§. 15. Da siehest du mein Mensch! wie die Sünd einem alles so vergallen und verbitteren könne; als Lutherus einsmahls in einem Fürstlichen Garten bey schönem Wetter sasse, sprach er: ich wolte das gern für mein Paradieß nehmen, wann nur die Sünd nicht wäre. Ach ja die leidige Sünd machet, daß einer angefochtenen und von dem Sünden-Gifft gequälten Seelen kein Ding auf der Welt, Freud machen kan; O wie unendlich wohl wäre es JESU an diesem schönen und lustigen Ort gewesen! aber die Sünden der Menschen haben ihm alles erleydet, allen annehmlichen Geruch des- selben Orts zu einem abscheulichen Gestanck, alle lustige Spatzier- Gänge zu einem Angst-Weg, alle schöne Bäum zu einer Folter ge- macht.
Bestraf- fung de- ren welche ihre Gär- ten zur Fleisch- sches- Kurtzweil brauchen.
§. 16. O wie thorecht, wie unanständig und schändlich ist es dann, daß Jünger eines solchen Meisters, Freund und Untertha- nen eines solchen Königs, in ihren Lust-Häuseren, Gärten, Land- Güteren und Spatzier-Fahrten nichts als des Fleisches Kurtzweil und eytele Sinnlichkeiten suchen, GOttes aber und ihrer eigenen See- len dabey gar vergessen; wodurch sie sich dann zu getünchten und schön gemahlten Todten-Gräberen machen, davon das angestrichene Pflaster bald abfallt: Es ruhet ja ein gesunder Leib auf dem Stroh viel besser, als ein krancker in Seyden und Purpur; ebenfalls ists einer geheiligten begnadeten Seelen, an einem öden Ort und finste- ren Winckel, in Schmach, Armuth, Elend, Kranckheit viel bes- ser, als einer vom Sünden-Gifft durchfressenen Seelen in aller Wol- lust und Ergötzlichkeit. Ach! ist es möglich, daß der so Christum liebet, und ihme glaubet, seinen Himmel, das ist, seine Freud, Wol- lust annoch in sichtbahren Dingen, und nicht in der stäten Einwoh- nung JESU im Hertzen suche; Aber es gehet in diesem Stuck, wie jener grosse Ausleger der Schrifft redet: Ridiculus est mundo Chri- stus, crucem, abstinentiam pro magnis bonis commendans, qui honores, voluptates pro bonis reputat: das ist: Der Welt kommt JEsus gar lächerlich und abgeschmackt vor, weilen er derselben Creutz und Enthaltung für grosse Güter anbefiehlet, da sie Ehr und Wol- lust für ihre Güter ansiehet.
Wie bitter ihnen diese ihre Kurtz-
§. 17. Aber so lächerlich es der Welt und den Jhrigen jetzund vorkommt, so bitter wird es ihnen werden, so lange Weyle werden
sie
Die unter der Kelter des Zorns GOttes
Die Suͤnd verderbet alles.
§. 15. Da ſieheſt du mein Menſch! wie die Suͤnd einem alles ſo vergallen und verbitteren koͤnne; als Lutherus einsmahls in einem Fuͤrſtlichen Garten bey ſchoͤnem Wetter ſaſſe, ſprach er: ich wolte das gern fuͤr mein Paradieß nehmen, wann nur die Suͤnd nicht waͤre. Ach ja die leidige Suͤnd machet, daß einer angefochtenen und von dem Suͤnden-Gifft gequaͤlten Seelen kein Ding auf der Welt, Freud machen kan; O wie unendlich wohl waͤre es JESU an dieſem ſchoͤnen und luſtigen Ort geweſen! aber die Suͤnden der Menſchen haben ihm alles erleydet, allen annehmlichen Geruch deſ- ſelben Orts zu einem abſcheulichen Geſtanck, alle luſtige Spatzier- Gaͤnge zu einem Angſt-Weg, alle ſchoͤne Baͤum zu einer Folter ge- macht.
Beſtraf- fung de- ren welche ihre Gaͤr- ten zur Fleiſch- ſches- Kurtzweil brauchen.
§. 16. O wie thorecht, wie unanſtaͤndig und ſchaͤndlich iſt es dann, daß Juͤnger eines ſolchen Meiſters, Freund und Untertha- nen eines ſolchen Koͤnigs, in ihren Luſt-Haͤuſeren, Gaͤrten, Land- Guͤteren und Spatzier-Fahrten nichts als des Fleiſches Kurtzweil und eytele Sinnlichkeiten ſuchen, GOttes aber und ihrer eigenen See- len dabey gar vergeſſen; wodurch ſie ſich dann zu getuͤnchten und ſchoͤn gemahlten Todten-Graͤberen machen, davon das angeſtrichene Pflaſter bald abfallt: Es ruhet ja ein geſunder Leib auf dem Stroh viel beſſer, als ein krancker in Seyden und Purpur; ebenfalls iſts einer geheiligten begnadeten Seelen, an einem oͤden Ort und finſte- ren Winckel, in Schmach, Armuth, Elend, Kranckheit viel beſ- ſer, als einer vom Suͤnden-Gifft durchfreſſenen Seelen in aller Wol- luſt und Ergoͤtzlichkeit. Ach! iſt es moͤglich, daß der ſo Chriſtum liebet, und ihme glaubet, ſeinen Himmel, das iſt, ſeine Freud, Wol- luſt annoch in ſichtbahren Dingen, und nicht in der ſtaͤten Einwoh- nung JESU im Hertzen ſuche; Aber es gehet in dieſem Stuck, wie jener groſſe Ausleger der Schrifft redet: Ridiculus eſt mundo Chri- ſtus, crucem, abſtinentiam pro magnis bonis commendans, qui honores, voluptates pro bonis reputat: das iſt: Der Welt kommt JEſus gar laͤcherlich und abgeſchmackt vor, weilen er derſelben Creutz und Enthaltung fuͤr groſſe Guͤter anbefiehlet, da ſie Ehr und Wol- luſt fuͤr ihre Guͤter anſiehet.
Wie bitter ihnen dieſe ihre Kurtz-
§. 17. Aber ſo laͤcherlich es der Welt und den Jhrigen jetzund vorkommt, ſo bitter wird es ihnen werden, ſo lange Weyle werden
ſie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0502"n="406"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Die unter der Kelter des Zorns GOttes</hi></fw><lb/><noteplace="left">Die Suͤnd<lb/>
verderbet<lb/>
alles.</note><p>§. 15. Da ſieheſt du mein Menſch! wie die Suͤnd einem alles ſo<lb/>
vergallen und verbitteren koͤnne; als Lutherus einsmahls in einem<lb/>
Fuͤrſtlichen Garten bey ſchoͤnem Wetter ſaſſe, ſprach er: ich wolte<lb/>
das gern fuͤr mein Paradieß nehmen, wann nur die Suͤnd nicht<lb/>
waͤre. Ach ja die leidige Suͤnd machet, daß einer angefochtenen<lb/>
und von dem Suͤnden-Gifft gequaͤlten Seelen kein Ding auf der<lb/>
Welt, Freud machen kan; O wie unendlich wohl waͤre es JESU<lb/>
an dieſem ſchoͤnen und luſtigen Ort geweſen! aber die Suͤnden der<lb/>
Menſchen haben ihm alles erleydet, allen annehmlichen Geruch deſ-<lb/>ſelben Orts zu einem abſcheulichen Geſtanck, alle luſtige Spatzier-<lb/>
Gaͤnge zu einem Angſt-Weg, alle ſchoͤne Baͤum zu einer Folter ge-<lb/>
macht.</p><lb/><noteplace="left">Beſtraf-<lb/>
fung de-<lb/>
ren welche<lb/>
ihre Gaͤr-<lb/>
ten zur<lb/>
Fleiſch-<lb/>ſches-<lb/>
Kurtzweil<lb/>
brauchen.</note><p>§. 16. O wie thorecht, wie unanſtaͤndig und ſchaͤndlich iſt es<lb/>
dann, daß Juͤnger eines ſolchen Meiſters, Freund und Untertha-<lb/>
nen eines ſolchen Koͤnigs, in ihren Luſt-Haͤuſeren, Gaͤrten, Land-<lb/>
Guͤteren und Spatzier-Fahrten nichts als des Fleiſches Kurtzweil und<lb/>
eytele Sinnlichkeiten ſuchen, GOttes aber und ihrer eigenen See-<lb/>
len dabey gar vergeſſen; wodurch ſie ſich dann zu getuͤnchten und<lb/>ſchoͤn gemahlten Todten-Graͤberen machen, davon das angeſtrichene<lb/>
Pflaſter bald abfallt: Es ruhet ja ein geſunder Leib auf dem Stroh<lb/>
viel beſſer, als ein krancker in Seyden und Purpur; ebenfalls iſts<lb/>
einer geheiligten begnadeten Seelen, an einem oͤden Ort und finſte-<lb/>
ren Winckel, in Schmach, Armuth, Elend, Kranckheit viel beſ-<lb/>ſer, als einer vom Suͤnden-Gifft durchfreſſenen Seelen in aller Wol-<lb/>
luſt und Ergoͤtzlichkeit. Ach! iſt es moͤglich, daß der ſo Chriſtum<lb/>
liebet, und ihme glaubet, ſeinen Himmel, das iſt, ſeine Freud, Wol-<lb/>
luſt annoch in ſichtbahren Dingen, und nicht in der ſtaͤten Einwoh-<lb/>
nung JESU im Hertzen ſuche; Aber es gehet in dieſem Stuck, wie<lb/>
jener groſſe Ausleger der Schrifft redet: <hirendition="#aq">Ridiculus eſt mundo Chri-<lb/>ſtus, crucem, abſtinentiam pro magnis bonis commendans, qui<lb/>
honores, voluptates pro bonis reputat:</hi> das iſt: Der Welt kommt<lb/>
JEſus gar laͤcherlich und abgeſchmackt vor, weilen er derſelben Creutz<lb/>
und Enthaltung fuͤr groſſe Guͤter anbefiehlet, da ſie Ehr und Wol-<lb/>
luſt fuͤr ihre Guͤter anſiehet.</p><lb/><noteplace="left">Wie bitter<lb/>
ihnen dieſe<lb/>
ihre Kurtz-</note><p><hirendition="#i">§.</hi> 17. Aber ſo laͤcherlich es der Welt und den Jhrigen jetzund<lb/>
vorkommt, ſo bitter wird es ihnen werden, ſo lange Weyle werden<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſie</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[406/0502]
Die unter der Kelter des Zorns GOttes
§. 15. Da ſieheſt du mein Menſch! wie die Suͤnd einem alles ſo
vergallen und verbitteren koͤnne; als Lutherus einsmahls in einem
Fuͤrſtlichen Garten bey ſchoͤnem Wetter ſaſſe, ſprach er: ich wolte
das gern fuͤr mein Paradieß nehmen, wann nur die Suͤnd nicht
waͤre. Ach ja die leidige Suͤnd machet, daß einer angefochtenen
und von dem Suͤnden-Gifft gequaͤlten Seelen kein Ding auf der
Welt, Freud machen kan; O wie unendlich wohl waͤre es JESU
an dieſem ſchoͤnen und luſtigen Ort geweſen! aber die Suͤnden der
Menſchen haben ihm alles erleydet, allen annehmlichen Geruch deſ-
ſelben Orts zu einem abſcheulichen Geſtanck, alle luſtige Spatzier-
Gaͤnge zu einem Angſt-Weg, alle ſchoͤne Baͤum zu einer Folter ge-
macht.
§. 16. O wie thorecht, wie unanſtaͤndig und ſchaͤndlich iſt es
dann, daß Juͤnger eines ſolchen Meiſters, Freund und Untertha-
nen eines ſolchen Koͤnigs, in ihren Luſt-Haͤuſeren, Gaͤrten, Land-
Guͤteren und Spatzier-Fahrten nichts als des Fleiſches Kurtzweil und
eytele Sinnlichkeiten ſuchen, GOttes aber und ihrer eigenen See-
len dabey gar vergeſſen; wodurch ſie ſich dann zu getuͤnchten und
ſchoͤn gemahlten Todten-Graͤberen machen, davon das angeſtrichene
Pflaſter bald abfallt: Es ruhet ja ein geſunder Leib auf dem Stroh
viel beſſer, als ein krancker in Seyden und Purpur; ebenfalls iſts
einer geheiligten begnadeten Seelen, an einem oͤden Ort und finſte-
ren Winckel, in Schmach, Armuth, Elend, Kranckheit viel beſ-
ſer, als einer vom Suͤnden-Gifft durchfreſſenen Seelen in aller Wol-
luſt und Ergoͤtzlichkeit. Ach! iſt es moͤglich, daß der ſo Chriſtum
liebet, und ihme glaubet, ſeinen Himmel, das iſt, ſeine Freud, Wol-
luſt annoch in ſichtbahren Dingen, und nicht in der ſtaͤten Einwoh-
nung JESU im Hertzen ſuche; Aber es gehet in dieſem Stuck, wie
jener groſſe Ausleger der Schrifft redet: Ridiculus eſt mundo Chri-
ſtus, crucem, abſtinentiam pro magnis bonis commendans, qui
honores, voluptates pro bonis reputat: das iſt: Der Welt kommt
JEſus gar laͤcherlich und abgeſchmackt vor, weilen er derſelben Creutz
und Enthaltung fuͤr groſſe Guͤter anbefiehlet, da ſie Ehr und Wol-
luſt fuͤr ihre Guͤter anſiehet.
§. 17. Aber ſo laͤcherlich es der Welt und den Jhrigen jetzund
vorkommt, ſo bitter wird es ihnen werden, ſo lange Weyle werden
ſie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/502>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.