Die Jünger waren betrübt, daß JEsus nun wollte von ihnen ge- hen, und daß er sein Leiden antretten sollte; aber so betrübt sie wa- ren, so hatten sie doch Ruh, und konnten sich setzen; aber JEsum mußten sie in gröster Traurigkeit von sich weggehen sehen: dabey mer- cke endlich lieber Mensch! (4.) Daß du nicht in so grosser Bangig- keit, Angst und Kampf seyest, es gebe noch andere auf Erden, an denen noch mehr als an dir gelegen, und die bey GOTT noch in grösseren Gnaden stehen als aber du, welche aber dennoch härter dran müssen, und ein weit blutiger Gefecht anzutretten haben; Derowe- gen ist dir gut, daß du wie die Jünger hier dich stille setzest, dich de- müthigest und für nichts haltest, gedenckend, du werdest noch um dei- ner Blödigkeit willen allzu zärtlich gehalten, deswegen werde dir von JEsu befohlen, daß du nur dich setzen sollest, und anderer Leyden in Gedult und Mitleiden zuschauest.
§. 3. Er befiehlt ihnen aber nicht nur, daß sie sich setzen sollen, son-Die Ursach dieses Be- fehls ist daß er möchte in der steten Einsam- keit betten. dern füget auch eine Ursach hinzu, sagend: Biß daß ich dorthin ge- he und bette. Wir lesen offt in der Evangelischen Histori, wie JE- sus einsame Oerter gesucht, auf die höchsten Berg gestiegen, oder sich in die tieffsten Wildnussen hinein begeben, damit er ungestört mit GOtt seinem Vatter handlen könnte. Betten ware all sein Zeit- Vertreib; und obschon alle Fülle der Gottheit in ihm wohnete, so ware es dennoch des Vatters Wohlgefallen, und JEsu gröste Lust mit GOtt lieblich zu ringen im Gebett, und ihme die Erfüllung sei- ner ihme gethanen Verheissungen kindlich abzutringen; Dieses ware das Liebens-Spiel dieses Sohns der Liebe. O wie groß war die Herrlichkeit GOttes in seinen Augen! Sonderlich practicirte hier JEsus das Wort des HErren; Ruff mich an in der Noth/ so will ich dich erretten/ so sollt du mich preisena; Dann das war ein Tag grosser Noth, Angst und Trübsaal, dergleichen keiner zuvor gewesen, noch zu ewigen Zeiten seyn wird; Und wie ernstlich das Ruffen JEsu gewesen, werden wir in der Evangelischen Histori se- hen, was für eine herrliche Errettung darauf erfolget, da seine in dem tieffsten Pfuhl des Jammers versunckene Seel, und sein zer-
fleisch-
aPs. L. 15.
F f f
Die unter der Kelter des Zorns GOttes
Die Juͤnger waren betruͤbt, daß JEſus nun wollte von ihnen ge- hen, und daß er ſein Leiden antretten ſollte; aber ſo betruͤbt ſie wa- ren, ſo hatten ſie doch Ruh, und konnten ſich ſetzen; aber JEſum mußten ſie in groͤſter Traurigkeit von ſich weggehen ſehen: dabey mer- cke endlich lieber Menſch! (4.) Daß du nicht in ſo groſſer Bangig- keit, Angſt und Kampf ſeyeſt, es gebe noch andere auf Erden, an denen noch mehr als an dir gelegen, und die bey GOTT noch in groͤſſeren Gnaden ſtehen als aber du, welche aber dennoch haͤrter dran muͤſſen, und ein weit blutiger Gefecht anzutretten haben; Derowe- gen iſt dir gut, daß du wie die Juͤnger hier dich ſtille ſetzeſt, dich de- muͤthigeſt und fuͤr nichts halteſt, gedenckend, du werdeſt noch um dei- ner Bloͤdigkeit willen allzu zaͤrtlich gehalten, deswegen werde dir von JEſu befohlen, daß du nur dich ſetzen ſolleſt, und anderer Leyden in Gedult und Mitleiden zuſchaueſt.
§. 3. Er befiehlt ihnen aber nicht nur, daß ſie ſich ſetzen ſollen, ſon-Die Urſach dieſes Be- fehls iſt daß er moͤchte in der ſteten Einſam- keit betten. dern fuͤget auch eine Urſach hinzu, ſagend: Biß daß ich dorthin ge- he und bette. Wir leſen offt in der Evangeliſchen Hiſtori, wie JE- ſus einſame Oerter geſucht, auf die hoͤchſten Berg geſtiegen, oder ſich in die tieffſten Wildnuſſen hinein begeben, damit er ungeſtoͤrt mit GOtt ſeinem Vatter handlen koͤnnte. Betten ware all ſein Zeit- Vertreib; und obſchon alle Fuͤlle der Gottheit in ihm wohnete, ſo ware es dennoch des Vatters Wohlgefallen, und JEſu groͤſte Luſt mit GOtt lieblich zu ringen im Gebett, und ihme die Erfuͤllung ſei- ner ihme gethanen Verheiſſungen kindlich abzutringen; Dieſes ware das Liebens-Spiel dieſes Sohns der Liebe. O wie groß war die Herrlichkeit GOttes in ſeinen Augen! Sonderlich practicirte hier JEſus das Wort des HErren; Ruff mich an in der Noth/ ſo will ich dich erretten/ ſo ſollt du mich preiſena; Dann das war ein Tag groſſer Noth, Angſt und Truͤbſaal, dergleichen keiner zuvor geweſen, noch zu ewigen Zeiten ſeyn wird; Und wie ernſtlich das Ruffen JEſu geweſen, werden wir in der Evangeliſchen Hiſtori ſe- hen, was fuͤr eine herrliche Errettung darauf erfolget, da ſeine in dem tieffſten Pfuhl des Jammers verſunckene Seel, und ſein zer-
fleiſch-
aPſ. L. 15.
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Die unter der Kelter des Zorns GOttes
Die Juͤnger waren betruͤbt, daß JEſus nun wollte von ihnen ge-
hen, und daß er ſein Leiden antretten ſollte; aber ſo betruͤbt ſie wa-
ren, ſo hatten ſie doch Ruh, und konnten ſich ſetzen; aber JEſum
mußten ſie in groͤſter Traurigkeit von ſich weggehen ſehen: dabey mer-
cke endlich lieber Menſch! (4.) Daß du nicht in ſo groſſer Bangig-
keit, Angſt und Kampf ſeyeſt, es gebe noch andere auf Erden, an
denen noch mehr als an dir gelegen, und die bey GOTT noch in
groͤſſeren Gnaden ſtehen als aber du, welche aber dennoch haͤrter dran
muͤſſen, und ein weit blutiger Gefecht anzutretten haben; Derowe-
gen iſt dir gut, daß du wie die Juͤnger hier dich ſtille ſetzeſt, dich de-
muͤthigeſt und fuͤr nichts halteſt, gedenckend, du werdeſt noch um dei-
ner Bloͤdigkeit willen allzu zaͤrtlich gehalten, deswegen werde dir von
JEſu befohlen, daß du nur dich ſetzen ſolleſt, und anderer Leyden
in Gedult und Mitleiden zuſchaueſt.
§. 3. Er befiehlt ihnen aber nicht nur, daß ſie ſich ſetzen ſollen, ſon-
dern fuͤget auch eine Urſach hinzu, ſagend: Biß daß ich dorthin ge-
he und bette. Wir leſen offt in der Evangeliſchen Hiſtori, wie JE-
ſus einſame Oerter geſucht, auf die hoͤchſten Berg geſtiegen, oder
ſich in die tieffſten Wildnuſſen hinein begeben, damit er ungeſtoͤrt mit
GOtt ſeinem Vatter handlen koͤnnte. Betten ware all ſein Zeit-
Vertreib; und obſchon alle Fuͤlle der Gottheit in ihm wohnete, ſo
ware es dennoch des Vatters Wohlgefallen, und JEſu groͤſte Luſt
mit GOtt lieblich zu ringen im Gebett, und ihme die Erfuͤllung ſei-
ner ihme gethanen Verheiſſungen kindlich abzutringen; Dieſes ware
das Liebens-Spiel dieſes Sohns der Liebe. O wie groß war die
Herrlichkeit GOttes in ſeinen Augen! Sonderlich practicirte hier
JEſus das Wort des HErren; Ruff mich an in der Noth/ ſo will
ich dich erretten/ ſo ſollt du mich preiſen a; Dann das war ein
Tag groſſer Noth, Angſt und Truͤbſaal, dergleichen keiner zuvor
geweſen, noch zu ewigen Zeiten ſeyn wird; Und wie ernſtlich das
Ruffen JEſu geweſen, werden wir in der Evangeliſchen Hiſtori ſe-
hen, was fuͤr eine herrliche Errettung darauf erfolget, da ſeine in
dem tieffſten Pfuhl des Jammers verſunckene Seel, und ſein zer-
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Die Urſach
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daß er
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/505>, abgerufen am 22.11.2024.
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