ders? als weilen sie aus dem Brunnen Jacobs der Quellen des Le- bens lebendiges klares Wasser der himmlischen Weißheit geschöpffet und getruncken haben, und den Kernen des Reichs GOttes in sich selbst empfangen.
Spreuer-Saat gibt kein Weitzen-Erndt; so können auch blosse Wort ohne die verborgene Kräfften des H. Geistes nichts wesentlich- und beständiges in dem Zuhörer hervor bringen; wer den Schlan- gen-Tretter nicht in sich hat, den förchtet der Teufel nichts, er denckt; Vana est sine viribus ira. d. i.
Deinen Eifer förcht ich nicht, Weilen damit nichts geschicht, Das mir schade.
§. 16. Sehr rühmlich ware die vor altem in den Clösteren einge-Klag über die studie- rende Ju- gend we- gen ihren Aus- schweif- fungen. führte Gewohnheit, daß sie alle Tag ihre Meditations-Stunden hat- ten, da einem jeglichen von dem Aeltesten ein Thema oder Text vorge- schrieben ward, welchem ein jeder eine Stund lang nachzudencken ver- bunden war; und mußte darneben alles aus dem Sinn schlagen; als zum Exempel der einte hatte die Wort: Meine Seel ist be- trübt biß in den Tod. Der zweyte hatte diese: ists mög- lich, so gehe dieser Kelch von mir. Der dritte diese: wachet und bettet, daß ihr nicht in Anfechtung fal- let. u. s. w. Als einmahlen ein Rabbi gefragt wurde: zu welcher Zeit man von der Betrachtung Göttlicher Dingen könnte nachlassen? antwortete er: wanns weder Tag noch Nacht wäre, sintemahl es heisse: der seelige Mann betrachte des HErrn Wegweisung Tag und Nacht. Allein der unstäte, wilde und ausgelassene Geist der Jugend kan nicht lange an einem Ort ausdauren, sonderen fallet immer von einem aufs andere, so daß keine Göttliche Wahrheit in der Seelen recht wurtzlen und zum Baum werden kan, der seine Frucht bringe zu seiner Zeit; Dann kommet JEsus zu den studierenden Jünglingen, so findt Er sie so geschäfftig, zerstreuet und ausgekehrt, und ist da ein solch Getümmel von hochfla- derenden Sinnen, allerhand Affecten, Disputationen, Zänckereyen, Controversien und Strittigkeiten, daß er ihnen fast nichts beybrin- gen kan, Er werffe sie dann aufs Siech-Bett, daß ihr kräncklicher Leib sie ihrer Sterblichkeit erinnere, da müssen sie nothwendig ein-
mahl
liegende Wein-Trauben.
ders? als weilen ſie aus dem Brunnen Jacobs der Quellen des Le- bens lebendiges klares Waſſer der himmliſchen Weißheit geſchoͤpffet und getruncken haben, und den Kernen des Reichs GOttes in ſich ſelbſt empfangen.
Spreuer-Saat gibt kein Weitzen-Erndt; ſo koͤnnen auch bloſſe Wort ohne die verborgene Kraͤfften des H. Geiſtes nichts weſentlich- und beſtaͤndiges in dem Zuhoͤrer hervor bringen; wer den Schlan- gen-Tretter nicht in ſich hat, den foͤrchtet der Teufel nichts, er denckt; Vana eſt ſine viribus ira. d. i.
Deinen Eifer foͤrcht ich nicht, Weilen damit nichts geſchicht, Das mir ſchade.
§. 16. Sehr ruͤhmlich ware die vor altem in den Cloͤſteren einge-Klag uͤber die ſtudie- rende Ju- gend we- gen ihren Aus- ſchweif- fungen. fuͤhrte Gewohnheit, daß ſie alle Tag ihre Meditations-Stunden hat- ten, da einem jeglichen von dem Aelteſten ein Thema oder Text vorge- ſchrieben ward, welchem ein jeder eine Stund lang nachzudencken ver- bunden war; und mußte darneben alles aus dem Sinn ſchlagen; als zum Exempel der einte hatte die Wort: Meine Seel iſt be- truͤbt biß in den Tod. Der zweyte hatte dieſe: iſts moͤg- lich, ſo gehe dieſer Kelch von mir. Der dritte dieſe: wachet und bettet, daß ihr nicht in Anfechtung fal- let. u. ſ. w. Als einmahlen ein Rabbi gefragt wurde: zu welcher Zeit man von der Betrachtung Goͤttlicher Dingen koͤnnte nachlaſſen? antwortete er: wanns weder Tag noch Nacht waͤre, ſintemahl es heiſſe: der ſeelige Mann betrachte des HErrn Wegweiſung Tag und Nacht. Allein der unſtaͤte, wilde und ausgelaſſene Geiſt der Jugend kan nicht lange an einem Ort ausdauren, ſonderen fallet immer von einem aufs andere, ſo daß keine Goͤttliche Wahrheit in der Seelen recht wurtzlen und zum Baum werden kan, der ſeine Frucht bringe zu ſeiner Zeit; Dann kommet JEſus zu den ſtudierenden Juͤnglingen, ſo findt Er ſie ſo geſchaͤfftig, zerſtreuet und ausgekehrt, und iſt da ein ſolch Getuͤmmel von hochfla- derenden Sinnen, allerhand Affecten, Diſputationen, Zaͤnckereyen, Controverſien und Strittigkeiten, daß er ihnen faſt nichts beybrin- gen kan, Er werffe ſie dann aufs Siech-Bett, daß ihr kraͤncklicher Leib ſie ihrer Sterblichkeit erinnere, da muͤſſen ſie nothwendig ein-
mahl
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liegende Wein-Trauben.
ders? als weilen ſie aus dem Brunnen Jacobs der Quellen des Le-
bens lebendiges klares Waſſer der himmliſchen Weißheit geſchoͤpffet
und getruncken haben, und den Kernen des Reichs GOttes in ſich
ſelbſt empfangen.
Spreuer-Saat gibt kein Weitzen-Erndt; ſo koͤnnen auch bloſſe
Wort ohne die verborgene Kraͤfften des H. Geiſtes nichts weſentlich-
und beſtaͤndiges in dem Zuhoͤrer hervor bringen; wer den Schlan-
gen-Tretter nicht in ſich hat, den foͤrchtet der Teufel nichts, er
denckt; Vana eſt ſine viribus ira. d. i.
Deinen Eifer foͤrcht ich nicht,
Weilen damit nichts geſchicht,
Das mir ſchade.
§. 16. Sehr ruͤhmlich ware die vor altem in den Cloͤſteren einge-
fuͤhrte Gewohnheit, daß ſie alle Tag ihre Meditations-Stunden hat-
ten, da einem jeglichen von dem Aelteſten ein Thema oder Text vorge-
ſchrieben ward, welchem ein jeder eine Stund lang nachzudencken ver-
bunden war; und mußte darneben alles aus dem Sinn ſchlagen; als
zum Exempel der einte hatte die Wort: Meine Seel iſt be-
truͤbt biß in den Tod. Der zweyte hatte dieſe: iſts moͤg-
lich, ſo gehe dieſer Kelch von mir. Der dritte dieſe:
wachet und bettet, daß ihr nicht in Anfechtung fal-
let. u. ſ. w. Als einmahlen ein Rabbi gefragt wurde: zu welcher
Zeit man von der Betrachtung Goͤttlicher Dingen koͤnnte nachlaſſen?
antwortete er: wanns weder Tag noch Nacht waͤre,
ſintemahl es heiſſe: der ſeelige Mann betrachte des HErrn
Wegweiſung Tag und Nacht. Allein der unſtaͤte, wilde
und ausgelaſſene Geiſt der Jugend kan nicht lange an einem Ort
ausdauren, ſonderen fallet immer von einem aufs andere, ſo daß
keine Goͤttliche Wahrheit in der Seelen recht wurtzlen und zum Baum
werden kan, der ſeine Frucht bringe zu ſeiner Zeit; Dann kommet
JEſus zu den ſtudierenden Juͤnglingen, ſo findt Er ſie ſo geſchaͤfftig,
zerſtreuet und ausgekehrt, und iſt da ein ſolch Getuͤmmel von hochfla-
derenden Sinnen, allerhand Affecten, Diſputationen, Zaͤnckereyen,
Controverſien und Strittigkeiten, daß er ihnen faſt nichts beybrin-
gen kan, Er werffe ſie dann aufs Siech-Bett, daß ihr kraͤncklicher
Leib ſie ihrer Sterblichkeit erinnere, da muͤſſen ſie nothwendig ein-
mahl
Klag uͤber
die ſtudie-
rende Ju-
gend we-
gen ihren
Aus-
ſchweif-
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/543>, abgerufen am 22.11.2024.
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