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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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liegende Wein-Trauben.
JESU Christo; wann du armer Sünder, der du viele Jahr hin durch
deine Abkehr von GOtt, mit hohen Bergen von Eiß und Schnee des
Welt-Sinns, Eigen-Liebe und sündlichen Neigungen ist überzogen
worden, und du dann ein viertel Stündlein dich zu Christo wendest,
und ihn um Hülff und Gnad anruffest, da meinest du, es solle al-
les im Augenblick vergehen, und flugs eine gantz neue Welt in dir
werden! Nein, mein lieber Freund, wie schon offt angezeigt, gut
Ding muß Weyl haben! Wann ein Kirschen, so lange Zeit, Tag
und Nacht ihren Safft aus dem Zweig ziehen, sich davon nehren,
und unter den Einflüssen des Himmels biß zu ihrer Zeitigung bleiben
muß, welche doch, als eine vergängliche Frucht, wohl offt einem
Vögelein zu Theil und zur Speiß wird; wie viel mehr dann muß ei-
ne geistliche Frucht, die in alle Ewigkeiten dem König Christo und
seinen Heil. Englen zur Belustigung dienen soll, ohne Unterlaß an
der Sonnen bleiben, und mit Paulo zu reden, in Gedult, in guten
Wercken ausharren, und ohne Unterlaß betten; nun wann du nur
zehen Tag lang GOtt inniglich hast angeruffen, und deine Aenderung in
dir verspührest, so darffst du wohl anfangen zu zweifflen an der Wahr-
heit Göttlicher Verheissung, und sprechen: wo bleibt seine Zusag?
Dann wie ich war vor zehen Tagen, so bin ich noch jetz, und ist kein
neue Begierd, Erleuchtung und Wahrheit bey mir aufgegangen. Aber
es wäre nicht billich, daß so geschwind alles im Uberfluß, voll Krafft und
Schönheit da stunde, alldieweilen alle Heilige je und je, Jahr und
Tag haben anhalten, kämpfen, jammeren und ihres tieffen Elends in-
nen werden müssen.

§. 9. Einwurff: Wie ist ihm dann zu thun?

Antwort. Glaube, so wirst du seelig, beyde du und dein Haus, die-Das Mit-
tel dazu ist
der Glau-
be.

ser Glaub, daß das Lämmlein GOttes all dein Sünd und Elend, Fluch
und Jammer warhafftig auf sich geladen, und am Oelberg Blut für dich
geschwitzet; dieser Glaub, sprich ich, wird dich sehr reitzen zum Gebett,
und kindlicher Gedult, ob schon dein Sünden-Ubel nicht im Augenblick
weggehet, sonderen wohl zu Zeiten grösser zu werden scheinet; es wird
dir allezeit einen Muth machen, daß du denckest:

§. 10. Fürwahr mein JEsus trägt meine Kranckheit, Er ist verwun-Worinnen
er sich er-
weise.

det um meiner Ubertrettung willen, und geschlagen um meiner Missethat
willen, meine Straff ligt auf ihm, so gewiß wird endlich der Frieden in
mich kommen, und durch seine Wunden werde ich ungezweifflet genesen,

und
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liegende Wein-Trauben.
JESU Chriſto; wann du armer Suͤnder, der du viele Jahr hin durch
deine Abkehr von GOtt, mit hohen Bergen von Eiß und Schnee des
Welt-Sinns, Eigen-Liebe und ſuͤndlichen Neigungen iſt uͤberzogen
worden, und du dann ein viertel Stuͤndlein dich zu Chriſto wendeſt,
und ihn um Huͤlff und Gnad anruffeſt, da meineſt du, es ſolle al-
les im Augenblick vergehen, und flugs eine gantz neue Welt in dir
werden! Nein, mein lieber Freund, wie ſchon offt angezeigt, gut
Ding muß Weyl haben! Wann ein Kirſchen, ſo lange Zeit, Tag
und Nacht ihren Safft aus dem Zweig ziehen, ſich davon nehren,
und unter den Einfluͤſſen des Himmels biß zu ihrer Zeitigung bleiben
muß, welche doch, als eine vergaͤngliche Frucht, wohl offt einem
Voͤgelein zu Theil und zur Speiß wird; wie viel mehr dann muß ei-
ne geiſtliche Frucht, die in alle Ewigkeiten dem Koͤnig Chriſto und
ſeinen Heil. Englen zur Beluſtigung dienen ſoll, ohne Unterlaß an
der Sonnen bleiben, und mit Paulo zu reden, in Gedult, in guten
Wercken ausharren, und ohne Unterlaß betten; nun wann du nur
zehen Tag lang GOtt inniglich haſt angeruffen, und deine Aenderung in
dir verſpuͤhreſt, ſo darffſt du wohl anfangen zu zweifflen an der Wahr-
heit Goͤttlicher Verheiſſung, und ſprechen: wo bleibt ſeine Zuſag?
Dann wie ich war vor zehen Tagen, ſo bin ich noch jetz, und iſt kein
neue Begierd, Erleuchtung und Wahrheit bey mir aufgegangen. Aber
es waͤre nicht billich, daß ſo geſchwind alles im Uberfluß, voll Krafft und
Schoͤnheit da ſtunde, alldieweilen alle Heilige je und je, Jahr und
Tag haben anhalten, kaͤmpfen, jammeren und ihres tieffen Elends in-
nen werden muͤſſen.

§. 9. Einwurff: Wie iſt ihm dann zu thun?

Antwort. Glaube, ſo wirſt du ſeelig, beyde du und dein Haus, die-Das Mit-
tel dazu iſt
der Glau-
be.

ſer Glaub, daß das Laͤmmlein GOttes all dein Suͤnd und Elend, Fluch
und Jammer warhafftig auf ſich geladen, und am Oelberg Blut fuͤr dich
geſchwitzet; dieſer Glaub, ſprich ich, wird dich ſehr reitzen zum Gebett,
und kindlicher Gedult, ob ſchon dein Suͤnden-Ubel nicht im Augenblick
weggehet, ſonderen wohl zu Zeiten groͤſſer zu werden ſcheinet; es wird
dir allezeit einen Muth machen, daß du denckeſt:

§. 10. Fuͤrwahr mein JEſus traͤgt meine Kranckheit, Er iſt verwun-Worinnen
er ſich er-
weiſe.

det um meiner Ubertrettung willen, und geſchlagen um meiner Miſſethat
willen, meine Straff ligt auf ihm, ſo gewiß wird endlich der Frieden in
mich kommen, und durch ſeine Wunden werde ich ungezweifflet geneſen,

und
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[461/0557] liegende Wein-Trauben. JESU Chriſto; wann du armer Suͤnder, der du viele Jahr hin durch deine Abkehr von GOtt, mit hohen Bergen von Eiß und Schnee des Welt-Sinns, Eigen-Liebe und ſuͤndlichen Neigungen iſt uͤberzogen worden, und du dann ein viertel Stuͤndlein dich zu Chriſto wendeſt, und ihn um Huͤlff und Gnad anruffeſt, da meineſt du, es ſolle al- les im Augenblick vergehen, und flugs eine gantz neue Welt in dir werden! Nein, mein lieber Freund, wie ſchon offt angezeigt, gut Ding muß Weyl haben! Wann ein Kirſchen, ſo lange Zeit, Tag und Nacht ihren Safft aus dem Zweig ziehen, ſich davon nehren, und unter den Einfluͤſſen des Himmels biß zu ihrer Zeitigung bleiben muß, welche doch, als eine vergaͤngliche Frucht, wohl offt einem Voͤgelein zu Theil und zur Speiß wird; wie viel mehr dann muß ei- ne geiſtliche Frucht, die in alle Ewigkeiten dem Koͤnig Chriſto und ſeinen Heil. Englen zur Beluſtigung dienen ſoll, ohne Unterlaß an der Sonnen bleiben, und mit Paulo zu reden, in Gedult, in guten Wercken ausharren, und ohne Unterlaß betten; nun wann du nur zehen Tag lang GOtt inniglich haſt angeruffen, und deine Aenderung in dir verſpuͤhreſt, ſo darffſt du wohl anfangen zu zweifflen an der Wahr- heit Goͤttlicher Verheiſſung, und ſprechen: wo bleibt ſeine Zuſag? Dann wie ich war vor zehen Tagen, ſo bin ich noch jetz, und iſt kein neue Begierd, Erleuchtung und Wahrheit bey mir aufgegangen. Aber es waͤre nicht billich, daß ſo geſchwind alles im Uberfluß, voll Krafft und Schoͤnheit da ſtunde, alldieweilen alle Heilige je und je, Jahr und Tag haben anhalten, kaͤmpfen, jammeren und ihres tieffen Elends in- nen werden muͤſſen. §. 9. Einwurff: Wie iſt ihm dann zu thun? Antwort. Glaube, ſo wirſt du ſeelig, beyde du und dein Haus, die- ſer Glaub, daß das Laͤmmlein GOttes all dein Suͤnd und Elend, Fluch und Jammer warhafftig auf ſich geladen, und am Oelberg Blut fuͤr dich geſchwitzet; dieſer Glaub, ſprich ich, wird dich ſehr reitzen zum Gebett, und kindlicher Gedult, ob ſchon dein Suͤnden-Ubel nicht im Augenblick weggehet, ſonderen wohl zu Zeiten groͤſſer zu werden ſcheinet; es wird dir allezeit einen Muth machen, daß du denckeſt: Das Mit- tel dazu iſt der Glau- be. §. 10. Fuͤrwahr mein JEſus traͤgt meine Kranckheit, Er iſt verwun- det um meiner Ubertrettung willen, und geſchlagen um meiner Miſſethat willen, meine Straff ligt auf ihm, ſo gewiß wird endlich der Frieden in mich kommen, und durch ſeine Wunden werde ich ungezweifflet geneſen, und Worinnen er ſich er- weiſe. M m m 3

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/557>, abgerufen am 23.07.2024.