤſſer und weiter wird als aller Him- mel Himmeln; thaͤtliche Wunder-Huͤlff wird Chriſti Wort rechtferti- gen und in Credit ſetzen. §. 21. Wird nun dem Feind ſolches zugelaſſen uͤber Seelen die in der Erkanntniß der Evangeliſchen Wahrheit, im Glauben, und alſo in der Gnade geuͤbet ſind, ſo koͤnnen ſie ihm deſto beſſer wiederſtehen, und kan er die nicht ſo leicht ins Garn bringen, daß ihnen nicht einige Oeffnung des Troſtes ſollte uͤbrig bleiben, obwohl er ſolche aufs beſte zu verſperren ſucht. Diß iſt der ſeelige Nutz und unvergleichlich Pri- vilegium, ſo man hat vom Gehorſam des Glaubens, da die Liebes- Begierd nicht ſo leicht abweicht von Chriſto zu ſich ſelbſt und der Welt; ach den Eckel nachwerts zu fuͤhlen, ſo GOtt hat ab aller Un- treu, iſt Jammers genug. §. 22. Aber viel haͤrter iſt der Strauß bey ungeuͤbten, ſchwach- glaubigen, und in geiſtlichen Kaͤmpfen noch ungeuͤbten Anfaͤnger. Dieſe ſucht er mit aller Macht vom Glauben und deſſen Freudigkeit ab- und zuruck zu halten. §. 23. Nachdem du nun dieſes weiſſeſt, ſo henge dem Erb-Feind nicht nach in ſeiner boͤſen Luſt und heißhungerigen Begierd nach deinem ewi-

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/594>, abgerufen am 22.11.2024.