so wir haben, sondern unsers Beschwerds vergessen, und nur JEsu Liebe zu Hertzen ziehen, und uns hoch erfreuen, über allem was Er ist und hat; so wird die Freud an JEsu unsere Stärcke seyn, und unserer Seelen Flügel geben auf dem schmalen Weg.
§. 7. Wie aber Christus unser Elend nicht empfinden noch darü-Doch muß man aus sich selb- sten in JE- su Natur überge- hen. ber trauren konnte, so lang er in seinem verborgenen Licht der Ewig- keit wohnete bey dem Vatter; daher mußte Er von erst vom Vatter ausgehen, und kommen in die Welt, und sich in unsere Natur, in die Gestalt des sündlichen Fleisches einkleiden, mit den Sünderen um- gehen, und sich gantz in ihr Elend hinein stecken; Eben also kanst du viel weniger die Süßigkeit des Freudenreichen Wesens in Christo schme- cken, du sönderest dich dann ab von der Welt, gehest hinaus aus deiner alten Geburt, nehmest JEsu heilige, reine Natur an, ge- hest viel mit GOtt um im Gebett, und steckest dich gleichsam mit Leib, Seel und Geist immer hinein in seine Seeligkeit, und ziehest sein Heil an als ein herrlich Kleid. Je fleißiger und ernstlicher du dieses thust, je höher steiget die Göttliche Freude in dir, biß du jauch- zest von der Höhe zu Zion, und GOttes Herrlichkeit schauest im An- gesicht JEsu Christi, und der Bößwicht dich nicht mehr antaste, weil du in GOtt, und GOtt in dir; eben wie im Gegentheil dein JEsus, als Er in die greulichsten Wirbel und tiefsten Abgrund dei- nes Elends hinein sancke, ruffen mußte: Mein GOtt! mein GOtt! warum hast du mich verlassen? Wie gesagt, Adams Natur, Sünd, Traurigkeit gehen miteinander, und sollte es seyn in dem allerheiligsten Sohn GOttes; so gehet Göttliche Natur, Gerechtigkeit, JEsus, Glaub, Frölichkeit auch miteinander, und sollte es auch in dem ver- derbtesten Sünder seyn; dieses seynd unzertrennliche Reiß-Geferthen.
§. 8. (b.) Ferners heißt es: Er fienge an zu zagen: Es überfiele ihn ei-Theils durch Za- gen, ne solche entsetzliche Angst, daß er nicht wußte wo aus noch ein; so daß ihme alles betrübt und nichts erfreulich vorkam; sein Hertz wurde von der Bangigkeit so sehr eingenommen, daß sein Geblüt in eine starcke Bewegung kam, und aller Orten zur Haut hinaus zu dringen such- te, daher er an seinem gantzen Leib mit blutigem Schweiß benetzet war, wie Lucas meldet; Dem lieben JEsu lage der gantze ungeheu- re und unerträgliche Sünden-Last, der so vieler Millionen Men- schen auf dem Hertzen, welche ihme so zu sagen dasselbe in seinem Leib zerquetschen und zermalmen wollten;
§. 9.
G g g
liegende Wein-Trauben.
ſo wir haben, ſondern unſers Beſchwerds vergeſſen, und nur JEſu Liebe zu Hertzen ziehen, und uns hoch erfreuen, uͤber allem was Er iſt und hat; ſo wird die Freud an JEſu unſere Staͤrcke ſeyn, und unſerer Seelen Fluͤgel geben auf dem ſchmalen Weg.
§. 7. Wie aber Chriſtus unſer Elend nicht empfinden noch daruͤ-Doch muß man aus ſich ſelb- ſten in JE- ſu Natur uͤberge- hen. ber trauren konnte, ſo lang er in ſeinem verborgenen Licht der Ewig- keit wohnete bey dem Vatter; daher mußte Er von erſt vom Vatter ausgehen, und kommen in die Welt, und ſich in unſere Natur, in die Geſtalt des ſuͤndlichen Fleiſches einkleiden, mit den Suͤnderen um- gehen, und ſich gantz in ihr Elend hinein ſtecken; Eben alſo kanſt du viel weniger die Suͤßigkeit des Freudenreichen Weſens in Chriſto ſchme- cken, du ſoͤndereſt dich dann ab von der Welt, geheſt hinaus aus deiner alten Geburt, nehmeſt JEſu heilige, reine Natur an, ge- heſt viel mit GOtt um im Gebett, und ſteckeſt dich gleichſam mit Leib, Seel und Geiſt immer hinein in ſeine Seeligkeit, und zieheſt ſein Heil an als ein herrlich Kleid. Je fleißiger und ernſtlicher du dieſes thuſt, je hoͤher ſteiget die Goͤttliche Freude in dir, biß du jauch- zeſt von der Hoͤhe zu Zion, und GOttes Herrlichkeit ſchaueſt im An- geſicht JEſu Chriſti, und der Boͤßwicht dich nicht mehr antaſte, weil du in GOtt, und GOtt in dir; eben wie im Gegentheil dein JEſus, als Er in die greulichſten Wirbel und tiefſten Abgrund dei- nes Elends hinein ſancke, ruffen mußte: Mein GOtt! mein GOtt! warum haſt du mich verlaſſen? Wie geſagt, Adams Natur, Suͤnd, Traurigkeit gehen miteinander, und ſollte es ſeyn in dem allerheiligſten Sohn GOttes; ſo gehet Goͤttliche Natur, Gerechtigkeit, JEſus, Glaub, Froͤlichkeit auch miteinander, und ſollte es auch in dem ver- derbteſten Suͤnder ſeyn; dieſes ſeynd unzertrennliche Reiß-Geferthen.
§. 8. (β.) Ferners heißt es: Er fienge an zu zagen: Es uͤberfiele ihn ei-Theils durch Za- gen, ne ſolche entſetzliche Angſt, daß er nicht wußte wo aus noch ein; ſo daß ihme alles betruͤbt und nichts erfreulich vorkam; ſein Hertz wurde von der Bangigkeit ſo ſehr eingenommen, daß ſein Gebluͤt in eine ſtarcke Bewegung kam, und aller Orten zur Haut hinaus zu dringen ſuch- te, daher er an ſeinem gantzen Leib mit blutigem Schweiß benetzet war, wie Lucas meldet; Dem lieben JEſu lage der gantze ungeheu- re und unertraͤgliche Suͤnden-Laſt, der ſo vieler Millionen Men- ſchen auf dem Hertzen, welche ihme ſo zu ſagen daſſelbe in ſeinem Leib zerquetſchen und zermalmen wollten;
§. 9.
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ſo wir haben, ſondern unſers Beſchwerds vergeſſen, und nur JEſu
Liebe zu Hertzen ziehen, und uns hoch erfreuen, uͤber allem was Er
iſt und hat; ſo wird die Freud an JEſu unſere Staͤrcke ſeyn, und
unſerer Seelen Fluͤgel geben auf dem ſchmalen Weg.
§. 7. Wie aber Chriſtus unſer Elend nicht empfinden noch daruͤ-
ber trauren konnte, ſo lang er in ſeinem verborgenen Licht der Ewig-
keit wohnete bey dem Vatter; daher mußte Er von erſt vom Vatter
ausgehen, und kommen in die Welt, und ſich in unſere Natur, in
die Geſtalt des ſuͤndlichen Fleiſches einkleiden, mit den Suͤnderen um-
gehen, und ſich gantz in ihr Elend hinein ſtecken; Eben alſo kanſt du viel
weniger die Suͤßigkeit des Freudenreichen Weſens in Chriſto ſchme-
cken, du ſoͤndereſt dich dann ab von der Welt, geheſt hinaus aus
deiner alten Geburt, nehmeſt JEſu heilige, reine Natur an, ge-
heſt viel mit GOtt um im Gebett, und ſteckeſt dich gleichſam mit
Leib, Seel und Geiſt immer hinein in ſeine Seeligkeit, und zieheſt
ſein Heil an als ein herrlich Kleid. Je fleißiger und ernſtlicher du
dieſes thuſt, je hoͤher ſteiget die Goͤttliche Freude in dir, biß du jauch-
zeſt von der Hoͤhe zu Zion, und GOttes Herrlichkeit ſchaueſt im An-
geſicht JEſu Chriſti, und der Boͤßwicht dich nicht mehr antaſte,
weil du in GOtt, und GOtt in dir; eben wie im Gegentheil dein
JEſus, als Er in die greulichſten Wirbel und tiefſten Abgrund dei-
nes Elends hinein ſancke, ruffen mußte: Mein GOtt! mein GOtt!
warum haſt du mich verlaſſen? Wie geſagt, Adams Natur, Suͤnd,
Traurigkeit gehen miteinander, und ſollte es ſeyn in dem allerheiligſten
Sohn GOttes; ſo gehet Goͤttliche Natur, Gerechtigkeit, JEſus,
Glaub, Froͤlichkeit auch miteinander, und ſollte es auch in dem ver-
derbteſten Suͤnder ſeyn; dieſes ſeynd unzertrennliche Reiß-Geferthen.
Doch muß
man aus
ſich ſelb-
ſten in JE-
ſu Natur
uͤberge-
hen.
§. 8. (β.) Ferners heißt es: Er fienge an zu zagen: Es uͤberfiele ihn ei-
ne ſolche entſetzliche Angſt, daß er nicht wußte wo aus noch ein; ſo daß
ihme alles betruͤbt und nichts erfreulich vorkam; ſein Hertz wurde von
der Bangigkeit ſo ſehr eingenommen, daß ſein Gebluͤt in eine ſtarcke
Bewegung kam, und aller Orten zur Haut hinaus zu dringen ſuch-
te, daher er an ſeinem gantzen Leib mit blutigem Schweiß benetzet
war, wie Lucas meldet; Dem lieben JEſu lage der gantze ungeheu-
re und unertraͤgliche Suͤnden-Laſt, der ſo vieler Millionen Men-
ſchen auf dem Hertzen, welche ihme ſo zu ſagen daſſelbe in ſeinem
Leib zerquetſchen und zermalmen wollten;
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durch Za-
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/513>, abgerufen am 22.11.2024.
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