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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Anhang.
Aus dem,
weilen die
Erklärung
grosse
Schwü-
rigkeiten
aus dem
Weg
raumet.

§. 9. (3.) Raumt diese Erklärung eine Schwürigkeit aus dem
Weg, welche bey der gemeinen Auslegung sich findet; nemlich, daß
der Gegensatz zwischen Fleisch und Geist in einem und eben demselbi-
gen Menschen, oder in dem Anfang und Fortgang der Bekehrung
stehenden Glaubigen niemahlen in dem Verstand in H. Schrifft ge-
funden werde, daß der Geist, den zum Kampf aufgeweckten ferti-
gen Willen, hingegen das Fleisch, die in der fleischlichen Natur
oder Theil liegende Kräffte der Wiedergeburt, welche zwar da, aber
schwach sind/ also daß sie das Wollen des Geistes zu vollbringen
nicht Krafft genug haben, bedeuten. Hingegen setzt die H. Schrifft
dem Geist in den Wiedergebohrnen entgegen, das ihnen noch an-
klebende und nicht vollkommen getödtete böse Fleisch, welches wider
den Geist streite; da dann die Schwäche dieses, dem Geist wider-
stehenden Fleisches, dem glaubigen Streiter nicht die Gefahr der
Versuchung noch folglich die Nothwendigkeit zu wachen vergrösse-
ret, sondern vielmehr ein Vorbott eines völligen Siegs und Materi
des Trosts wäre.

Aus der
damahli-
gen Be-
schaffen-
heit der
Jüngern.

§. 10. (4.) Damahlen, als der Teufel als ein mächtiger Geist der
Versuchung in dieser Geheimnuß-reichen Stund mit ersinnlichster
Wuth anfiele, den lieben Heyland und seine Jünger angriff, und
mit aller seiner Macht wider den Sohn der Liebe GOttes angieng,
der eben im Streit ware dem höllischen Drachen sein Raub-Nest
zu zerstören, und ihm das Regiment zu nehmen, welches er so lang
in dem Menschen gehabt, sehet, da fande sich das Gute in den Jün-
geren wie der gantze Verfolg ausweiset, sehr schwach; So aber der
Geist wäre willfertig, schnell, behend und muthig zum Kampf gewe-
sen, und das Fleisch hingegen schwach, so würden die Jünger der
Ordre, so ihnen der Heyland vom Wachen und Gebett 2. ja 3. mahl
gegeben, weit besser nachgekommen seyn: da wir im Gegentheil se-
hen, daß ihnen der Heyland ein Verweiß gibt: Wann nun der ge-
meine Sinn wahrhafftig wäre, so würde JEsus zu den Jüngeren
gesagt haben: Das Fleisch ist willfertig und der Geist ist
schwach.
Der H. Geist ware noch nicht da a, das ist, in Krafft
noch nicht in ihnen offenbar; sie hatten noch keinen Sieg noch Durch-
bruch erhalten zur Herrschafft über das Böse; ihr guter Wille ware

da-
a Joh, VII.
Anhang.
Aus dem,
weilen die
Erklaͤꝛung
groſſe
Schwuͤ-
rigkeiten
aus dem
Weg
raumet.

§. 9. (3.) Raumt dieſe Erklaͤrung eine Schwuͤrigkeit aus dem
Weg, welche bey der gemeinen Auslegung ſich findet; nemlich, daß
der Gegenſatz zwiſchen Fleiſch und Geiſt in einem und eben demſelbi-
gen Menſchen, oder in dem Anfang und Fortgang der Bekehrung
ſtehenden Glaubigen niemahlen in dem Verſtand in H. Schrifft ge-
funden werde, daß der Geiſt, den zum Kampf aufgeweckten ferti-
gen Willen, hingegen das Fleiſch, die in der fleiſchlichen Natur
oder Theil liegende Kraͤffte der Wiedergeburt, welche zwar da, aber
ſchwach ſind/ alſo daß ſie das Wollen des Geiſtes zu vollbringen
nicht Krafft genug haben, bedeuten. Hingegen ſetzt die H. Schrifft
dem Geiſt in den Wiedergebohrnen entgegen, das ihnen noch an-
klebende und nicht vollkommen getoͤdtete boͤſe Fleiſch, welches wider
den Geiſt ſtreite; da dann die Schwaͤche dieſes, dem Geiſt wider-
ſtehenden Fleiſches, dem glaubigen Streiter nicht die Gefahr der
Verſuchung noch folglich die Nothwendigkeit zu wachen vergroͤſſe-
ret, ſondern vielmehr ein Vorbott eines voͤlligen Siegs und Materi
des Troſts waͤre.

Aus der
damahli-
gen Be-
ſchaffen-
heit der
Juͤngern.

§. 10. (4.) Damahlen, als der Teufel als ein maͤchtiger Geiſt der
Verſuchung in dieſer Geheimnuß-reichen Stund mit erſinnlichſter
Wuth anfiele, den lieben Heyland und ſeine Juͤnger angriff, und
mit aller ſeiner Macht wider den Sohn der Liebe GOttes angieng,
der eben im Streit ware dem hoͤlliſchen Drachen ſein Raub-Neſt
zu zerſtoͤren, und ihm das Regiment zu nehmen, welches er ſo lang
in dem Menſchen gehabt, ſehet, da fande ſich das Gute in den Juͤn-
geren wie der gantze Verfolg ausweiſet, ſehr ſchwach; So aber der
Geiſt waͤre willfertig, ſchnell, behend und muthig zum Kampf gewe-
ſen, und das Fleiſch hingegen ſchwach, ſo wuͤrden die Juͤnger der
Ordre, ſo ihnen der Heyland vom Wachen und Gebett 2. ja 3. mahl
gegeben, weit beſſer nachgekommen ſeyn: da wir im Gegentheil ſe-
hen, daß ihnen der Heyland ein Verweiß gibt: Wann nun der ge-
meine Sinn wahrhafftig waͤre, ſo wuͤrde JEſus zu den Juͤngeren
geſagt haben: Das Fleiſch iſt willfertig und der Geiſt iſt
ſchwach.
Der H. Geiſt ware noch nicht da a, das iſt, in Krafft
noch nicht in ihnen offenbar; ſie hatten noch keinen Sieg noch Durch-
bruch erhalten zur Herrſchafft uͤber das Boͤſe; ihr guter Wille ware

da-
a Joh, VII.
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[482/0578] Anhang. §. 9. (3.) Raumt dieſe Erklaͤrung eine Schwuͤrigkeit aus dem Weg, welche bey der gemeinen Auslegung ſich findet; nemlich, daß der Gegenſatz zwiſchen Fleiſch und Geiſt in einem und eben demſelbi- gen Menſchen, oder in dem Anfang und Fortgang der Bekehrung ſtehenden Glaubigen niemahlen in dem Verſtand in H. Schrifft ge- funden werde, daß der Geiſt, den zum Kampf aufgeweckten ferti- gen Willen, hingegen das Fleiſch, die in der fleiſchlichen Natur oder Theil liegende Kraͤffte der Wiedergeburt, welche zwar da, aber ſchwach ſind/ alſo daß ſie das Wollen des Geiſtes zu vollbringen nicht Krafft genug haben, bedeuten. Hingegen ſetzt die H. Schrifft dem Geiſt in den Wiedergebohrnen entgegen, das ihnen noch an- klebende und nicht vollkommen getoͤdtete boͤſe Fleiſch, welches wider den Geiſt ſtreite; da dann die Schwaͤche dieſes, dem Geiſt wider- ſtehenden Fleiſches, dem glaubigen Streiter nicht die Gefahr der Verſuchung noch folglich die Nothwendigkeit zu wachen vergroͤſſe- ret, ſondern vielmehr ein Vorbott eines voͤlligen Siegs und Materi des Troſts waͤre. §. 10. (4.) Damahlen, als der Teufel als ein maͤchtiger Geiſt der Verſuchung in dieſer Geheimnuß-reichen Stund mit erſinnlichſter Wuth anfiele, den lieben Heyland und ſeine Juͤnger angriff, und mit aller ſeiner Macht wider den Sohn der Liebe GOttes angieng, der eben im Streit ware dem hoͤlliſchen Drachen ſein Raub-Neſt zu zerſtoͤren, und ihm das Regiment zu nehmen, welches er ſo lang in dem Menſchen gehabt, ſehet, da fande ſich das Gute in den Juͤn- geren wie der gantze Verfolg ausweiſet, ſehr ſchwach; So aber der Geiſt waͤre willfertig, ſchnell, behend und muthig zum Kampf gewe- ſen, und das Fleiſch hingegen ſchwach, ſo wuͤrden die Juͤnger der Ordre, ſo ihnen der Heyland vom Wachen und Gebett 2. ja 3. mahl gegeben, weit beſſer nachgekommen ſeyn: da wir im Gegentheil ſe- hen, daß ihnen der Heyland ein Verweiß gibt: Wann nun der ge- meine Sinn wahrhafftig waͤre, ſo wuͤrde JEſus zu den Juͤngeren geſagt haben: Das Fleiſch iſt willfertig und der Geiſt iſt ſchwach. Der H. Geiſt ware noch nicht da a, das iſt, in Krafft noch nicht in ihnen offenbar; ſie hatten noch keinen Sieg noch Durch- bruch erhalten zur Herrſchafft uͤber das Boͤſe; ihr guter Wille ware da- a Joh, VII.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/578>, abgerufen am 22.11.2024.