Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Die unter der Kelter des Zorns GOttes
müssen! da diejenigen, welche damahlen eine kleine Zeit mit JEsu
getrauret und geweinet, mit so himmlischer Freud überschüttet wor-
den, daß sie auch unter Feur und Schwerdt, und allen Henckers-
Marteren jubilieret und Lob-Lieder gesungen, und zu JEsu in die
ewige Triumph-Stadt eingegangen, der ihnen alle Thränen von ih-
ren Augen abgewischet.

Wie elend
es noch
um die
meisten
stehe.

§. 5. Oder ich frage, ob man nicht Materi genug habe zu weinen,
und die Harpffen an die Weyden aufzuhencken? oder seynd wir
dann schon gewaschen in dem Blut Christi? seynd wir schon ge-
rechtfertiget und geheiliget? behangen wir an keinen Stricken
der Sünden der Welt und Eitelkeit? ist unser Fleisch bereits gecreu-
tziget, sammt den Lüsten und Begierden? hat der Teufel kein An-
klag oder Ansprach mehr an unsere Seelen? seynd wir aller Ban-
den loß? sammlen wir kein Materi mehr zu dem so erschröcklichen
Zorn-Feur? finden die Anforderungen der Gerechtigkeit GOttes
nichts mehr an uns zu schelten? ist Satan tod? oder meynen wir
der Drach sey im Abgrund versieglet, und wir haben seine Verfüh-
rungen nicht mehr zu befahren? ist die Höll ausgelöscht? oder seynd
wir solche grüne und fruchtbare Bäume, welchen das unauslösch-
lich Feur keines wegs zu beförchten sey?

JESUS
Exempel
zeiget
welch her-
ber Kampf
ihnen
noch be-
vorstehe,

§. 6. Ach sehet doch! den allerheiligsten JEsum im Staub und
im Blut! das, das ist der grüne Baum, was wirds dann mit uns
Dürren werden. Oder seynd so viele ausgeruffene Wehe! Wehe!
bereits verstrichen? seynd die Zorn-Schaalen schon überall ausge-
gossen? ist nicht noch die gröste und meiste Noth obhanden? seynd
nicht die entsetzlichste Weissagungen noch unerfüllet, und aufgespahrt
auf die letzten Tage? wird nicht der letzte Zorn und Grimm des Dra-
chen der allerfeurigste seyn? weil er dannzumahlen weißt, daß er we-
nig Zeit mehr hat, und wird alsdann dieser Grimm nicht uns gel-
ten? gehen nicht die Propheceyungen Alten und Neuen Testaments,
von den ruinirenden Gerichten, über den falschen Christen über uns
Menschen aus? ist dann der Jüngste Tag schon gehalten? haben wir
unseren Sententz allbereit empfangen, und das Reich des Vatters zu
unserer ewigen Besitzung erblich eingenommen? kurtz; ist dann alles schon
so richtig, daß wir so gar nichts zu thun haben für das Heil unserer
Seelen? daß wir so viel übrige Zeit haben, allerhand Narrentheidung
zu reden, den Nächsten zu verleumden, und so viel Millionen fauler,

unhei-

Die unter der Kelter des Zorns GOttes
muͤſſen! da diejenigen, welche damahlen eine kleine Zeit mit JEſu
getrauret und geweinet, mit ſo himmliſcher Freud uͤberſchuͤttet wor-
den, daß ſie auch unter Feur und Schwerdt, und allen Henckers-
Marteren jubilieret und Lob-Lieder geſungen, und zu JEſu in die
ewige Triumph-Stadt eingegangen, der ihnen alle Thraͤnen von ih-
ren Augen abgewiſchet.

Wie elend
es noch
um die
meiſten
ſtehe.

§. 5. Oder ich frage, ob man nicht Materi genug habe zu weinen,
und die Harpffen an die Weyden aufzuhencken? oder ſeynd wir
dann ſchon gewaſchen in dem Blut Chriſti? ſeynd wir ſchon ge-
rechtfertiget und geheiliget? behangen wir an keinen Stricken
der Suͤnden der Welt und Eitelkeit? iſt unſer Fleiſch bereits gecreu-
tziget, ſammt den Luͤſten und Begierden? hat der Teufel kein An-
klag oder Anſprach mehr an unſere Seelen? ſeynd wir aller Ban-
den loß? ſammlen wir kein Materi mehr zu dem ſo erſchroͤcklichen
Zorn-Feur? finden die Anforderungen der Gerechtigkeit GOttes
nichts mehr an uns zu ſchelten? iſt Satan tod? oder meynen wir
der Drach ſey im Abgrund verſieglet, und wir haben ſeine Verfuͤh-
rungen nicht mehr zu befahren? iſt die Hoͤll ausgeloͤſcht? oder ſeynd
wir ſolche gruͤne und fruchtbare Baͤume, welchen das unausloͤſch-
lich Feur keines wegs zu befoͤrchten ſey?

JESUS
Exempel
zeiget
welch her-
ber Kampf
ihnen
noch be-
vorſtehe,

§. 6. Ach ſehet doch! den allerheiligſten JEſum im Staub und
im Blut! das, das iſt der gruͤne Baum, was wirds dann mit uns
Duͤrren werden. Oder ſeynd ſo viele ausgeruffene Wehe! Wehe!
bereits verſtrichen? ſeynd die Zorn-Schaalen ſchon uͤberall ausge-
goſſen? iſt nicht noch die groͤſte und meiſte Noth obhanden? ſeynd
nicht die entſetzlichſte Weiſſagungen noch unerfuͤllet, und aufgeſpahrt
auf die letzten Tage? wird nicht der letzte Zorn und Grimm des Dra-
chen der allerfeurigſte ſeyn? weil er dannzumahlen weißt, daß er we-
nig Zeit mehr hat, und wird alsdann dieſer Grimm nicht uns gel-
ten? gehen nicht die Propheceyungen Alten und Neuen Teſtaments,
von den ruinirenden Gerichten, uͤber den falſchen Chriſten uͤber uns
Menſchen aus? iſt dann der Juͤngſte Tag ſchon gehalten? haben wir
unſeren Sententz allbereit empfangen, und das Reich des Vatters zu
unſerer ewigen Beſitzung erblich eingenommen? kurtz; iſt dann alles ſchon
ſo richtig, daß wir ſo gar nichts zu thun haben fuͤr das Heil unſerer
Seelen? daß wir ſo viel uͤbrige Zeit haben, allerhand Narrentheidung
zu reden, den Naͤchſten zu verleumden, und ſo viel Millionen fauler,

unhei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0536" n="440"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die unter der Kelter des Zorns GOttes</hi></fw><lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en! da diejenigen, welche damahlen eine kleine Zeit mit JE&#x017F;u<lb/>
getrauret und geweinet, mit &#x017F;o himmli&#x017F;cher Freud u&#x0364;ber&#x017F;chu&#x0364;ttet wor-<lb/>
den, daß &#x017F;ie auch unter Feur und Schwerdt, und allen Henckers-<lb/>
Marteren jubilieret und Lob-Lieder ge&#x017F;ungen, und zu JE&#x017F;u in die<lb/>
ewige Triumph-Stadt eingegangen, der ihnen alle Thra&#x0364;nen von ih-<lb/>
ren Augen abgewi&#x017F;chet.</p><lb/>
          <note place="left">Wie elend<lb/>
es noch<lb/>
um die<lb/>
mei&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;tehe.</note>
          <p><hi rendition="#i">§. 5.</hi> Oder ich frage, ob man nicht Materi genug habe zu weinen,<lb/>
und die Harpffen an die Weyden aufzuhencken? oder &#x017F;eynd wir<lb/>
dann &#x017F;chon gewa&#x017F;chen in dem Blut Chri&#x017F;ti? &#x017F;eynd wir &#x017F;chon ge-<lb/>
rechtfertiget und geheiliget? behangen wir an keinen Stricken<lb/>
der Su&#x0364;nden der Welt und Eitelkeit? i&#x017F;t un&#x017F;er Flei&#x017F;ch bereits gecreu-<lb/>
tziget, &#x017F;ammt den Lu&#x0364;&#x017F;ten und Begierden? hat der Teufel kein An-<lb/>
klag oder An&#x017F;prach mehr an un&#x017F;ere Seelen? &#x017F;eynd wir aller Ban-<lb/>
den loß? &#x017F;ammlen wir kein Materi mehr zu dem &#x017F;o er&#x017F;chro&#x0364;cklichen<lb/>
Zorn-Feur? finden die Anforderungen der Gerechtigkeit GOttes<lb/>
nichts mehr an uns zu &#x017F;chelten? i&#x017F;t Satan tod? oder meynen wir<lb/>
der Drach &#x017F;ey im Abgrund ver&#x017F;ieglet, und wir haben &#x017F;eine Verfu&#x0364;h-<lb/>
rungen nicht mehr zu befahren? i&#x017F;t die Ho&#x0364;ll ausgelo&#x0364;&#x017F;cht? oder &#x017F;eynd<lb/>
wir &#x017F;olche gru&#x0364;ne und fruchtbare Ba&#x0364;ume, welchen das unauslo&#x0364;&#x017F;ch-<lb/>
lich Feur keines wegs zu befo&#x0364;rchten &#x017F;ey?</p><lb/>
          <note place="left">JESUS<lb/>
Exempel<lb/>
zeiget<lb/>
welch her-<lb/>
ber Kampf<lb/>
ihnen<lb/>
noch be-<lb/>
vor&#x017F;tehe,</note>
          <p>§. 6. Ach &#x017F;ehet doch! den allerheilig&#x017F;ten JE&#x017F;um im Staub und<lb/>
im Blut! das, das i&#x017F;t der gru&#x0364;ne Baum, was wirds dann mit uns<lb/>
Du&#x0364;rren werden. Oder &#x017F;eynd &#x017F;o viele ausgeruffene Wehe! Wehe!<lb/>
bereits ver&#x017F;trichen? &#x017F;eynd die Zorn-Schaalen &#x017F;chon u&#x0364;berall ausge-<lb/>
go&#x017F;&#x017F;en? i&#x017F;t nicht noch die gro&#x0364;&#x017F;te und mei&#x017F;te Noth obhanden? &#x017F;eynd<lb/>
nicht die ent&#x017F;etzlich&#x017F;te Wei&#x017F;&#x017F;agungen noch unerfu&#x0364;llet, und aufge&#x017F;pahrt<lb/>
auf die letzten Tage? wird nicht der letzte Zorn und Grimm des Dra-<lb/>
chen der allerfeurig&#x017F;te &#x017F;eyn? weil er dannzumahlen weißt, daß er we-<lb/>
nig Zeit mehr hat, und wird alsdann die&#x017F;er Grimm nicht uns gel-<lb/>
ten? gehen nicht die Propheceyungen Alten und Neuen Te&#x017F;taments,<lb/>
von den ruinirenden Gerichten, u&#x0364;ber den fal&#x017F;chen Chri&#x017F;ten u&#x0364;ber uns<lb/>
Men&#x017F;chen aus? i&#x017F;t dann der Ju&#x0364;ng&#x017F;te Tag &#x017F;chon gehalten? haben wir<lb/>
un&#x017F;eren Sententz allbereit empfangen, und das Reich des Vatters zu<lb/>
un&#x017F;erer ewigen Be&#x017F;itzung erblich eingenommen? kurtz; i&#x017F;t dann alles &#x017F;chon<lb/>
&#x017F;o richtig, daß wir &#x017F;o gar nichts zu thun haben fu&#x0364;r das Heil un&#x017F;erer<lb/>
Seelen? daß wir &#x017F;o viel u&#x0364;brige Zeit haben, allerhand Narrentheidung<lb/>
zu reden, den Na&#x0364;ch&#x017F;ten zu verleumden, und &#x017F;o viel Millionen fauler,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">unhei-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[440/0536] Die unter der Kelter des Zorns GOttes muͤſſen! da diejenigen, welche damahlen eine kleine Zeit mit JEſu getrauret und geweinet, mit ſo himmliſcher Freud uͤberſchuͤttet wor- den, daß ſie auch unter Feur und Schwerdt, und allen Henckers- Marteren jubilieret und Lob-Lieder geſungen, und zu JEſu in die ewige Triumph-Stadt eingegangen, der ihnen alle Thraͤnen von ih- ren Augen abgewiſchet. §. 5. Oder ich frage, ob man nicht Materi genug habe zu weinen, und die Harpffen an die Weyden aufzuhencken? oder ſeynd wir dann ſchon gewaſchen in dem Blut Chriſti? ſeynd wir ſchon ge- rechtfertiget und geheiliget? behangen wir an keinen Stricken der Suͤnden der Welt und Eitelkeit? iſt unſer Fleiſch bereits gecreu- tziget, ſammt den Luͤſten und Begierden? hat der Teufel kein An- klag oder Anſprach mehr an unſere Seelen? ſeynd wir aller Ban- den loß? ſammlen wir kein Materi mehr zu dem ſo erſchroͤcklichen Zorn-Feur? finden die Anforderungen der Gerechtigkeit GOttes nichts mehr an uns zu ſchelten? iſt Satan tod? oder meynen wir der Drach ſey im Abgrund verſieglet, und wir haben ſeine Verfuͤh- rungen nicht mehr zu befahren? iſt die Hoͤll ausgeloͤſcht? oder ſeynd wir ſolche gruͤne und fruchtbare Baͤume, welchen das unausloͤſch- lich Feur keines wegs zu befoͤrchten ſey? §. 6. Ach ſehet doch! den allerheiligſten JEſum im Staub und im Blut! das, das iſt der gruͤne Baum, was wirds dann mit uns Duͤrren werden. Oder ſeynd ſo viele ausgeruffene Wehe! Wehe! bereits verſtrichen? ſeynd die Zorn-Schaalen ſchon uͤberall ausge- goſſen? iſt nicht noch die groͤſte und meiſte Noth obhanden? ſeynd nicht die entſetzlichſte Weiſſagungen noch unerfuͤllet, und aufgeſpahrt auf die letzten Tage? wird nicht der letzte Zorn und Grimm des Dra- chen der allerfeurigſte ſeyn? weil er dannzumahlen weißt, daß er we- nig Zeit mehr hat, und wird alsdann dieſer Grimm nicht uns gel- ten? gehen nicht die Propheceyungen Alten und Neuen Teſtaments, von den ruinirenden Gerichten, uͤber den falſchen Chriſten uͤber uns Menſchen aus? iſt dann der Juͤngſte Tag ſchon gehalten? haben wir unſeren Sententz allbereit empfangen, und das Reich des Vatters zu unſerer ewigen Beſitzung erblich eingenommen? kurtz; iſt dann alles ſchon ſo richtig, daß wir ſo gar nichts zu thun haben fuͤr das Heil unſerer Seelen? daß wir ſo viel uͤbrige Zeit haben, allerhand Narrentheidung zu reden, den Naͤchſten zu verleumden, und ſo viel Millionen fauler, unhei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/536
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/536>, abgerufen am 23.11.2024.